Kinderlärm: Wenn Spiel- und Ruhebedürfnisse aufeinander prallen
Kinderlärm muss geduldet werden, solange er das Maß der gewöhnlichen Belästigung nicht übersteigt und im Wesentlichen die allgemeinen Ruhezeiten beachtet werden.
Folglich müssen laut ständiger Rechtsprechung die üblichen Lauf- und Spielgeräusche von Kindern innerhalb der Wohnung akzeptiert werden. Das Saarländische Oberlandesgericht (Az. 5 W 82/96-20) stellt sogar klar, dass Menschen, die in besonderer Weise ruhebedürftig oder lärmempfindlich sind, nicht erwarten können, dass sich die Gemeinschaft nach ihren individuellen Bedürfnissen richtet.
Wir haben Beispiele aus der Rechtsprechung zum konfliktreichen Themengebiet Kinder und Lärm zusammengestellt.
Zur Klarstellung: Nicht jeder Lärm muss geduldet werden. Nicht mehr sozialadäquat und somit nicht zu dulden ist laut der Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts das fortgesetzte Schlagen eines Tennisballes mit einem Tennisschläger gegen die Kinderzimmerwand. Häufiges oder gar ständiges Tennistraining in der Wohnung kann wegen der erheblichen Geräusche gerichtlich untersagt werden.
Das OVG Lüneburg (Az. 9 LA 113/04) stellte fest, dass auch ein großzügig bemessener Spielplatz in einem reinen Wohngebiet zulässig ist. Die mit der Nutzung des Spielplatzes unvermeidbar verbundene Geräuschentwicklung sei ortsüblich. Denn die Spielplätze sind laut einer aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz (Az. 1 K 198/08) notwendig, um Kindern einerseits einen ungestörten Aufenthalt im Freien zu ermöglichen und andererseits ihnen Gelegenheit zu geben, ihr Sozialverhalten in Spielen mit anderen Kindern zu trainieren. Der Schutz der Anwohner vor Lärmbelästigung müsse dahinter zurücktreten. Nach § 906 BGB müssen lediglich ortsübliche und nicht wesentliche Beeinträchtigungen geduldet werden.
Achtung: Sogar § 22 BImschG wurde im Jahr 2011 wie folgt geändert:
“Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.”
Auch darf eine Eigentümergemeinschaft (in einer Wohnungseigentumsanlage) die gesetzlichen Bestimmungen nicht verschärfen, indem sie in einer Hausordnung regelt, dass zu bestimmten Zeiten alle unnötigen und störenden Geräusche zu unterlassen sind. Das OLG Düsseldorf (Az. 3 Wx 233/08) hält eine solche Gemeinschaftsordnung für unverbindlich. Derartige pauschale Formulierungen sind, so das Gericht, nicht objektivierbar. Die Hausordnung ist deshalb zu unbestimmt. Allerdings konnten sich die gestörten Wohnungseigentümer im entschiedenen Fall erfolgreich auf § 14 WEG berufen. Diese Norm schreibt vor, dass ein Eigentümer durch seine Nutzung der Wohnung die anderen Eigentümer nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigen darf. Im konkreten Fall war das OLG Düsseldorf überzeugt, dass der festgestellte Lärm aus Geschrei, lauter Musik, Springen und Trampeln, Möbelrücken und Türenknallen über das hinzunehmende Maß hinausging und somit ein Unterlassungsanspruch nach § 15 WEG, § 1004 BGB begründet ist.
Ein Hamburger Vermieter hatte einer Familie gekündigt und eine Räumungsklage eingereicht, weil wegen des Lärmes sogar der Hausfrieden gestört sei. Das Amtsgericht Hamburg-Harburg (Az. 641 C 262/09) wies die Klage ab. Denn einige Mieter hatten ausdrücklich erklärt, dass sie der Kinderlärm gar nicht störe. Aus dem Lärmprotokoll, das der Vermieter vorlegte, ergab sich außerdem dass die Eltern auf die Einhaltung der üblichen Ruhezeiten von 22.00 Uhr bis 7.00 Uhr und 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr geachtet hatten. Außerhalb dieser Ruhezeiten müssen die üblichen Lauf- und Spielgeräusche von Kindern innerhalb oder außerhalb der Wohnung akzeptiert werden, so das Urteil.
Wer haftet eigentlich, wenn…
… mein Kind eine Party gibt, 500 Kids kommen, das Haus tobt, die Straße blockiert ist und die Einsatzkräfte anrücken müssen?
Bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, wer für die Polizeieinsätze bei solchen face book Feiern aufkommt. Im Prinzip haftet aber derjenige, der eine solche Party organisiert, für alle entstehenden Kosten. Mutwillige Beschädigungen im Rahmen einer solchen Party wird übrigens die private Hausratversicherung nicht übernehmen.
… als “Dummenjungenstreich” die Feuerwehr bestellt wird?
Im Prinzip muss der Verursacher eines Einsatzes den Einsatz auch zahlen, also hier der Scherzbold. Rückt die Feuerwehr aber beispielsweise zu einem echten Feuer aus, ist dies meist für das Brandopfer kostenfrei. Allerdings würde dann der Brandstifter zur Kasse gebeten, sofern er ermittelt werden kann.
… wenn mein Kind den besten Freund mit ins Schwimmbad nimmt, ich die beiden beaufsichtige und dem Freund dort etwas passiert?
Nicht nur für die eigenen Kinder sondern unter bestimmten Umständen, (wie bei einer Einladung zum Schwimmen) auch für fremde Kinder gibt es durchaus eine Aufsichtspflicht. Entscheidend ist aber, ob der Schaden wegen einer Verletzung der Aufsichtsführung entstanden ist. Das Maß der zu leistenden Aufsicht bestimmt sich danach, was nach Alter und Entwicklung der Kinder von verständigen Eltern unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Lage und ihrer eigenen Geschäfte erwartet werden kann und ihnen zuzumuten ist. Eine Überwachung der Aufsichtsbefohlenen auf Schritt und Tritt ist in der Regel nicht angängig und bei reiferem Alter der Kinder auch nicht erforderlich, wenn Kinder nicht gerade zu ernsteren üblen Streichen neigen. (OLG Celle, Az. 9 U 36/86)
… wenn mein Kind den Nachbarshund einmal spazieren führt und der plötzlich jemanden beißt?
Das Kind, das auch mal Gassi gehen durfte kann für das typisch tierische Verhalten nicht verantwortlich gemacht werden. Hier haftet stets das Herrchen als Tierhalter. Meist har er auch eine Versicherung für solche Fälle abgeschlossen.
Großereignis Kindergeburtstag
Nicht nur für die eigenen Kinder, sondern unter Umständen auch für fremde Kinder gibt es durchaus eine Aufsichtspflicht. Etwa bei einer ausdrücklichen Einladung zu einem Kindergeburtstag. Dann müssen die fremde Kinder ebenso sorgfältig beaufsichtigt werden, wie die eigenen Kinder. Entscheidend ist aber auch, ob der Schaden bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden wäre. Das Maß der zu leistenden Aufsicht bestimmt sich danach, was nach Alter und Entwicklung der Kinder von verständigen Eltern unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Lage und ihrer eigenen Geschäfte erwartet werden kann und ihnen zuzumuten ist. Eine Überwachung der Aufsichtsbefohlenen auf Schritt und Tritt ist in der Regel nicht angängig und bei reiferem Alter der Kinder auch nicht erforderlich, wenn Kinder nicht gerade zu ernsteren üblen Streichen neigen. (OLG Celle, Az.9 U 36/86)
Zusammenfassung
Kinder sollen sich entwickeln. Dazu gehört auch, dass sie spielen können. Die Rechtsprechung räumt ein, dass es im Innenhof, auf dem Bolzplatz, in der Spielstraße oder der Wohnung lauter zugehen kann. Wenn der Lärm das gewöhnliche Maß nicht übersteigt und die allgemeinen Ruhezeiten im Wesentlichen beachtet werden, müssen Sie Lärm von spielenden Kindern dulden. Das gilt auch in einer Wohnungseigentumsanlage. Selbst wenn in der Hausordnung steht, dass sämtliche Hausbewohner zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet sind, gilt das nicht für üblichen Lärm, der zum Beispiel am Spielplatz entsteht. Dies folgt aus dem Interesse der Allgemeinheit an einer kinderfreundlichen Umwelt (Landgericht Heidelberg, Aktenzeichen 8 S 2/96). Das Gericht in Heidelberg hat ausdrücklich begrüßt, wenn Eltern zusammen mit ihren Kindern spielen. Auf einem Spielplatz gilt auch der Lärm von Kindern als ortsüblich, die selbst nicht im Haus wohnen, aber Kinder von Hausbewohnern besuchen. Die Tendenz, zugunsten von Kindern zu entscheiden, ist stark. Allerdings sollten auch Kinder unnötigen Lärm in den Ruhezeiten vermeiden. Diese sind regional unterschiedlich. Meist ist Ruhezeit – zwischen 12 und 14 Uhr oder 13 bis 15 Uhr, in der Nacht von 22 bis 7 Uhr und ganztägig an Sonn- und Feiertagen. Aufschlussreich zur Rechtsprechung hinsichtlich der Zumutbarkeit von Lärm durch Kinder ist ein im Juni 2006 vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg erlassener, sehr ausführlicher Beschluss mit dem Aktenzeichen 9 LA 113/04. Er gelangt zu dem bezeichnenden Ergebnis, dass auch ein großzügig bemessener und mit einer überdurchschnittlichen Spielgeräteausstattung versehener Spielplatz mit dem Ruhebedürfnis der Bewohner eines unmittelbar angrenzenden Wohngebiets vereinbar ist.