Mobilfunkanlagen in der Nachbarschaft: Unbeliebt, aber schwer zu verhindern
Erst die Handys, jetzt schicke Smartphones und Internetempfang per UMTS und LTE. Mobile Geräte haben den Alltag erobert und keiner will die praktischen Funktionen wieder missen. Der Haken dabei: Mit dem Ausbau der Funknetze ist unvermeidlich verbunden, dass immer mehr Sendemasten installiert werden – auch in der näheren Umgebung. Die antennenbestückten Türme sind nicht gerade schön anzusehen, zudem machen sich viele Anwohner Sorgen über Gesundheitsrisiken, die mit der elektromagnetischen Strahlung verbunden sind. Doch gibt es überhaupt rechtliche Möglichkeiten, die Aufstellung neuer Mobilfunkmasten zu verhindern?
Wir haben wichtige Fakten zum Themenkomplex “Errichtung und Betrieb von Mobilfunkanlagen” zusammengestellt.
Oft beginnt es mit dem Plan eines benachbarten Grundstücks- oder Immobilienbesitzers, eine Mobilfunkanlage errichten zu lassen. Das ist ein einträgliches Geschäft, denn die Mobilfunkunternehmen müssen ihre Netze, bedingt durch die zunehmende Nutzung, massiv erweitern. Und sind deshalb ständig auf der Suche nach neuen Aufstellplätzen. Da die Masten nicht zu weit von den Empfängern entfernt sein können, ist eine Installation auch in reinen Wohngebieten oft nicht vermeidbar. Geschätzt wird, dass in den nächsten Jahren bis zu 90000 Mobilfunkbasisstationen in Deutschland benötigt werden. In vielen betroffenen Orten haben sich die Bürger zusammengeschlossen, um ihre Rechte zu wahren.
Wie auch sonst beim Schutz gegen Immissionen gibt es öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Rechtsgrundlagen.
Öffentlich-rechtliche Grundlagen
Für die beim Sendebetrieb entstehenden elektrischen und magnetischen Wellen oder nicht ionisierenden Strahlen gilt öffentlich-rechtlich das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG). Es handelt sich vom ausstrahlenden Grundstück aus um Emissionen und für Sie als Nachbar um Immissionen nach den Begriffsbestimmungen des Paragrafen 3 Absatz 3 und Absatz 2 des BImSchG.
Nach dem BImSchG sind die Sendeanlagen nicht genehmigungsbedürftig. Es sind jedoch nach Paragraf 22 Absatz 1 BImSchG schädliche Umwelteinwirkungen, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, zu verhindern. Wann schädlich auf die Umwelt nach Auffassung des Gesetzgebers eingewirkt wird, ergibt sich aus der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV). Wenn die dort festgelegten Grenzwerte eingehalten werden, kann die öffentliche Hand, insbesondere die Gemeinde, rechtlich nicht einschreiten.
Das Bundesverfassungsgericht hat eine gegen diese Ansätze eingereichte Verfassungsbeschwerde nicht angenommen und diese Ansätze in einem Beschluss vom 17. Februar 1997 verfassungsrechtlich akzeptiert (Aktenzeichen 1 BvR 1658/96, – auch 1 BvR 1676/01).
In einem Beschluss vom 5. November 2007 hat das OVG Nordrhein-Westfalen die Bauordnung in der Weise angewandt, dass wegen „gebäudegleicher Wirkung“ die Abstandsflächen für Gebäude eingehalten werden müssen. (7 B 1339/07 – Urteil nachlesen).
Privat-rechtlicher Nachbarschutz
Tatsächlich kommt auch hier ein privat-rechtlicher Schutz nach Paragraf 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Betracht. Wir haben ihn schon zu vielen anderen nachbarrechtlichen Detailfragen beschrieben.
Aber: Das Bundesverfassungsgericht hat nebenbei auch erklärt (juristisch sagt man „obiter dictum“), dass die 26. BImSchV im Rahmen des Paragrafen 906 Absatz 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches grundsätzlich zu beachten ist. § 906 Absatz 1 Satz 2 legt fest, dass in der Regel nur eine unwesentliche Beeinträchtigung vorliegt, wenn die Richtwerte eingehalten sind.
Der Bundesgerichtshof hat am 13. Februar 2004 ganz in diesem Sinne entschieden (V ZR 217/03 – Urteil nachlesen): Die 26. BImSchV hat Indizwirkung. Will sich ein betroffener Nachbar durchsetzen, muss er Umstände darlegen und beweisen, welche diese Indizwirkung erschüttern. Um zu erschüttern, muss er „darlegen und beweisen, dass ein begründeter wissenschaftlicher Zweifel an der Richtigkeit der festgelegten Grenzwerte und ein fundierter Verdacht einer Gesundheitsgefährdung besteht“.
Für Mobilfunkgegner ist dieses Ergebnis deprimierend: Wenn die Werte der 26. BImSchV eingehalten werden, können Sie sich nachbarrechtlich gegenwärtig in aller Regel nicht erfolgreich wehren; – so wie die Gemeinde auch meist nichts gegen die geplante Mobilfunkanlage rechtlich unternehmen kann.
Für die (ohnmächtigen) Gemeinden besteht allerdings öfters ein Ausweg: Sie können teilweise die Mobilfunkmasten verbieten, indem sie andere Gründe vorschieben, zum Beispiel: Die Anlage verunstaltet rechtswidrig das reine Wohngebiet, in dem sie aufgestellt werden soll.
Miteigentümer in einer Wohnanlage
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat im Juni 2006 geurteilt, dass ein Mehrheitsbeschluss ausreicht, um einen Mietvertrag über die Errichtung einer Mobilfunksendestation auf dem Dach des gemeinschaftlichen Wohnhauses zu verhindern. (1 U 20/06 – Urteil nachlesen) Dieses Urteil ist deshalb besonders interessant, weil es die 26. BImSchV überspringt, indem es darlegt: „Auch bei Einhaltung der Grenzwerte der 26. BImSchV kann nach der Verkehrsanschauung bereits die Besorgnis einer Gesundheitsgefahr die Gebrauchstauglichkeit von Mieträumen zu Wohnzwecken beeinträchtigen“ und den Wert des Wohnungseigentums mindern.
Weiterführende Informationen finden Sie auch in unserem Beitrag zum Thema Immissionsschutzgesetze:
mein-nachbarrecht.de/themen/134-immissionsgesetze-einwirkungen-mit-weitreichenden-folgen
Hier können Sie wichtige Urteile zum Themengebiet “Mobilfunkanlagen” im Wortlaut nachlesen:
Mobilfunksendeanlage im Rahmen der Grenzwerte (BGH, V ZR 217/03)
Mobilfunksendestationen und Mietverträge (OLG Karlsruhe, 1 U 20/06)
Keine Gesundheitsgefährdung durch Mobilfunk-Sendeanlage (OVG Niedersachsen, 1 O 2761/00)
Von einem Mobilfunkmast einzuhaltende Abstandsflächen (OVG Münster, 7 B 1339/07)
Zustimmung aller Eigentümer bei Errichtung einer Mobilfunkanlage (OLG München, 34 Wx 109/06)
Funkmast in der Nähe eines Wohnhauses (OVG Koblenz, 8 C 11052/10)