Nachbarrecht-Mythen (I): Irrtümer über Lärm

Nachbarrecht-Mythen (I): Irrtümer über Lärm

Das persönliche Rechtsgefühl deckt sich nicht immer mit der tatsächlichen Rechtslage. Hartnäckig halten sich Annahmen aus dem Alltag, die bei Juristen nur für Kopfschütteln sorgen. In unserer Serie stellen wir diese Mythen auf den Prüfstand – diesmal dreht sich alles um den Themenbereich Lärmbelästigung in Haus und Wohnung.



Wenn ich durch einen Aushang im Treppenhaus informiere, dass ich eine Party feiere, darf man die Nachtruhe ausnahmsweise hinausschieben?

Die Nachtruhe beginnt um 22:00 Uhr und kann durch einen Aushang im Treppenhaus nicht verlängert werden. Wenn Sie wissen, dass die Nachbarn etwas dagegen haben, sollten Sie aber Ihre Nachbarn vor dem nächsten Fest informieren und vielleicht auch einladen. Jedenfalls sollten sich die Nachbarn auf die bevorstehenden Störungen einstellen können. Dann wird vielleicht auch nicht gleich um 22:00 die Polizei gerufen. Ab diesem Zeitpunkt muss die Zimmerlautstärke eingehalten werden. Es darf also außerhalb der eigenen Wohnung nichts mehr zu hören sein. Bei nächtlichem Lärm und nächtlichen Ruhestörungen droht den Feiernden sonst sogar ein Bußgeld. Auch besondere Ausnahmen wie etwa Fasching, Hochzeiten oder Silvester rechtfertigen es grundsätzlich nicht, dass die Feier im Freien bis in die frühen Morgenstunden ausgedehnt wird. Auch hier muss Rücksicht auf die Nachbarn genommen werden, wie sonst auch. Ausnahmen gelten aber für Karnevalsveranstaltung in dafür typischen Gebieten. Hier haben die Gerichte stets die geltenden Gesetzt übersehen und waren in der Begründung ihrer Urteile erfinderisch. Unter anderem haben sich die Gerichte auf die den geltenden Gesetzen entgegenstehende jahrelange Übung berufen.


Hat man ein Recht darauf ein paar Mal im Jahr groß zu feiern?

Nein. Es gibt kein Recht auf Party. Niemand kann sich nämlich darauf berufen, dass er in der freien Entwicklung seiner Persönlichkeit beeinträchtigt ist, weil er nicht oft und laut genug feiern darf. Ein Recht auf Lärm ist im Grundgesetz nicht vorgesehen, urteilte etwa das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf (5 Ss (OWi) 475/89 – Urteil nachlesen).


Rechtfertigt Baulärm von der Straße immer eine Mietminderung?

Es kommt stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Es spielt allerdings keine Rolle, ob der Vermieter den Lärm verursacht hat, weil er Bauarbeiten beauftragt hat. Auch wenn der Vermieter überhaupt nichts für den Lärm kann, weil er beispielsweise von der gegenüberliegenden Großbaustelle kommt, kann man grundsätzlich mindern. Bei erheblichen Lärmbelästigungen von mehr als 10 Stunden täglich oder am Wochenende wurde von Gerichten meist eine Minderungsquote von etwa 15 bis 25 Prozent zugesprochen. Bevor Sie aber mindern, sollten Sie hinsichtlich der Minderungsquote eine rechtliche Beratung einholen, um nicht zu viel zu mindern.


Stimmt es, dass man nachts nicht duschen oder die Badewanne füllen darf?

Nein. In der heutigen Zeit mit flexiblen Arbeitszeitmodellen gilt dies nicht mehr. Selbst eine Hausordnung darf nicht verbieten, dass nach 22.00 Uhr oder sonntags nicht gebadet werden darf. Durch „normales“ Duschen kann die Nachtruhe egal zu welcher Zeit nicht gestört werden.

In jedem Bundesland ist ein Immissionsschutzgesetz erlassen worden, dass die Störung der Nachtruhe als Ordnungswidrigkeit ahndet. Wann eine Störung der Nachtruhe vorliegt, richtet sich ganz entscheidend nach dem Einzelfall, also nach der Intensität und Dauer des Lärms, nach dem Charakter des Wohngebietes und nach der Art und Weise, in der sich der Lärm auswirkt. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf (5 SS (OWi) 411/90 – (OWi) 181/90 I – Urteil nachlesen) hatte den Fall zu entscheiden, dass in der Nacht vom 23. auf den 24.12. der Kläger durch Duschgeräusche geweckt wurde. Diese Duschgeräusche dauerten von etwa 22.00 Uhr bis 1.00 Uhr an. Diese Duschgeräusche wiederholten sich in weiteren Nächten. Das Gericht vertrat dabei in etwa die folgende Argumentation: Das nächtliche Duschen oder Baden gehört zu den normalen Wohngeräuschen. Deshalb sind solche Lärm und Geräuschbelästigungen sozial adäquat. Der Mieter muss nächtliches Duschen und Baden von Mitmietern hinnehmen, soweit die übliche Nutzung der Wohnung bei üblicher Rücksichtnahme auf andere Mitbewohner nicht verletzt wird. Ein Mieter ist berechtigt, die Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch zu nutzen. Deshalb darf die Benutzung der Dusche nach bestimmten Tageszeiten nicht beschränkt werden. Es ist nämlich angesichts von veränderten Lebens- und Arbeitsgewohnheiten nicht mehr zeitgemäß, einem Mieter das Duschen nach 22.00 Uhr zu verbieten. Das Gericht weist beispielsweise auf Schichtarbeit und Nachtarbeit hin. Deshalb ist auch nach Auffassung des Gerichtes das Duschen zur Nachtzeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr grundsätzlich gestattet.

Allerdings ist das nächtliche Duschen ggf. zeitlich zu begrenzen. Das nächtliche Duschen kann auf einen Zeitraum eingeschränkt sein, der üblicherweise hierfür einschließlich der vorbereitenden und der abschließenden Tätigkeiten benötigt wird. Diesen Zeitraum hat das Gericht auf 30 Minuten bemessen. Nach Auffassung des Gerichtes soll diese Zeitspanne ausreichen, um alle mit der nächtlichen Körperpflege verbundenen Tätigkeiten zu erledigen.


Darf man nachts die Waschmaschine oder den Wäschetrockner nutzen?

Das zum nächtlichen Duschen gesagte gilt auch für Waschmaschinen, jedenfalls wenn sie dem neuesten Stand des Technik entsprechen. Denn Gerichte haben auch schon entschieden, dass die heutigen Waschmaschinen so leise sind, dass sie auch an Sonn- und Feiertagen niemanden stören. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln (16 Wx 165/99 – Urteil nachlesen) hat beispielsweise entschieden, dass in der Zeit von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr der Waschkeller auch sonntags benützt werden darf, wenn von der Waschmaschine keine empfindliche Geräuschbelästigung ausgeht.


Auf Parkett- oder Laminatböden darf man nicht mit Stöckelschuhen laufen?

Sozialadäquater Lärm ist zu dulden. Stundenlanges herumlaufen, dass nur den Zweck, den Nachbarn zu ärgern, muss aber nicht hingenommen werden. Auf Socken muss man deswegen aber nicht laufen, auch wenn das Haus etwas hellhörig ist. Insbesondere kann der Mieter seine Besucher nicht verpflichten, dass diese ihre Schuhe ausziehen. Nach dem schon etwas älterem Urteil des Landgerichts (LG) Mannheim (12 S 9/72) stellt übrigens das Begehen eines Weichholzfußbodens mit spitzen Metallabsätzen (wodurch sofort ersichtlich Löcher im Fußboden zurückbleiben) aber keinen ordnungsmäßigen Gebrauch der Mietsache mehr dar. Für Wohnraummietverhältnisse ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten, ob derartige Druckspuren in einem Parkettfußboden noch als Folgen vertragsmäßiger Nutzung angesehen werden können. Im Regelfall sind aber normal gestaltete Absätze gestattet.


Für den Lärm seiner Gäste kann man nicht den Gastgeber verantwortlich machen?

Doch. Der Gastgeber muss seine z.B. auf dem Balkon rauchenden und laut redenden Gäste hereinholen, ermahnen, etc. Sorgt der Gastgeber nicht ausreichend für Ruhe, kann auch er wegen Störung der Nachtruhe mit einem Bußgeld belangt werden, sogar wenn er selbst sich still verhalten hat und nicht laut gelacht oder gesungen hat urteilte etwas der Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf (5 Ss (OWi) 475/89 – Urteil nachlesen). Neben der Möglichkeit, die Polizei zu rufen, wenn Sie durch unzulässigen Lärm gestört werden, können Sie auch zivilrechtlich gegen den Lärmverursacher vorgehen. Dies kann vorteilhaft sein, da die Polizei nicht in jedem Fall einschreiten muss. Zivilrechtlich kommt neben einer Klage eine so genannte „strafbewehrte Unterlassungserklärung“ in Betracht. Mit ihr können Sie sich gegen künftige Wiederholungsfälle schützen: Stellen Sie also Ihren lärmenden Nachbarn vor die Wahl: Entweder werden Sie gegen ihn klagen oder er gibt eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Darin verpflichtet sich Ihr Nachbar, bei jedem neuen Fall einer Störung eine Vertragsstrafe, z.B. 150 Euro, an Sie zu zahlen. Die strafbewehrte Unterlassungserklärung wird heute von Gerichten allgemein anerkannt. Für Sie hat sie den Vorteil, dass sie die Gefahr weiterer Störungen vermindert. Und auch Ihr Nachbar stellt sich mit der Abgabe einer solchen Unterlassungserklärung nicht schlechter. Im Gegenteil: Er spart sich sogar die mit einem Prozess verbundenen Kosten und Unannehmlichkeiten.

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