Nackte Tatsachen: Wenn die blanke Haut den Nachbarn stört
Umso höher die Temperaturen klettern, desto öfter lassen Sonnenhungrige und Hitzegeplagte die Hüllen fallen. Das gefällt bei Leibe nicht allen, zumal die Nackten nicht immer dem Schönheitsideal aus Sport- und Modemagazinen entsprechen. Der Grad zur Belästigung ist dann schnell überschritten. Doch kann man dagegen vorgehen, wenn bierbäuchige Herren oder vollbusige Damen in Parks, Gärten oder auf Balkonen blank ziehen? Verbieten moralische Standards, dass man sich freizügig in der Öffentlichkeit zeigt? Wir haben uns dieses scheinbar unernsten Themas angenommen und die rechtlichen Fakten zusammengestellt.
Der Themenbereich „Moralisches Empfinden“ gehört zu den unsichersten Rechtsgebieten und wird bislang eher geschützt als das ästhetische Empfinden. Allerdings werden im Bereich der Moral Urteile immer mehr überholt.
Dürfen Hausherren und -damen im eigenen Garten in Badehose (oder noch weniger) herumlaufen und vor allem: Dürfen Nachbarn gucken?
Was am Badesee an Bade- oder Freizeitbekleidung erlaubt ist, ist natürlich auch im eigenen Garten erlaubt. Selbst wer im Garten nackt herumläuft begeht keine Straftat. Allerdings kann unter Umständen eine Ordnungswidrigkeit nach § 118 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) wegen Belästigung der Allgemeinheit vorliegen. Etwa dann, wenn die Erdgeschosswohnung oder das eigene Grundstück entsprechend einsehbar sind, muss mit einem Ordnungsgeld gerechnet werden, wenn sich Nachbarn berechtigt gestört fühlen.
Mit gesenktem Blick muss man sich nicht bewegen, wenn die Nachbarn in der Sonne baden. Man darf über den Zaun schauen. Das zielgerichtete Beobachten des Nachbarn mit einer Videokamera verletzt dagegen das Persönlichkeitsrechts schwerwiegend und ist außerdem ein unzulässiger Eingriff in die Intimsphäre. Der beobachtete Sonnenanbeter kann Schmerzensgeld und Unterlassung fordern. Diese Grundsätze gelten auch für das Fotografieren, insbesondere wenn dies aus sexuellen Motiven heraus erfolgt. Auch das gezielte Hineinschauen in die Fenster einer Wohnung von der gemeinschaftlichen Grünfläche der Mehrfamilienhausanlage kann nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München (32 Wx 65/05 – Urteil nachlesen) mit einer Unterlassungsklage, § 1004 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), abgewehrt werden.
Darf ich einen Sichtschutz am Balkon anbringen?
Der zur Wohnung gehörende Balkon darf vom Mieter im üblichen Rahmen nach seinem Geschmack genutzt werden. Der Vermieter darf deshalb etwa Pflanzen auf dem Balkon nicht verbieten. Denn die Begrünung gehört nun einmal zum ordnungsgemäßen Gebrauch eines Balkons. Nach der Entscheidung des Amtsgericht (AG) Neubrandenburg (Az.: 6 C 161/06) kann der Vermieter auch eine Balkonverkleidung nicht verbieten, wenn die Verkleidung zum Stil des Hauses passt, also nicht optisch beeinträchtigt.
Kann der Vermieter wegen nackt sonnen kündigen?
Unbekleidetes Sonnen im Garten ist kein Grund zur fristlosen Kündigung, wenn sich Nachbarn beschweren. Wird der Hausfrieden durch einen Mieter aber extrem gestört, kann dies ein Grund für eine fristlose Kündigung des Mietvertrages ohne vorherige Abmahnung sein.
Aber nicht jedes Verhalten, das den Vermieter stört, rechtfertigt die fristlose Kündigung. Ein Urteil des Amtsgerichts (AG) Merzig (23 C 1282/04 – Urteil nachlesen) will zwischen Beschwerden von Nachbarn und Hausbewohnern unterscheiden. Nach ihm genügt es nicht, dass Nachbarn der anliegenden Häuser Anstoß an Verhaltensweisen eines Mieters nehmen. Nachbarn hatten sich beschwert, weil die Mieterin sich im Garten unbekleidet sonnte. Dies stellt aber keine Störung des Hausfriedens dar, stellt das Gericht feinsinnig fest. Denn die sich gestört fühlenden Nachbarn wohnen nicht im selben Mietshaus. Der Hausfrieden bezieht sich aber nur auf die Bewohner des vom Mieter bewohnten Gebäudes.
Es ist gut vorstellbar, dass andere Gerichte anders entscheiden und eine fristlose Kündigung auch dann zulassen, wenn das Nachbarschaftsverhältnis betroffen ist.
Sind nackte Tatsachen bei Gartenzwergen erlaubt?
Grundsätzlich dürfen im eigenen Garten beliebig viele Gartenzwerge aufgestellt werden. Ästhetische Bedenken der Nachbarn sind im Allgemeinen kein rechtlicher Grund, die Zwerge zu entfernen: Zu unterschiedlich ist hier der Geschmack der einzelnen Gartenbesitzer und zu sehr würden Streitigkeiten zwischen Nachbarn ausgeweitet.
So genannte Frust-Zwerge, die eindeutig obszön wirken, müssen regelmäßig aber nicht geduldet werden, wenn diese so stehen, dass sie der Nachbar direkt sehen kann (und soll). Der Nachbar kann sich in einem solchen Fall auf seine Ehrverletzung berufen urteilte das Amtsgericht (AG) Grünstadt (2a C 334/93 – Urteil nachlesen). Das Aufstellen von Gegenständen, die das Ehrgefühl des Nachbarn verletzen könnten, ist genauso wenig zulässig, wie jede schikanöse Belästigung des Nachbarn.
Hier können Sie wichtige Urteile zum Themengebiet “Nackt in der Öffentlichkeit” im Wortlaut nachlesen:
Frustzwerge in Nachbars Garten (AG Grünstadt, 2a C 334/93)
FOTO: Pexels.com