Videoüberwachung: Sicherheit vs. Persönlichkeitsrechte

Videoüberwachung: Sicherheit vs. Persönlichkeitsrechte

Die Videobeobachtung nimmt sprunghaft zu, denn die benötigten Technik wird immer billiger und das Sicherheitsbedürfnis steigt. Es wird geschätzt, dass in Deutschland allein im nicht-öffentlichen Bereich bereits knapp eine halbe Million Überwachungsanlagen installiert sind. Wie so oft im Nachbarrecht muss zwischen den sich gegenüberstehenden Interessen abgewogen werden. Abwägen bedeutet meist aber auch Rechtsunsicherheit. Wir haben wichtige Urteile zum Themenbereich „Überwachung mit Videokameras“ zusammengestellt.


Persönlichkeitsrechte werden bei der Abwägung stark gewichtet; das heißt als Faustregel: Die Gerichte entscheiden zugunsten derjenigen, die aufgenommen werden können und sich auf ihr Persönlichkeitsrecht berufen; es sei denn, es sprechen sehr gewichtige Gründe für den, der die Videokamera installiert.

Grundsätzlich darf das eigene Grundstück beobachtet werden, solange die Beobachtung nicht unsachlich ist. Unzulässig ist dagegen in aller Regel, das Nachbargrundstück oder die Benutzer eines öffentlichen Zugangs eines Grundstücks  zu beobachten. Zum Nachbarn hin muss selbst ein „Überwachungsdruck“ verhindert werden. Ein Überwachungsdruck wird aber noch nicht bejaht, wenn die Kameras nur mit erheblichem und äußerlich wahrnehmbarem Aufwand auf das Nachbargrundstück ausgerichtet werden können. Besonderheiten sind zu beachten für Wohnungseigentumsanlagen, für Mietverhältnisse und für Zugangswege.

Bei Wohnungseigentumsanlagen ist noch nicht eindeutig geklärt, ob der Einbau einer Kamera als eine bauliche Veränderung anzusehen ist, die nach den Paragrafen 14, 22 des Wohnungseigentumsgesetzes grundsätzlich einstimmig zu beschließen ist.

Gerade in dem Bereich der Videoüberwachung können sich Einzelheiten stark auswirken. Wenn Sie beispielsweise in einer Entscheidung lesen, Mieter dürften nicht beobachtet werden, dann heißt dies noch längst nicht, dass wegen ständiger, ekeliger Verunreinigungen im Keller nicht doch beobachtet werden darf.

Als allgemeine Verbotsgrundlagen kommen im Bereich des Garten- und Nachbarrechts neben dem im Nachbarrecht oft allgemein anwendbaren § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor allem in Betracht:
Paragraf 823 Absatz 1 BGB mit dem Persönlichkeitsrecht als absolut geschütztem Recht, das Recht am eigenen Bild nach den Paragrafen 22 und 23 des Kunsturhebergesetzes (die allerdings nur die Verbreitung und die öffentliche Zurschaustellung betreffen), 
§ 6 b des Bundesdatenschutzgesetzes für öffentlich zugängliche Bereiche (nicht auch für den ausschließlich privaten oder familiären Bereich),
der im Jahre 1994 eingeführte § 201 a des Strafgesetzbuches zur Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und auch das Anti-Stalking-Gesetz.

Zur Videobeobachtung wurden Urteile erlassen, die viele als ungerecht ansehen werden. So zum Beispiel das Urteil des Bundesgerichtshofs (VI ZR 272/94 – Urteil nachlesen). Der BGH entschied gegen eine Hauseigentümerin, die eine Videokamera installierte, weil „des Öfteren Unrat auf ihr Grundstück geworfen worden war“. Gerichtet war die Kamera auf einen schmalen Weg, den mehrere Anwohner ständig benutzen mussten. Der BGH nahm an, dass das Persönlichkeitsrecht so schwer verletzt werde, dass Gegeninteressen unbeachtlich seien, zumal der gegen die Hauseigentümerin klagen­de Nachbar nicht nachweisbar einen Anlass gegeben hätte.

Zumindest vielen Hauseigentümern wird der Beschluss des Amtsgerichts Berlin-Lichtenberg unverständlich erscheinen (10 C 156/07 – Urteil nachlesen). Nach ihm sind selbst Videokamera-Attrappen zur Einsicht in den Hauseingangs-, Hof- und Gartenbereich eines Mietshauses in der Regel unzulässig. In diesem Sinne haben auch andere Gerichte bereits entschieden; so etwa das Landgericht Bonn (8 S 139/04 – Urteil nachlesen).

 

Urteilsdatenbank: Urteile nachlesen

Hier können Sie wichtige Urteile zum Themengebiet “Videoüberwachung” im Wortlaut nachlesen:


Videoüberwachung öffentlicher und nachbarlicher Flächen (BGH, VI ZR 272/94)

Videokameraattrappe im Eingangsbereich eines Mietshauses (Amtsgericht Lichtenberg, 10 C 156/07)

Einbau einer Videoanlage (BGH, V ZR 210/10)

Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Überwachungskamera (BGH, VI ZR 176/09)

Videoüberwachung im Aufzug eines Miethauses (KG, 8 U 83/08)

Duldung von Videokameras (LG Bielefeld, 20 S 123/06)

Videoüberwachung eines gemeinschaftseigenen Kfz-Stellplatzes (OLG Düsseldorf, I-3 Wx 199/06)

Persönlichkeitsrechtsverletzung durch scheinbare Videoüberwachung (LG Bonn, 8 S 139/04)

Einführung einer Videoüberwachung (BayObLG, 2Z BR 124/04)

Zustimmungspflichtigkeit der Videoüberwachung im Wohnungseigentum (AG Frankfurt a.M., 65 UR II 149/02

Videoüberwachung zur Ermittlung von Hausbewohnern als Schädiger eines KFZ (OLG Karlsruhe, 12 U 180/01)

Videoüberwachungsanlage statt Türspion für seh- und gehbehinderten Mieter (AG Köln, 208 C 57/94)