Windkraftanlagen: Betroffene Nachbarn sollten ihre Rechte genau kennen
Windkraftanlagen gehören für die Nachbarn zu den Problembereichen, um die sie sich so früh wie möglich sorgen müssen. Vor allem deshalb, weil oft die „privatrechtsgestaltende Präklusion“ greift, wenn die Anlage genehmigt ist. Nach ihr sind privatrechtliche und selbstverständlich genauso subjektiv-öffentliche Nachbaransprüche ausgeschlossen, soweit sie zu einer Einstellung des Betriebs der Anlage führen würden. Betroffenen Nachbarn bleiben, wenn überhaupt, nur Ansprüche auf Verringerung der Immissionen und auf Schadensersatz.
Der Windrad-Trend ist überall unübersehbar: In Deutschland produzieren bereits weit über 20.000 Windenergieanlagen ca. 6 % des bundesweit erzeugten Stroms. Die Bezeichnungen Windenergie- und Windkraftanlagen werden in der Regel gleichbedeutend verwendet.
Für Windkraftanlagen gelten öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Bestimmungen, wobei Nachbarn auch aus öffentlich-rechtlichen Regelungen teilweise Ansprüche ableiten können. Jedenfalls Anlagen mit einer Gesamthöhe von 50 Metern sind generell nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungspflichtig. (siehe Ziff. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV). Üblich sind heute Anlagen mit einem Rotordurchmesser von 115 m und einer Nabenhöhe von 120 m.
Im Genehmigungsverfahren kann im Einzelfall das Umweltverträglichkeits-Prüfungsgesetz rechtserheblich werden. Der Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne von § 18 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes wird im Rahmen des Genehmigungsverfahrens „huckepack“ von den zuständigen Behörden geprüft. Die Paragrafen 29 bis 35 des Bundesbaugesetzbuches sind zu beachten. So wird zum Beispiel im Rahmen des § 35 BBauGB geklärt, ob die Drehbewegung der Rotoren als Nachteil zulasten benachbarter Grundstücke anzusehen sind. Besonders nützlich kann für Sie sein, zu diesem Themenkreis den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts Aktenzeichen 4 B 72.06 nachzulesen.
Ob privat-rechtliche Nachbaransprüche bestehen, richtet sich, wie so oft, überwiegend nach den Paragrafen 1004 und 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Streitpunkt Windrad
Inwiefern dürfen die dumpf-anhaltenden und die an- und abschwellenden Töne sowie die schlagartigen Geräusche, alles so genannte Immissionen, abgewehrt werden? Muss akzeptiert werden, dass Fernsehen und Radio nicht mehr gut empfangen werden können? Wie sind die Interessen gegeneinander abzuwägen? Müssen der „Disco-Effekt“ und die „temporäre Abschattung“ hingenommen werden?
Beim Disco-Effekt wird das Licht von den Rotorblättern reflektiert. Bei der temporären Abschattung werfen die Rotorblätter wandernde Schatten. Als Maßstab werden die von einzelnen Länderministerien verkündeten „Winderlasse“ sowie die „Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm“ (TA-Lärm) oft herangezogen. Verbindlich sind diese Regelwerke für den privatrechtlichen Nachbarschutz (zum öffentlichen Recht siehe das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 2007, Aktenzeichen: 4 C 2.07) jedoch nicht.
Anhaltswerte sind: Bei einem Abstand von 300 oder 350 Metern wirkt sich die Anlage nicht erdrückend aus. Bei 30 Minuten pro Tag wird die temporäre Abschattung unzumutbar. Gelegentlich bejahen Gerichte ein generelles Verbot für Schatteneffekte für Wohnräume und den intensiv genutzten Außenbereich. Mitunter hat ein Gericht auch schon angenommen, dass sich Nachbarn nicht ständig ansehen müssen, wie sich der Rotor kreisförmig bewegt. Es können auch spezielle örtliche Bestimmungen zu beachten sein. So dürfen nach dem nordrhein-westfälischen Winderlass Gemeinden einen Abstand von 1500 Metern vorschreiben.
Info: Bundesimmissionsschutzgesetz
Das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) ist das wichtigste öffentlich-rechtliche Immissionsschutzgesetz. Aus ihm ergeben sich vereinzelt Ansprüche des Einzelnen gegen Nachbarn, von Ansprüchen wegen Gebäuden bis hin zur Abwehr von Windkraftanlagen. Diese nachbarschützenden Rechte nennt man auch „subjektiv-öffentlich“. Immissionen, die auf Menschen oder Tiere zurückzuführen sind, regeln die Landes-Immissionsschutzgesetze. Das BImSchG und die Landesimmissionschutzgesetze enthalten öffentliches Immissionsrecht. Dazu müssen Sie wissen, dass im Rechtssystem allgemein zwischen öffentlichem und privatem Recht unterschieden wird. Öffentlich-rechtlich ist eine Regelung, vereinfachend ausgedrückt, wenn der Staat als Träger von hoheitlicher Gewalt beteiligt ist; zum Beispiel, wenn geregelt wird, unter welchen Umständen eine Turnhalle oder eine Windkraftanlage in der Nachbarschaft genehmigt werden darf oder muss.
Für das Recht in Garten und Nachbarschaft noch wichtiger sind die privat-rechtlichen Regelungen, auch bürgerliches Recht oder Privatrecht genannt. Privatrecht ist der Teil der Rechtsordnung, der die Beziehungen der Einzelnen zueinander auf der Grundlage der Gleichordnung und der Selbstbestimmung regelt. Es kann durchaus vorkommen, dass nebeneinander öffentlich- und privatrechtliche Bestimmungen für ein und denselben Vorgang Bedeutung gewinnen können.
Wichtige Urteile zum Thema Windkraftanlagen
Lärm durch Windkraftanlage (VG Darmstadt, 6 K 877/09.DA)
Fehlende Klagebefugnis einer Inselgemeinde gegen einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für einen Offshore-Windpark (OVG Lüneburg, 12 LA 18/09)
Windkraftanlage in allgemeinem Wohngebiet (VG Arnsberg, 7 K 1932/08)
Anwendbarkeit der TA-Lärm auf Geräusche von Windenergieanlagen (Bundesverwaltungsgericht, 4 C 2/07)
Optische Bedrängung durch Windenergieanlagen (BVerwG, 4 B 72/06)
Kein Messabschlag, wenn die Einhaltung eines Grenzwertes von Immissionen ermittelt wird (BGH, V ZR 85/04)