AG Frankfurt a.M., Schlussurteil vom 11. Oktober 2013, 29 C 1952/13 (81)
Summe der Einzelentfernungen maßgeblich für Entfernung bei Flügen i.S.v. Art. 7 Abs. 1 (EG) 261/2004
Gericht
AG Frankfurt a.M.
Art der Entscheidung
Schlussurteil
Datum
11. 10. 2013
Aktenzeichen
29 C 1952/13 (81)
Tenor
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 200,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.08.2013 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 10% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand
Der Kläger macht mit seiner der Beklagten am 05.08.2013 zugestellten Klage dieser gegenüber Entschädigungsansprüche nach der Verordnung (EG) 261/2004 (im Folgenden: der Verordnung) geltend.
Der Kläger verfügte über eine bestätigte Buchung bzgl. eines von der Beklagten ausgeführten Fluges …. Der Abflug in … verspätete sich, so dass der Kläger … anstatt am 19.02.2012 um 20:40 Uhr erst am 20.02.2012 um 14:30 Uhr erreichte.
Der jeweils nach der Großkreisberechnungsmethode bestimmte Abstand zwischen … beträgt 3.408 km, der Abstand zwischen … beläuft sich auf 208 km, und der Abstand von … beträgt 3.322 km.
Der Kläger ist der Meinung,
zur Bestimmung der „Entfernung“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung komme es auf die Summe der Einzelstrecken an.
Zunächst hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 600,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Nachdem die Beklagte diese Forderungen in Höhe von 400,00 Euro nebst Zinsen teilweise anerkannt hatte, hat das Gericht ein entsprechendes Teilanerkenntnis erlassen (Bl. 30 f. d. A.).
Nunmehr beantragt der Kläger,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 600,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen, soweit über diese Forderung nicht bereits ein Teilanerkenntnisurteil erging.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Meinung,
es komme nur auf die Entfernung von Abflugort und Endziel an. Eine Addition der Einzelstrecken sei nach dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 der Verordnung nicht statthaft.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die jeweiligen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 19.09.2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das angerufene Gericht für die nach der Verordnung geltend gemachten Ansprüche gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO aufgrund des in Frankfurt gelegenen Erfüllungsorts zuständig, da hier der Flughafen gelegen ist, zu welchem der Kläger von der Beklagten transportiert werden sollte.
Die Klage ist – soweit sie nach Erlass des Teilanerkenntnisses noch zur Entscheidung steht – begründet.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte analog der Art. 5, 7 Abs. 1 b) der Verordnung einen Anspruch auf Zahlung weiterer 200,00 Euro.
Denn nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 19.11.2009, NJW 2010, Bl. 43) sind die Art. 5 und 7 der Verordnung dahin auszulegen, dass Fluggästen verspäteter Flüge ebenso wie Fluggästen annullierter Flüge aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten ein Ausgleichsanspruch zusteht, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden. Dieser Auslegung schließt sich das erkennende Gericht unter Verweis auf die Begründung der zitierten Entscheidung an.
Unstreitig hatte der von der Beklagten durchzuführende streitgegenständliche Flug eine Ankunftsverspätung von über achtzehn Stunden. Nach Auffassung des Gerichts ist der Berechnung der Höhe der Ausgleichsleistung nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung vorliegend die Summe der Einzelstrecken zugrunde zu legen und nicht der Abstand zwischen dem ersten Abflugsort und dem letzten Zielort. Hierfür sprechen folgende Überlegungen:
Der Begriff der „Entfernung“, wie er in Art. 7 der Verordnung gebraucht wird, ist in der Verordnung nicht legaldefiniert. Nach allgemeinem Wortverständnis beschreibt er den Abstand zwischen zwei Punkten, welcher durch eine Gerade, nämlich die kürzeste Entfernung bestimmt wird. Allerdings dürfte nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift mit „Entfernung“ weder eine solche – den Luftraum ggf. verlassende – Gerade, noch die tatsächliche Länge der Flugstrecke gemeint sein, sondern – jedenfalls im Falle eines Fluges ohne Zwischenstopp – die nach der Großkreisberechnungsmethode ermittelte Luftlinie zwischen Abflugs- und Ankunftsort. Hierbei handelt es sich um eine objektiv zu ermittelnde Maßeinheit, während die tatsächliche Flugstrecke sich nach variablen Komponenten bestimmt (etwa Flugsicherheitskriterien, Wetterbedingungen etc). Letztendlich müssten ansonsten auch Warteschleifen mit eingerechnet werden. Ohnehin entspräche es nicht dem Zweck der Vorschrift – dem Fluggast eine einfache, pauschale Ausgleichszahlung zu ermöglichen -, wenn er zunächst im Einzelfall die Länge der tatsächlichen Flugroute zu ermitteln hätte.
Im vorliegenden Fall eines nicht auf dieser gedachten Linie liegenden Zwischenstopps ist die „Entfernung“ aus der Summe der „Einzelentfernungen“ zu berechnen.
Art. 7 Abs. 1 der Verordnung spricht davon, dass bei der Ermittlung der Entfernung der letzte Zielort des Fluggastes zugrunde zu legen sei. Dieser Wortlaut lässt sowohl die Auslegung zu, dass die (Gesamt-)Entfernung sich aus einer Addition der Einzelentfernungen errechnet, als auch die Auslegung, dass die „Entfernung“ sich nach dem kürzesten nach der Großkreismethode zu berechnendem Abstand zwischen erstem Abflugs- und letztem Zielort bestimmt. Die Verordnung geht bei der Staffelung der Ausgleichszahlungen allerdings offenbar davon aus, dass die Unannehmlichkeiten für den Fluggast mit der „Entfernung“ wachsen, und stellt damit einen Bezug zur tatsächlich geflogenen Strecke her. Nach Auffassung des Gerichts ist daher auf die Summe der „Einzelentfernungen“ abzustellen. Diese beträgt im vorliegenden Fall unstreitig über 3.500 km, weshalb dem Kläger insgesamt 600,00 Euro und nach dem Teilanerkenntnisurteil noch weitere 200,00 Euro zustehen.
2. Die zuerkannte Zinsforderung folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.