AG Frankfurt a.M., Urteil vom 25. Oktober 2013, 30 C 1377/13 (47)

AG Frankfurt a.M., Urteil vom 25. Oktober 2013, 30 C 1377/13 (47)

Buchung eines Ersatzfluges auf Eigeninitiative wegen Verspätung des geplanten Fluges

Gericht

AG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

25. 10. 2013


Aktenzeichen

30 C 1377/13 (47)


Tenor

1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.517,84 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 23.1.2013 zu zahlen.

2) Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, die Klägerin von Honoraransprüchen ihres Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 316,18 Euro freizustellen.

3) Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

4) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Klägerin nimmt die Beklagte als vertraglichen Luftfrachtführer auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin hatte bei der Beklagten einen Flug von F. über M. und B. nach Santa C. (Bo.) gebucht. Der Flugpreis betrug 1.145,79 Euro. Abflug in F. sollte am 25.7.2012 sein, planmäßige Ankunft in Santa C. am 26.7.2012 um 11.30 Uhr. Wenige Tage vor Abflug teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Mittelteil des gebuchten Fluges von M. nach B. A. annulliert worden sei. Der Klägerin wurde sodann für die gebuchte Flugverbindung ein Ersatzflug mit Abflug F. am 26.7.2012 und Ankunft in Santa C. am 27.7.2012 angeboten. Die Klägerin akzeptierte dies und trat am 26.7.2012 den Flug von F. nach M. an. Der für denselben Tag um 21.10 Uhr geplante Anschlussflug von M. nach B. A. verspätete sich jedoch auf 3.00 Uhr des nächsten Tages. Dadurch hätte die Klägerin den Anschlussflug von B. A. nach Santa C. nicht mehr erreichen können. Sie wäre dann nicht wie geplant am 27.7.2012, sondern erst am 28.7.2012 in Santa C. angekommen. Um noch am 27.7.2012 in Santa C. ankommen zu können, buchte die Klägerin in Eigeninitiative einen Ersatzflug von M. nach Santa C. Die dafür angefallenen Kosten bilden den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Die Klägerin macht geltend, sie habe Bo. zwingend spätestens am 27.7.2012 erreichen müssen, da sie als Studentin für eine an diesem Tag beginnende mehrwöchige Exkursion gebucht war. Das Ersatzflugticket der Fluggesellschaft … habe 2.517,84 € gekostet. Dieses Business Class-Ticket habe gebucht werden müssen, da Tickets in der Economy Class nicht mehr verfügbar gewesen seien.

Wegen des klägerischen Vorbringens im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 24.4.13 (Bl. 1-4 d. A.) sowie vom 22.7.13 (Bl. 29-35 d. A.).

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, das Amtsgericht F. sei für den vorliegenden Rechtsstreit weder örtlich noch international zuständig. Auf den vorliegenden Beförderungsvertrag sei materielles deutsches Recht nicht anwendbar. Widrigenfalls fehle es jedenfalls an einer vorherigen Fristsetzung durch die Klägerin. Letztlich habe diese durch Inanspruchnahme eines Business-Tickets gegen ihre Verpflichtung zur Schadensgeringhaltung verstoßen. Dies umso mehr, als die Beklagte der Klägerin einen Ersatzflug auf ihrer Partner-Airline GOL hätte anbieten können, der eine Ankunft in Santa C. zumindest für den 28.7.2012 um 0.10 Uhr ermöglicht hätte.

Wegen des Vorbringens der Beklagten im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 24.6.13 (Bl. 17-21 d. A.) sowie vom 12.9.13 (Bl. 60-62 d. A.).

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage ist zulässig.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts F. ergibt sich vorliegend aus § 29 Abs. 1 ZPO. Die vertragliche Verpflichtung, deren Verletzung den vorliegenden Anspruch auf Schadensersatz begründen soll, war (auch) in F. zu erfüllen. Erfüllungsorte für den reinen Luftbeförderungsvertrag bilden sowohl der Ort des Abflugs als auch der Ort der Ankunft des Fluges. Vorliegend ist F. als Abflugort anzusehen. Unerheblich ist insoweit, dass die reklamierte Vertragsverletzung nicht bereits in F. eingetreten ist, sondern erst in M., wo der Anschlussflug annulliert worden ist. Da über die Gesamtstrecke von F. über M. und B. A. nach Santa C. ein einheitlicher Beförderungsvertrag vorliegt, ist an F. als relevanten Abflugort im Sinne von § 29 Abs. 1 ZPO anzuknüpfen. Damit ist die Klage vor dem Amtsgericht F. als dem örtlich zuständigen Gericht erhoben und damit insgesamt zulässig.

Die Klage ist auch begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 2.517,84 Euro unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzugsschadens verlangen (§§ 280, 281, 286 BGB).

Vorgenannte Vorschriften sind auf den vorliegenden Fall anwendbar, da insoweit deutsches materielles Recht zur Anwendung kommt. Dabei kann vorliegend bereits davon ausgegangen werden, dass die Parteien – konkludent – eine entsprechende Rechtswahl getroffen haben. Dies ergibt sich daraus, dass die Klägerin ihr Flugticket von der Beklagten in Deutschland und für einen Abflughafen in Deutschland erworben hat. Damit ist davon auszugehen, dass die Parteien zumindest stillschweigend sich dem deutschen Zivilrecht unterworfen haben. Selbst wenn man dies anders sehen würde, ergäbe sich die Anwendbarkeit des deutschen materiellen Rechts aus Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der EG-Verordnung Nr. 593/08 (sogenanntes Rom I). Danach ist auf Beförderungsverträge mangels Rechtswahl das anzuwendende Recht das Recht desjenigen Staates, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befindet. Vorliegend wohnt die Klägerin in Deutschland, der Abgangsort liegt dort ebenfalls. Damit ist in jedem Fall deutsches Recht anwendbar.

Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen der §§ 280, 281, 286 BGB liegen vor. Die Vertragsverletzung, die gleichzeitig den Eintritt des Verzuges begründet hat, liegt darin, dass der nach dem geänderten Beförderungsvertrag vorgesehene Weiterflug von M. nach B. A., der fix auf 21.10 Uhr planmäßig vorgesehen war, sich auf 3.00 Uhr des nächsten Tages verspätete. Zwar handelt es sich bei einem Flugbeförderungsvertrag regelmäßig – so auch hier – nicht um einen absolutes Fixgeschäft, auch begründet eine Flugverspätung grundsätzlich keinen Sachmangel der geschuldeten Beförderungsleistung (vgl.: BGH, NJW 2009, Seite 2743 f). Jedoch stellt sich das Versäumen der planmäßigen Abflugzeit als Verzögerung der Leistung dar, die ohne weiteres zum Eintritt des Verzuges führt, da die Leistungszeit insoweit exakt bestimmt ist (§ 286 Abs. 2 Ziffer 1 BGB). Dementsprechend hätte die Beklagte für eine verspätete Leistungserbringung nach den Regeln der §§ 286, 280 BGB einzustehen (BGH, a. a. O.). Vorliegend hat die Klägerin jedoch die verspätete Leistungserbringung durch die Beklagte nicht mehr in Anspruch genommen und verlangt insoweit nicht Schadensersatz wegen verspäteter Leistung, sondern Schadensersatz statt der Leistung. Dementsprechend ist gemäß § 280 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 281 Abs. 1 BGB grundsätzlich eine vorherige Fristsetzung erforderlich, an der es vorliegend unstreitig fehlt. Indes ist gemäß § 281 Abs. 2 BGB diese Fristsetzung dann entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beidseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ist eine Fristsetzung weiterhin dann entbehrlich, wenn sie sich als bloße Förmelei darstellen würde, wovon z. B. dann auszugehen ist, wenn von vornherein feststeht, dass sie sinnlos ist, weil der Schuldner – aus welchen Gründen auch immer – gar nicht in der Lage ist, innerhalb der Frist zu leisten. So liegt der Fall hier. Dem Vortrag der Beklagten ist an keiner Stelle auch nur ansatzweise zu entnehmen, dass eine Fristsetzung der Klägerin irgendeinen Erfolg hätte zeitigen können, dass sie also in der Lage gewesen wäre, bei einer entsprechenden Fristsetzung die Klägerin noch rechtzeitig, also am 27.7.2012, nach Bo. zu befördern. Dass eine Fristsetzung durch die Klägerin die Abflugverspätung von 3.00 Uhr in der Lage gewesen wäre zu verhindern, will die Beklagte wohl ernsthaft auch nicht behaupten. Nach ihrem Vortrag wäre allein in Betracht gekommen, die Klägerin auf die Partner-Airline … umzubuchen, wobei dahinstehen mag, ob dies noch als vertragsgerecht angesehen werden könnte, da jedenfalls auch diese Variante nicht zu einem rechtzeitigen Erscheinen der Klägerin in Bo. geführt hätte, da auch dieser Flug erst am 28.7.2012 dort angekommen wäre. Im Ergebnis war damit eine vorherige Fristsetzung durch die Klägerin entbehrlich, so dass dahinstehen mag, ob seitens der Eltern der Klägerin versucht wurde, die Beklagte über die Hotline zu erreichen.

Letztlich ist durch die vorgenannte vertragswidrige Verzögerung auch ein Vermögensschaden bei der Klägerin entstanden. Dieser besteht in den Kosten des Ersatzflugtickets. Der Anfall dieser Kosten und die Höhe sind durch Vorlage der Rechnung der Fluggesellschaft … vom 26.7.2012 (Kopie Bl. 69 d. A.) hinreichend nachgewiesen. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann der Klägerin im vorliegenden Fall auch ein Verstoß gegen die Schadensgeringhaltungsverpflichtung aus § 254 BGB nicht angelastet werden. Dies gilt zunächst insoweit, als die Beklagte einen Verstoß gegen § 254 Abs. 1 BGB insoweit reklamiert, dass die Klägerin statt des Economy Class – Tickets ein Business Class – Ticket zu einem deutlich höheren Preis erworben hat. Die Klägerin hat insoweit dargelegt, dass preisgünstigere Tickets in der konkreten Situation nicht erhältlich gewesen sind. Dies wird von Beklagtenseite zwar bestritten, indes ist es nach § 254 BGB Sache der Beklagten, darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass die reklamierte Schadensgeringhaltung möglich gewesen wäre. Dazu indes fehlt jeglicher Vortrag, obwohl es der Beklagten als Fluggesellschaft möglich sein müsste, ggf. existente und der Klägerseite im damaligen Zeitpunkt zugängliche günstigere Ersatztarife konkret zu benennen. Damit kann insoweit ein Mitverschulden der Klägerin nicht festgestellt werden Soweit die Beklagte geltend macht, die Klägerin hätte sich ggf. auf eine Umbuchung auf die Partner-Airline … einlassen müssen, ist dem gleichfalls nicht zu folgen. Zum einer ist dieser Flug der Klägerin unstreitig in M. nicht angeboten worden, zum anderen hätte auch dieser Flug ein rechtzeitiges erscheinen, also noch am 27.7.2012, nicht gewährleistet. Eine Ankunft erst am 27.7.2012 wäre der Klägerin im vorliegenden Fall aber auch nicht zumutbar gewesen. Die Klägerin hat insoweit durch Vorlage des Studienprogramms (Kopie Bl. 37 f d. A.) sowie die Bestätigung der Studienleiterin vom 24.7.2013 (Kopie Bl. 56 d. A.) belegt, dass die Klägerin an der mehrwöchigen Exkursion in Bo. nicht hätte teilnehmen können/dürfen, wäre sie verspätet erst am 28.7.2012 erschienen.

Bleibt die Frage, ob der Klägerin im Hinblick auf vorgenannten Gesichtspunkt, der der Beklagten unbekannt war, ein Mitverschuldensvorwurf gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB zu machen ist. Danach kann das Verschulden des Geschädigten auch darin bestehen, dass er es unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste. Hier konnte die Beklagte nicht wissen, dass das pünktliche Erscheinen der Klägerin noch am 27.7.2012 in Santa C. derartig wichtig war, dass eine Gefährdung dieses Ankunftszeitpunkts Ersatzflugticketkosten in nicht unerheblicher Höhe auslösen würde. Insoweit gilt indes das oben zum Erfordernis der Fristsetzung Gesagte entsprechend. Es ist nicht ersichtlich, dass eine kurzfristige Mitteilung dieses Umstandes etwas geändert hätte. Nach hiesiger Rechtsprechung kann sich ein Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB aber auch daraus ergeben, dass bei Flugbeförderungen, bei denen ein Ankunftszeitpunkt von erheblicher finanzieller Bedeutung ist, es der Fluggast unterlassen hat, für potentielle Flugverspätungen einen Zeitpuffer einzubauen. Dabei hat der Fluggast die Zeitreserve umso größer zu planen, je weiter der Flug geht und je größer die finanziellen Interessen bzw. der bei Verspätung drohende Vermögensschaden ist. Vorliegend hat die Klägerin dieser Obliegenheit aber dadurch Rechnung getragen, dass sie ihren Flug nach Bo., wo sie spätestens am 27.7.2012 ankommen musste, bereits für den 25.7.2012 mit planmäßiger Ankunft am 26.7.2012 gebucht hat. Dass dieses Zeitfenster von einem Tag dann geschlossen wurde, lag ausschließlich daran, dass die Beklagte den Flug von M. nach B. A. zum ursprünglichen Termin annullierte und die Klägerin somit gewissermaßen gezwungen war, sich auf die um einen Tag verspätete Beförderung einzulassen. Damit ist das im Ergebnis sehr kleine Zeitfenster nicht von der Klägerin zu vertreten, sondern von der Beklagten. Nach alledem lässt sich ein relevantes Mitverschulden der Klägerin nicht feststellen, weswegen der Klage in der Hauptsache in vollem Umfang stattzugeben war.

Die tenorierten Nebenforderungen sind begründet unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzugsschadens (§§ 286, 288 BGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Rechtsgebiete

Reiserecht