AG Kaufbeuren, Beschluss vom 7. März 2013, 6 C 272/13

AG Kaufbeuren, Beschluss vom 7. März 2013, 6 C 272/13

Falsche Angaben der Mieterin in der Selbstauskunft

Gericht

AG Kaufbeuren


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

07. 03. 2013


Aktenzeichen

6 C 272/13


Tenor

  1. Der Antrag vom 05.03.2013 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

  3. Der Streitwert wird auf 560,61 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe


Gründe:

l.

Die Antragsgegnerin hat mit Mietvertrag vom 18.02.2013 eine im Anwesen S.-straße 31 in M., 1. OG rechts gelegenen Wohnung, Nr. … ab 01.03.2013 an die Antragstellerin vermietet.

Mit Schreiben vom 28.02.2013 hat die Antragsgegnerin den Nutzungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und hilfweise fristlos und nochmals hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt.

Die Antragstellerin hat in der von ihr ausgefüllten Mieterselbstauskunft die Frage zum derzeitigen Mietverhältnis: „Wurde ihnen gekündigt?“ mit „nein“ beantwortet.

Die Antragstellerin behauptet, ihr derzeitiges Mietverhältnis habe sich nach einer fristlosen Kündigung des Vermieters nach § 545 BGB durch Fortsetzung des Gebrauchs verlängert, so dass sie tatsächlich ein ungekündigtes Mietverhältnis habe und die Frage habe entsprechend beantworten dürfen.

Die Antragstellerin behauptet ferner und hat durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass sie auf die Wohnung dringend angewiesen ist, da ihr bisheriger Vermieter den Auszug in den nächsten Tagen verlangt und ihr angedroht hat, ihr Mobiliar auf die Straße zu werfen.

Die Antragsgegnerin behauptet, der derzeitige Vermieter der Antragstellerin habe dieser lediglich eine Räumungsfrist eingeräumt. Ferner ist sie der Ansicht, dass die Antragstellerin allein die Tatsache, dass eine Kündigung ausgesprochen worden ist, verpflichtet war anzugeben.

Sie ist auch der Ansicht, dass die Frage nach der Kündigung des derzeitigen Mietverhältnisses zulässig ist.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Antrag vom 05.03.2013 sowie auf den Abweisungsantrag vom 07.03.2013 verwiesen.


II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig aber unbegründet.

Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist die für eine Leistungsverfügung vorausgesetzte besondere Dringlichkeit glaubhaft gemacht.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

Die Antragsgegnerin hat den Mietvertrag vor Übergabe des Mietobjekts an die Antragstellerin wirksam wegen Täuschung angefochten.

Unbeschadet der Frage, ob das derzeitige Mietverhältnis tatsächlich durch die Kündigung beendet wurde oder sich das Mietverhältnis nach § 545 BGB durch Fortsetzung des Gebrauchs stillschweigend verlängert hatte, hat die Antragstellerin die ihr gestellte Frage unzutreffend beantwortet. Gefragt wurde in der Mieterselbstauskunft nämlich nicht danach, ob eine ausgesprochene Kündigung wirksam war oder ob die Kündigung das derzeitige Mietverhältnis beendet hat, sondern schlicht und einfach danach, ob der Antragstellerin in ihr derzeitiges Mietverhältnis gekündigt wurde. Diese Frage hat die Antragstellerin unzutreffenderweise mit nein beantwortet. Den die Vorschrift des § 545 BGB bewirkt nicht, dass ein neues Mietverhältnis begründet wird, sondern das beendete Mietverhältnis gilt kraft Gesetzes auf unbestimmte Zeit verlängert (Blank/Börstinghaus, 3. Aufl., § 545 Rn. 1).

Die entsprechende Frage bewertet das Gericht auch als zulässig. Die Zulässigkeit ist aufgrund einer Interessenbewertung zu ermitteln, wobei die Interessen des Vermieters abzuwägen sind mit dem Grundrecht des des Mieters auf informationelle Selbstbestimmung aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG. Der Vermieter hat nur insoweit ein Fragerecht, als er ein berechtigtes billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Frage besitzt (Blank/Börstinghaus, 3. Aufl., § 545 Rn. 31). Bei der danach durchzuführenden Abwägung ist die Frage als zulässig zu bewerten. Zwar ist zuzugeben, dass dem Mieter mit der Frage nach der Kündigung des vorherigen Mietverhältnisses, insbesondere mit der Frage nach dem Grund, durchaus Informationen aus seinem persönlichen Lebensbereich abverlangt werden. Auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Vermieter ein gewichtiges Interesse daran hat, zu erfahren, ob es mit dem Mieter im Rahmen des vorherigen Mietverhältnisses Schwierigkeiten gegeben hat, insbesondere für den Fall, dass diese so gravierend waren, dass sie den vorherigen Vermieter zu einer Kündigung veranlasst haben. Zu bedenken ist nämlich, dass ein Mietverhältnis grundsätzlich auf längere Dauer angelegt ist, dem Mieter erhebliche Vermögenswerte durch Übergabe der Wohnung zur Verfügung gestellt werden und gerade in einem Haus, in dem mehrere Parteien leben, für den Vermieter die Wahrung des Hausfriedens von erheblicher Bedeutung ist. Hierbei ist auch zu bedenken, dass auch im Falle einer berechtigten Kündigung nach Invollzugsetzung des Mietverhältnisses der Vermieter den Mieter nicht ohne weiteres wieder aus dem Haus bekommt, sondern häufig erst nach einem langwierigen Räumungsrechtstreit. Insofern hat der Vermieter ein berechtigtes Interesse vor Abschluss des Mietverhältnisses zu erfahren, ob dem Mieter seine vorherige Wohnung gekündigt wurde und wenn ja, ob dies aus einem Grund erfolgte, der in der Sphäre des Mieters liegt. Durch die unrichtige Beantwortung der Frage hat die Antragstellerin mithin eine Täuschung im Sinne von § 123 BGB begangen.

Es besteht ferner ein Beweis des ersten Anscheins dahingehend, dass diese Täuschung auch kausal für den Abschluss des Mietvertrages war. Denn die Täuschung war nach der Lebenserfahrung geeignet, die Entscheidung der Antragsgegnerin über den Abschluss des Mietvertrags mit der Antragstellerin zu beeinflussen (vgl. Palandt, 72. Aufl., § 123). Es liegt nahe, dass die Vermieterin den Mietvertrag, hätte die Antragstellerin die Frage wahrheitsgemäß beantwortet und insbesondere den Grund der Kündigung angegeben, den Mietvertrag mit der Antragstellerin nicht geschlossen hätte.

Außerdem konnte die Vermieterin das Mietverhältnis auch zulässigerweise nach § 543I BGB kündigen. Die falsche Beantwortung einer zulässigerweise gestellten Frage stellt einen Kündigungsgrund im Sinne von § 543 BGB dar, wenn die Falschauskunft von wesentlicher Bedeutung für den Fortbestand des Mietverhältnisses war (Blank-Börstinghaus, 3. Auflage, § 543 Randnummer 32). Dies ist vorliegend zu bejahen. Es ist dem Vermieter nicht zuzumuten, sich einen Mieter ins Haus zu holen, mit dem es in der Vergangenheit schwerwiegende Probleme gegeben hat. Dabei ist auch nicht maßgebend, dass die Probleme nicht durch die Antragstellerin selbst, sondern durch den damaligen Lebenspartner verursacht wurden. Die Probleme stammen nämlich auf jeden Fall aus der Sphäre der Mieterin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 53I Nr. 1 GKG, § 3 ZPO. Das Gericht hat dabei ein Viertel des Hauptsachestreitwerts zugrunde gelegt.

Rechtsgebiete

Mietrecht