AG Landstuhl, Urteil vom 5. Juni 2014, 2 OWi 4286 Js 1100/14

AG Landstuhl, Urteil vom 5. Juni 2014, 2 OWi 4286 Js 1100/14

Gegen Polizei als Zeugen ist schwer anzukommen

Gericht

AG Landstuhl


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

05. 06. 2014


Aktenzeichen

2 OWi 4286 Js 1100/14


Tenor


Tenor

  1. Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 190 EUR verurteilt.

  2. Dem Betroffenen wird für die Dauer von 1 Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

  3. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Entscheidungsgründe


Gründe

I.

Der Betroffene ist als Küchenberater angestellt und teilweise nebenbei selbständig tätig. Er ist verheiratet, hat 2 minderjährige Kinder, wovon eines bei der Kindsmutter, eines bei der jetzigen Familie lebt. Für das eine Kind zahlt der Betroffene 270 EUR Unterhalt pro Monat. Sein Nettoeinkommen beziffert er auf 2000 EUR netto. Er hat Schulden in Höhe von 600.000 EUR aus einer Hausfinanzierung, die er mit 1500 EUR monatlich abbezahlt, wobei 750 EUR davon aus Einnahmen aus einer Teilvermietung der Immobilie stammen.

Der Betroffene ist verkehrsrechtlich mehrfach in Erscheinung getreten:

Am 26.11.2010 überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 34 km/h (84 statt 50 km/h, Bußgeldbescheid der Bußgeldbehörde Kreis Ludwigshafen vom 10.01.2011, Rechtskraft 14.11.2011, Bußgeld 160 EUR, Fahrverbot 1 Monat, bis 11.04.2012).

Am 26.04.2012, damit 15 Tage nach Ablauf der zuvor verbüßten Fahrverbots, überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 30 km/h (150 statt 120 km/h, Bußgeldbescheid der Bußgeldbehörde ZBS Viechtach vom 04.06.2012, Rechtskraft 19.10.2012, Bußgeld 80 EUR).

Am 01.02.2012, damit ca. 6 Wochen vor Antritt des o.g. Fahrverbots am 14.03.2012, überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 61 km/h (161 statt 100 km/h, Bußgeldbescheid des Polizeipräsidiums Rheinpfalz in Speyer vom 18.05.2012, Rechtskraft 23.04.2013, Bußgeld 450 EUR, Fahrverbot 2 Monate, bis 29.06.2013).


II.

Nach Durchführung der Hauptverhandlung hat das Gericht folgende Feststellungen treffen können:

Der Betroffene war der Fahrer des Pkw Mercedes Benz, Kz. …, und überschritt am 14.10.2013 gegen 13.10 Uhr auf der BAB6 Fahrtrichtung Mannheim zwischen dem Autobahnkilometer 628,850 und dem Autobahnkilometer 627,450 die dort durch mehrfache und gut sichtbare Verkehrszeichen angeordnete baustellenbedingte Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h um 44 km/h. Die Messung erfolgte mit einem Zivilfahrzeug der Bereitschaftspolizei Enkenbach-Alsenborn mit ungeeichtem Tacho durch Nachfahrt. Vom auf der genannten Messstrecke vom Tacho abgelesenen Geschwindigkeitswert von 130 km/h wurden 20% abgezogen. Der Abstand des verfolgenden Fahrzeugs zum Betroffenen betrug während der Messstrecke konstant ca. 100m. Die Messung begann kurz nach dem Parkplatz Höllenplacken und dem dahinter liegenden Brückenbauwerk bei dem Hinweisschild “Japanischer Garten Kaiserslautern” und endete kurz vor dem Hinweisschild “1000m” für die Autobahnausfahrt Kaiserslautern Einsiedlerhof mit den o.g. Autobahnkilometerständen.


III.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Angaben des Betroffenen, soweit diesen gefolgt werden konnte, darüber hinaus auf der durchgeführten Beweisaufnahme.

Der Betroffene hat sich unwidersprochen zur Person wie festgestellt eingelassen und die Fahrereigenschaft eingeräumt. Der Auszug aus dem Verkehrszentralregister wurde verlesen. Soweit sich der Betroffene dergestalt eingelassen hat, dass er die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht bemerkt habe und er maximal 10 km/h über der erlaubten Geschwindigkeit gefahren sein wolle, kann das Gericht dem nicht folgen. Zum einen ist diese Angabe schon in sich widersprüchlich. Zum anderen hat die Beweisaufnahme die Feststellungen wie oben getroffen ergeben.

Die Zeugin PK’in … als Fahrerin des verfolgenden Fahrzeugs hat bereits mehrere solcher Verfolgungsfahrten durchgeführt. Sie hat in ihrer Vernehmung die gefahrene Messstrecke mit den markanten Schildern und Kilometerständen wiedergeben können und lediglich zum Ende der Messung nicht klar benennen können, in welcher Entfernung die verkehrsbedingte Verlangsamung des Betroffenen vor der Ausfahrtsankündigung “1000m” genau stattfand. Sie konnte aber angeben, dass dies nicht schon in Sichtweite des Schildes erfolgte, sondern erst “kurz davor”. Zur Bemessung des gleich bleibenden Abstands bezog sie sich auf die Leitpfosten und den nicht größer werdenden Abstand ab Beginn der Messung. Zum Beginn der Messung beschrieb sie nachvollziehbar, wie nach der Fahrbahnverengung ab dem Parkplatz Höllenplacken der Betroffene erst wieder Geschwindigkeit aufnehmen und der verfolgende Wagen bis zum Erreichen der gemessenen Geschwindigkeit mit beschleunigen musste, die gemessene Geschwindigkeit aber bereits vor dem Hinweisschild “Japanischer Garten” erreicht worden war.

Der zusätzlich vernommene Beifahrer, PK …, bestätigte den gleich bleibenden Abstand, hatte aber ansonsten keine konkreten Erinnerungen mehr an die genaue Geschwindigkeit oder exakte Kilometerstände und -entfernungen.

Die Sichtbarkeit der Verkehrszeichen wurde durch Inaugenscheinnahme der Lichtbilder Blatt 8-11 d.A. ermittelt, insbesondere die Beschilderung ab Beginn der zweispurigen Autobahn ab dem Parkplatz Höllenplacken mit angeordneten 60 km/h. Die in den Lichtbildern enthaltenen Kilometerangaben wurden verlesen.


IV.

Der Betroffene hat sich wegen eines fahrlässig begangenen Verstoßes gegen § 41 StVO zu verantworten, indem er trotz erkennbarer Beschilderung und Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h mit einer toleranzbereinigten Geschwindigkeit von 104 km/h fuhr, §§ 24 StVG, 49, 41 StVO. Nach der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung kann ein Geschwindigkeitsverstoß durch Hinterherfahren auch mittels eines ungeeichten Tachos festgestellt werden, wenn bei guten Sichtverhältnissen der Abstand zwischen vorausfahrendem Fahrzeug und Messfahrzeug nicht mehr als der angezeigte Tachowert beträgt, der Abstand ungefähr gleichbleibend ist und die Nachfahrstrecke mindestens den fünffachen Abstand beträgt. Es ist dann ein Sicherheitsabschlag von 20% des abgelesenen Wertes ausreichend, um alle denkbaren Fehlerquellen und Ungenauigkeiten auszuschließen (OLG Hamm, Beschluss vom 07. Februar 2013 – 1 RBs 5/13 – …; OLG Jena, Beschl. v. 26.05.2009 – 1 Ss 124/09 – VRS 117, 348). Zusätzliche Abzüge vom abgelesenen Wert müssen nicht vorgenommen werden und nur bei besonderen Umständen (z.B. schlechte Sicht, Nacht, evtl. ein- oder ausscherende andere Fahrzeuge) müssen auch gesonderte Feststellungen getroffen werden (OLG Hamm, Beschl. v. 15.09.2011 – 2 RBs 108/11; vgl. auch König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., 2013, § 3 StVO, Rn. 56 m.w.N.; Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 2. Aufl., 2010, S. 157 ff.).

Diese Anforderungen wurden hier wie festgestellt eingehalten. Die Zeugin … hat die in ihrem Bericht angegebenen Orientierungspunkte zu Beginn und Ende der Messung nachvollziehbar angegeben. Sofern sie bezüglich des Entfernungsschildes “1000m” zur Ausfahrt Einsiedlerhof nicht mehr genau angeben konnte, ob sich der Betroffene beim “kurz davor” erfolgten verkehrsbedingten Verlangsamen noch 50, 100 oder vielleicht sogar 200m vor dem Schild befand, ist dies unbeachtlich. Denn die zuvor gesicherte Messstrecke ab dem Hinweisschild „Japanischer Garten“ Kaiserslautern bis zur Ausfahrtsanzeige Einsiedlerhof betrug bereits 1400m, sodass selbst bei einer unterstellten Entfernung des Betroffenen von 500m zur Ausfahrtsanzeige nebst zusätzlicher Entfernung von 100m des verfolgenden Polizeifahrzeugs die geforderte Messstrecke von 500m erreicht worden wäre. Der konstante Abstand zum Fahrzeug des Betroffenen wurde zutreffend anhand der passierten Leitpfosten bemessen mit ca. 100m. Von Polizeibeamten, von deren hinreichendem geschultem Blick auszugehen ist, wie dies bei der Zeugin … anhand ihrer bisherigen Verfolgungsfahrten im Bereich Edenkoben der Fall ist, kann erwartet werden, dass sie eine Entfernung in etwa zutreffend einschätzen können. Hier hat die Zeugin … zudem anhand von Beschilderungen nachträglich ihre Entfernungseinschätzung verifizieren und dem Gericht gegenüber darlegen können.

Das Gericht musste in diesem Fall – dies eingedenk der erst jüngst ergangenen Rechtsprechung des OLG Koblenz (Beschl. v. 07.05.2014 – Az 2 SsBs 22/14 – demnächst veröffentlicht in zfs 2014, Heft 8 / …) sowie des OLG Celle (OLG Celle, Beschl. v. 28.10.2013 – 322 SsRs 280/13 – …) – von einem fahrlässigen Verstoß des Betroffenen ausgehen. Zwar kann aufgrund der hier vorliegenden Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 73% indiziell von einem vorsätzlichen Verstoß ausgegangen werden. Die Beschilderung war gut sichtbar und mehrfach vorhanden und muss demnach von einem durchschnittlichen Kraftfahrer wahrgenommen werden(OLG Koblenz, Beschluss vom 17. Oktober 2012 – 2 SsBs 76/12 – …). Allerdings müssen zusätzlich aber auch Indizien vorliegen, die einen Rückschluss darauf erlauben, dass durch äußere Gegebenheiten der Fahrer sensorisch die eigene überhöhte Geschwindigkeit wahrnehmen musste. Dies wird in der Regel mit der schnell vorbeiziehenden Landschaft, dem Motorengeräusch oder der Fahrzeugvibration begründet. Bei auch absolut hohen Geschwindigkeiten mag dies zutreffen. Hier jedoch kann dem Betroffenen toleranzbedingt nur eine Geschwindigkeit von 104 km/h vorgeworfen werden. Bei einer solchen Geschwindigkeit ist der Rückschluss auf maßgebliche sensorische Eindrücke des Fahrers, die zu einem Wissen um die überhöhte Geschwindigkeit führen aber nicht so offensichtlich, als dass das Gericht den denkbaren Rückschluss hier ziehen wollte. Insofern ist die Einlassung des Betroffenen, er habe die überhöhte Geschwindigkeit nicht bemerkt, nicht zu widerlegen und ihm ist deshalb fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen.

Nachdem aber von der Erkennbarkeit und auch dem Erkennen der Verkehrsbeschilderung durch den Betroffenen ausgegangen werden muss, wäre bei anderer Ansicht bezüglich der Wahrnehmbarkeit der sensorischen Eindrücke auch eine Verurteilung wegen Vorsatzes denkbar (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O.).


V.

Das Gericht muss angesichts des Verstoßes zunächst von der Regelsanktion des Bußgeldkataloges ausgehen, der zwar nicht bindend ist, aber für die Entscheidung einen Ermessensrahmen darstellt, der nur mit besonderer Begründung nach oben oder nach unten verlassen werden darf. Im vorliegenden Fall ist zunächst nach Ziffer 11.3.7 BKat ein Bußgeld von 160 EUR festzusetzen und nach §§ 25 StVG, 4 Abs. 1 BKatV ein Regelfahrverbot von 1 Monat festzusetzen. Das Gericht hat jedoch angesichts der mehrfachen und verwertbaren einschlägigen Voreintragungen und der daraus durchaus ersichtlichen Unbelehrbarkeit des Betroffenen im Bezug auf Verkehrsregelungen die angemessene Bußgelderhöhung um 30 EUR wie im Bußgeldbescheid nachvollzogen, wobei hier auch eine weitere Erhöhung denkbar gewesen wäre.

Bezüglich des Regelfahrverbots gab es keine Umstände, die ein Abweichen zugunsten oder zulasten des Betroffenen indiziert hätten. Insbesondere hat der Betroffene keinen Vortrag erbracht, aufgrund dessen das Gericht davon hätte ausgehen müssen, dass die Anordnung des Fahrverbotes an sich unverhältnismäßig wäre oder für den Betroffenen eine unangemessene Härte darstellen würde. Gleiches gilt für die Möglichkeit des § 4 Abs. 4 BKatV, die das Gericht geprüft, aber verworfen hat. Weder wurden Umstände vorgetragen, noch sind solche ersichtlich, nach welchen im vorliegenden Fall ein Wegfall des Fahrverbots gegen Erhöhung des Bußgeldes denkbar gewesen wäre. Im Gegenteil ist der Betroffene in zeitlich dichten Abständen und offensichtlich mit einem gehörigen Einsichtsdefizit im Straßenverkehr unterwegs und hat dementsprechend die gegen ihn angezeigten Rechtsfolgen zu tragen.

Bezüglich der Höhe des Bußgelds war die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen zu bejahen, § 17 Abs. 3 OWiG.

Die Gewährung der Viermonatsfrist war durch § 25 StVG angesichts des zeitlich letzten Verstoßes, ersichtlich aus dem verlesenen Verkehrsregister, ausgeschlossen.


VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 OWiG, 465 StPO.

Rechtsgebiete

Straßenverkehrs- und Straßenrecht