AG Leipzig, Schlussurteil vom 28. Mai 2014, 166 C 3153/13
Schiedsgutachterklausel im Wohnraummietvertrag unwirksam
Gericht
AG Leipzig
Art der Entscheidung
Schlussurteil
Datum
28. 05. 2014
Aktenzeichen
166 C 3153/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerpartei zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerpartei kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die beklagte Partei nicht vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.819,62 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien waren durch Wohnungsmietvertrag vom 22.09.2009 (Bl.13-16) als Vermieter und Mieter verbunden. Zum Vertrag gehörig waren auch vorgedruckte zusätzliche Mietvertragsvereinbarungen (Bl.16).
Zu Nr.6 dieser Vereinbarungen heißt es:
„Bei Disput über die Höhe und Umfang von nicht oder nicht richtig ausgeführten/erforderlichen Schönheitsreparaturen, Abnutzungen der Mietsache oder Mietsachschäden, welche über den vertragsgemäßen Gebrauch hinausgehen, entscheidet ein Schiedsgutachter. Die Parteien einigen, dass im Bedarfsfalle vom Präsidenten der zuständigen IHK/HWK ein öffentlich bestellter Sachverständiger bestimmt wird und die Ergebnisse seines Privatgutachtens anzuerkennen sind. Die Gutachterkosten und die Kosten für ordentliche Leistung der Schönheitsreparaturen sowie Schadensbeseitigungen werden von den Parteien im quotalen Verhältnis ihres Unterliegens getragen.“
Das Mietverhältnis endete zum 31.03.2012. An diesem Tage erschien ein Mitarbeiter der Hausverwaltung des Klägers zur „Wohnungsvorabnahme“. Da er der Auffassung war, die Wohnung befände nicht in vertragsgemäßem, mangelfreien Zustand, insbesondere sie sei verdreckt und es lägen Beschädigungen vor, weigerte er sich die ihm von der Beklagten ihm angebotenen Wohnungsschlüssel entgegenzunehmen.
Trotz Aufforderung zur Mängelbeseitigung lehnte der für die Beklagte tätige Rechtsanwalt hiernach mit Schreiben vom 17.04.2012 jegliche Ausführung von Arbeiten ab.
Am 05.07.2012 beauftragte die Hausverwaltung des Klägers den öffentlich bestellten und vereidigten Gutachter B mit der Erstellung eines Gutachtens über Umfang und Höhe zu beseitigender Mängel.
Am 11.07.2012 wurde die Wohnung durch einen Schlüsseldienst geöffnet.
Das Gutachten, für das Kosten in Höhe von 727,20 € anfielen, wurde hiernach am 18.07.2012 erstellt und wies einen Kostenaufwand in Höhe von 5.266,26 € aus.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.08.2012 (Bl.21) wurde die Beklagte über den sie vertretenden Mieterverein aufgefordert, diese Kosten zu erstatten. Mit Schreiben vom 12.09.2012 erfolgte eine weitere Aufforderung zur Stellungnahme bis spätestens 17.09.2012. Nach deren fruchtlosem Ablauf werde das Klageverfahren eingeleitet (Bl.22).
In dem diesem Prozess zugrunde liegenden Mahnverfahren ging der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides gegen die Beklagte am 17.01.2013 beim Mahngericht ein. Der Mahnbescheid wurde hiernach der Beklagten am 19.01.2013 zugestellt.
Mit dieser Klage verlangt der Kläger von der Beklagten Zahlung ihm entstandener Gutachterkosten sowie Kosten seiner außergerichtlichen anwaltlichen Vertretung (Bl.22). Die Wohnung habe sich bei ihrer Rückgabe in nicht vertragsgerechtem Zustand befunden. Nachdem die Mängelbeseitigung grundlos verweigert worden sei, sei die Beauftragung des Schiedsgutachters erfolgt, so, wie es wirksam im Mietvertrag vereinbart worden sei. Auch aus dieser Abrede ergebe sich die Kostentragungspflicht der Beklagten. Zudem habe sie wegen ihrer Vertragsverletzungen die Kosten der Inanspruchnahme vorgerichtlicher anwaltlicher Hilfe dem Kläger zu erstatten.
Die Forderungen seien nicht verjährt. Die kurze Verjährungsfrist des § 548 BGB gelte für diese Art nicht. Im Übrigen sei die Verjährung im Hinblick auf das eingeleitete Gutachterverfahren aber auch wegen schwebender Verhandlungen gehemmt gewesen.
Der Kläger beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.819,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 727,20 € seit 18.09.2012 sowie aus weiteren 1.092,42 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Wohnung habe sich bei ihrer Rückgabe in mangelfreiem Zustand befunden. Nachdem die Entgegennahme der Schlüssel verweigert wurde, habe sie diese in den zur Wohnung gehörigen Briefkasten eingeworfen. Zudem habe sie sogar – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht -angeboten, die Wohnung malermäßig nochmals zu überarbeiten, worauf sich die Hausverwaltung aber nicht eingelassen habe. Die Klausel in der Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag hinsichtlich der Beauftragung eines Schiedsgutachters sei unwirksam, so dass sich Ansprüche des Klägers aus ihr nicht herleiten ließen. Die Anwaltskosten seien überhöht, könnten auch mangels Verzuges klägerseits erstattet verlangt werden.
Schließlich werde die Einrede der Verjährung erhoben.
Entscheidungsgründe
Auszüge aus den Gründen:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Es kann dahin stehen, ob die klägerischen Forderungen dem Grunde und ihrer Höhe nach gerechtfertigt sind.
Die Beklagte beruft sich zu Recht darauf, Leistungen zu verweigern, weil diese Forderungen verjährt sind, §§ 214 Abs.1, 548 Abs.1 BGB.
1. Die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs.1 BGB gilt grundsätzlich für alle Schadensersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, auch die hier streitgegenständlichen, auf Folgeschäden wegen vertragswidriger Beschädigung einer Wohnung durch ihren Mieter, § 280 Abs.1 BGB. Gem. § 217 BGB verjähren mit Hauptansprüchen, hier Leistung von Schadensersatz in Geld, auch die Ansprüche auf Nebenleistungen, die von diesem abhängen. Solche Nebenleistungen in Gestalt von Anwalts- und Gutachterkosten als Folgeschäden werden hier geltend gemacht. Die dazu von der Klägervertreterin zitierte Entscheidung des OLG Düsseldorf (24 U 20/10 v. 29.07.2010, juris) betraf die Verjährung mieterseitiger Ansprüche nach § 536a BGB und damit eines anders gelagerten Fall.
2. Die sechsmonatige Verjährungsfrist begann vorliegend bereits am 31.03.2012. Zwar kam es anlässlich des am letzten Tag des Mietverhältnisses stattgefundenen Termins nicht zu einem „Rückerhalt“ der Wohnung, denn der für den Kläger tätige Mitarbeiter der Hausverwaltung verweigerte die Entgegennahme der ihm angebotenen Wohnungsschlüssel. Einem solchen Rückerhalt der Wohnung ist es jedoch verjährungsrechtlich gleichzusetzen, wenn ein Vermieter die Entgegennahme derselben zu Unrecht und treuwidrig verweigert (Streyl in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl., § 548 BGB Rn.42 m. w. N.), und von einer solchen nicht gerechtfertigten Weigerung ist stets dann auszugehen, wenn als deren Grund angegeben wird, die geräumten Räume befänden sich wegen mieterseits noch auszuführender Herrichtungsarbeiten nicht in vertragsgerechtem Zustand (Streyl, a. a. O., § 546a BGB Rn.47 m. w. N.). So lag der Fall hier. Ob hiernach die Beklagte – was streitig ist – die Wohnungsschlüssel in den zur Wohnung gehörigen Briefkasten einwarf oder nicht, ist diesbezüglich ohne Belang. Allenfalls von Bedeutung wäre, dass die Beklagte auch aus Sicht des Hausverwalters (E-Mail vom 4.4.2012, Bl.31) ihren Besitz an der Wohnung vollständig aufgegeben hatte.
3. Die Verjährungsfrist wurde nicht dadurch gehemmt, dass klägerseits ein vereinbartes Begutachtungsverfahren eingeleitet wurde, § 204 Abs.1 Nr.8 BGB.
Die dazu in der ersichtlich für eine Vielzahl von Fällen geltenden vorformulierten Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag getroffene Klausel ist gem. § 307 BGB unwirksam und kann daher keine „Vereinbarung“ im Sinne des § 204 Abs.1 Nr.8 BGB begründen. Die Klausel ist gem. § 307 BGB bereits deswegen wegen unangemessener Benachteiligung des Verwendungsgegners unwirksam, weil sie den Eindruck erweckt, die Entscheidung des Schiedsgutachters hinsichtlich der Ausführungspflicht zu Schönheitsreparaturen oder zu anderen Schadensbeseitigungspflichten des Mieters sei in jedem Fall bindend, selbst dann, wenn sie offenbar unbillig im Sinne des § 319 BGB ist (BGH X ZR 38/86 v. 14.07.1987). Rechtliches Gehör des Mieters wird nicht gewährt (Palandt-Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 317 BGB Rn.130). Zudem überlässt die Klausel ihrem Inhalt nach es auch dem Gutachter, Feststellungen zu Fragen vertragsgemäßen oder vertragswidrigen Gebrauches einer Mietsache zu treffen, ohne dass hierfür irgendein rechtstaatliches Verfahren vorgesehen ist und benachteiligt nicht zuletzt deswegen den Mieter unangemessen. Kam hiernach kein vereinbartes Gutachterverfahren zu Stande, konnte dieses den Lauf der Verjährung nicht hemmen.
4. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrages auf Durchführung des gerichtlichen Mahnverfahrens (§ 204 Abs.1 Nr.3 BGB, § 167 ZPO) am 17.01.2013 war die sechsmonatige Verjährungsfrist, die am 31.02.2012 begonnen hatte, bereits abgelaufen.
Eine Hemmung der Verjährung vor Fristablauf wegen schwebender Verhandlungen der Parteien nach § 203 BGB trat – auch unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerseite im nachgelassenen Schriftsatz vom 15.04.2014 – nicht ein. Läge der Beginn der Verhandlungen in dem Aufforderungsschreiben der Klägervertreterin vom 15.08.2012, dem zunächst mit einer Bitte um Fristverlängerung, dann aber auch nicht innerhalb der verlängerten Frist geantwortet wurde, so wurden solche Verhandlungen jedenfalls durch das klägerische Schreiben vom 12.09.2012, in dem angekündigt wurde, ohne nochmaliges Schreiben nach Fristablauf Klage zu erheben abgebrochen oder solche Verhandlungen kamen gar nicht erst zu Stande. Selbst wenn das nicht fristgerecht erfolgte Schreiben des Mietervereins vom 20.09.2012 als neuer Verhandlungsbeginn anzusehen wäre, so blieb dies klägerseits wiederum unbeantwortet. Kommt es zu einem solchen „Einschlafen“ der Verhandlungen, endet eine Hemmung zu dem Zeitpunkt, zu dem der Absender des letzten Schreibens mit einer Antwort hätte rechnen können. Eine Frist von 14 Tagen bis höchstens 3 Wochen erscheint angemessen.
Im für die Klägerseite besten Fall wäre die Verjährung in der Zeit vom 15.08.2012 bis 11.10.2012 gehemmt gewesen, was 57 Tagen entspricht. Werden diese 51 Tage dem eigentlichen Verjährungsende am 30.09.2012 hinzugezählt, ergäbe sich
5. ein Fristende zum 26.11.2012, mithin mehr als einen Monat vor Einreichung des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheides.
Etwaige weitere Verhandlungen der Parteienvertreter über den Anspruch ab dem 16.01.2013 fanden – den Vortrag im nachgelassenen Schriftsatz zugrunde legend -außerhalb der Verjährungsfrist statt.
6. Die Klage war mithin mit den Kosten- und Vollstreckbarkeitsfolgen der §§ 91 Abs.1, 708 Nr.11, 711 ZPO abzuweisen.
Rechtsbehelfsbelehrungen:
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € übersteigt oder
b) wenn die Berufung durch das Amtsgericht Leipzig zugelassen worden ist Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist glaubhaft zu machen.
Die Berufung muss binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich oder in elektronischer Form mit einer qualifizierten Signatur im Sinne des Signaturgesetzes beim Landgericht Leipzig, Harkortstraße 9, 04107 Leipzig eingegangen sein.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich oder in elektronischer Form gegenüber dem Landgericht Leipzig zu begründen. Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Leipzig durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Soweit in diesem Urteil der Streitwert festgesetzt wurde, ist gegen diesen Beschluss das Rechtsmittel der Beschwerde für jede Partei, die durch diesen Beschluss in ihren Rechten benachteiligt ist, zulässig,
– wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € übersteigt oder
– das Amtsgericht Leipzig die Beschwerde in diesem Beschluss zugelassen hat.
Die Beschwerde ist schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Amtsgericht Leipzig, Bernhard-Göring-Straße 64, 04275 Leipzig einzulegen. Die Beschwerdeschrift ist zu unterzeichnen. Die Erklärung über die Beschwerde kann auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eines jeden anderen Amtsgerichts abgegeben werden, wobei die Beschwerdefrist nur dann als gewahrt gilt, wenn die Erklärung rechtzeitig bei dem Amtsgericht Leipzig eingeht. Die Beschwerde kann auch in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes eingereicht werden. Eine bloße E-Mail genügt hierfür nicht. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den sie gerichtet ist, sowie die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt werde, enthalten. Die Gerichtssprache ist deutsch.
Beschwerdefrist:
Die Beschwerde muss binnen sechs Monaten nach Rechtskraft der Hauptsache oder deren anderweitiger Erledigung bei dem Amtsgericht Leipzig eingegangen sein. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, muss sie innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses bei dem Amtsgericht Leipzig eingegangen sein. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.