AG München, Urteil vom 26. April 2012, 244 C 23760/11
Verkehrssicherungspflicht: Bauzaun muss ausreichend vor Wetterextremen gesichert sein
Gericht
AG München
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
26. 04. 2012
Aktenzeichen
244 C 23760/11
Tenor
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 2.468,65 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2011 sowie weitere 272,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.06.2011 zu bezahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf Euro 2.468,65 festgesetzt.
Tatbestand
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Klägerin macht Schadenersatzansprüche geltend für die Beschädigung eines Fahrzeugs durch einen umstürzenden Bauzaun.
Die Klägerin ist Witwe und Alleinerbin des am … Verstorbenen, der Halter und Eigentümer des Pkw … mit dem amtlichen Kennzeichen …, war. Das Fahrzeug wurde am 12.11.2010 gegen 16.28 Uhr vor der Baustelle … beim Vorbeifahren durch einen umstürzenden Bauzaun erheblich beschädigt. Der Bauzaun stürzte in einer Gesamtlänge von ca. 20 Metern nach links auf die Fahrbahn, als Herr … vorbeifuhr, wobei es zur Kollision kam.
Die Beklagte war auf der Baustelle als Baufirma tätig. Sie hatte vom Bauherrn einen Generalauftrag, der auch die Baustelleneinrichtung umfasste.
Durch die Kollision entstand am Fahrzeug ein Schaden in Höhe von 1.494,74 inklusive Umsatzsteuer. Da ein wirtschaftlicher Totalschaden nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte, wurde zunächst das Kfz-Sachverständigenbüro … mit der Erstellung eines Schadensgutachtens beauftragt. Die hierfür erforderlichen Kosten beliefen sich auf 386,99 inklusive Umsatzsteuer. Für die Zeit der durchgeführten Reparatur vom 17. bis 22.11.2010, also für 6 Tage, war Herr … mangels anderweitiger Nutzungsmöglichkeit auf die Benutzung eines Mietwagens angewiesen, wofür weitere Kosten in Höhe von 556,92 angefallen sind. Für Post und Telekommunikationsaufwendungen wurden pauschal Euro 30,00 aufgewendet.
Die Beklagte wurde mit Anwaltsschreiben vom 05.01.2011, gerichtet an den Versicherungsvertreter der Beklagten, aufgefordert, den o.g. Sachschaden einschließlich Rechtsanwaltskosten spätestens bis zum 21.02.2011 zu regulieren. Für die außergerichtliche Geltendmachung des Schadens sind Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 272,87 angefallen.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe die Bauleitung an der Unfallstelle gehabt und sei verantwortlich gewesen für ein verkehrssicheres Aufstellen des Bauzauns. Der Zaun sei nicht fachgerecht gesichert gewesen, weshalb der Zaun durch eine Windböe umgestürzt sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 2.468,65 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.01.2011 sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten von Euro 272,87 nebst Zinsen in gleicher Höhe seit dem 22.06.2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, der Bauzaun sei von der Firma … eingerichtet worden, die damit von der Beklagten beauftragt worden sei. Die Verkehrssicherungspflicht sei der … übertragen worden. Die Beklagte arbeite bereits seit vielen Jahren mit der … zusammen, diese habe sich bisher als zuverlässig und korrekt arbeitend gezeigt. Der Bauzaun sei von der Firma … ordnungsgemäß und gemäß den Regeln der anerkannten Technik und Unfallverhütungsvorschriften aufgestellt worden. Mit einem etwaigen Sturm, der einen ordnungsgemäß aufgestellten Bauzaun umwerfen bzw. lösen konnte, habe nicht gerechnet werden können. Es gäbe auch andere mögliche Ursachen für ein Umstürzen.
Weiter behauptet die Beklagte, wöchentlich jeden Dienstag, seien Mitarbeiter der Beklagten auf der Baustelle gewesen und noch am Vortrag sei die ordnungsgemäße Aufstellung des Bauzauns festgestellt worden.
Die Beklagte ist der Auffassung, da es sich bei der Fa. … um ein zuverlässiges Unternehmen handle, habe für sie keine Aufsichtspflicht mehr bestanden.
Ergänzend wird Bezug genommen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 27.0.2011 und 13.03.2012. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen … . Insoweit wird auf das Protokoll vom 13.03.2012 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Auszüge aus den Gründen:
Die zulässige Klage erwies sich als vollumfänglich begründet.
Die Beklagte ist der Klägerin gem. § 823 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Die Beklagte hat ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, da sie nicht für eine ordnungsgemäße Aufstellung des Bauzaunes gesorgt hat.
Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht trifft denjenigen, der eine Gefahrenquelle schafft. Damit kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte die Bauleitung innehatte, sondern darauf, dass die Beklagte als Baufirma auf der Baustelle tätig war und damit eine tatsächliche Gefahr eröffnet hat und für eine ordnungsgemäße Absicherung zu sorgen hatte.
Diese Verkehrssicherungspflicht hat die Beklagte allerdings an die Fa. … übertragen, was grundsätzlich zulässig ist (Palandt, 71. Auflage, § 823, Rnr. 50). Die erfolgte Übertragung steht zur Überzeugung des Gerichts fest mit der Einvernahme des Zeugen … . Dieser führte anhand des Bauvertrags und Leistungsbeschreibung aus, dass die Firma … mit der Baustelleneinrichtung, die auch die Errichtung des Bauzauns umfasst, beauftragt wurde. Anlass, am Wahrheitsgehalt dieser Angaben, die teilweise von den vorgelegten Urkunden bestätigt wurden, zu zweifeln, sah das Gericht nicht.
Allerdings ist die Fa. … als selbständiges Subunternehmen kein Verrichtungsgehilfe gem. § 831 BGB (Palandt, a.a.O., § 831, Rnr. 5).
Jedoch oblag der Beklagten nach wie vor eine Verkehrssicherungspflicht, die sich jedoch auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht verengt (BGH NJW-RR 89, 394). Auch soweit die … bislang zuverlässig gewesen sein soll, führt dies nicht zu einem völligen Entfallen einer Kontroll- und Überwachungspflicht. Die insoweit vom Beklagtenvertreter zitierte Rechtsprechung erging jeweils nur zur Verantwortlichkeit eines Bauherrn, nicht jedoch einer auf der Baustelle regelmäßig anwesenden Baufirma, und ist deshalb hier nicht einschlägig.
Dieser Kontroll- und Überwachungspflicht hat die Beklagte nicht genüge getan. Regelmäßige gezielte Kontrollen fanden nicht statt. Dies wäre jedoch angesichts des Gefährdungspotentials jedenfalls am Tag der Aufstellung und dann in regelmäßigen Abständen erforderlich gewesen. Jedoch fand eine Kontrolle am Tag der Aufstellung nicht statt, vielmehr wurde der Zaun offensichtlich nur einmal wöchentlich am Tag des Jourfix abgegangen, da man eh am Zaun vorbeimusste. Dass hierbei keine Auffälligkeiten festgestellt wurden, wie vom Zeugen … ausgeführt, genügt der Kontroll- und Überwachungspflicht nicht.
Dass der Zaun nicht ausreichend gesichert war, folgt schon allein aus der Tatsache, dass dieser umgestürzt ist. Ein ausreichend gesicherter Zaun fällt nicht einfach um, auch nicht bei einer Windböe. Damit war es für die Entscheidung ohne Bedeutung, ob der Zaun durch eine Windböe umgeblasen wurde und ob die Beklagte damit rechnen musste. Ein ordnungsgemäß gesicherter Zaun muss sämtlichen Witterungsbedingungen, auch Windböen standhalten. Vielmehr besteht damit allein durch das Umfallen des Zaunes ein Anscheinsbeweis für eine unzureichende Sicherung, denn aufgrund der unzureichenden Sicherung ist gerade der Schaden eingetreten, den die Verkehrssicherungspflicht verhindern soll (Palandt, a.a.O., § 823, Rnr. 54).
Dieser Anscheinsbeweis wurde von der Beklagten nicht erschüttert. Vielmehr wurde zwar vorgetragen, der Zaun sei ordnungsgemäß und gemäß den Regeln der anerkannten Technik und Unfallverhütungsvorschriften aufgestellt worden, die Zäune hätten in Steinfüßen gestanden, die Bauzaunfelder seien ordnungsgemäß mit Schellen miteinander verbunden gewesen. Warum der Zaun aber dennoch, trotz ordnungsgemäßer Sicherung, umgefallen sein soll, wurde nicht vorgetragen, vielmehr wurde die Ursache offengelassen. Ein konkreter Vortrag, dass ein Dritter den Zaun verändert haben mag, erfolgte nicht, insoweit wurde vielmehr auf Seiten der Beklagten nur spekuliert. Erschüttert werden kann damit der Anscheinsbeweis nicht.
Eine Inaugenscheinnahme der vorgelegten Lichtbilder zeigt darüber hinaus, dass die Zaunelemente nicht mittig in den Betonsockeln standen, sondern sämtlich in den äußeren Löchern jeweils auf der Seite der Fahrbahn. Dass die mittigen Löcher für Schilder vorgesehen seien, wie von der Beklagten vorgetragen, ist, wie dem Gericht aus eigener Kenntnis – da derartige Zäune vielfach zu finden sind – bekannt ist, nicht zutreffend. Vielmehr sind auch die mittigen Löcher gerade für die Zaunelemente vorgesehen. Auch die Lichtbilder ergeben, dass für Schilder zusätzliche Betonsockel anderer Bauart zu verwenden sind und hier auch verwendet wurden, bei denen die Schilder mittig angebracht werden. Das Gericht nimmt vielmehr aus eigener Sachkunde, d.h. allein aus Kenntnissen der Physik und Schwerkraft an, dass die Anbringung sämtlicher Zaunelemente auf dieser beträchtlichen Zaunlänge einheitlich auf der Seite der Fahrbahn nicht ordnungsgemäß war. Es ist auf eine gleichmäßige Gewichtsverteilung zu achten, insbesondere bei einer Länge des Bauzaunes wie hier, da ansonsten eine Instabilität eintritt.
Damit ist auch unabhängig davon, ob die Beklagte Kontrollen durchgeführt hat, deshalb von einer Verletzung der der Beklagten obliegenden Kontrollpflicht auszugehen, da sie die Anbringung der Zaunelemente zwar festgestellt, jedoch nicht moniert und korrigiert hat.
Die Beklagte ist deshalb der Klägerin zum aus dem Vorfall entstandenen Schaden in Höhe von Euro 2.468,65 verpflichtet. Die Beklagte haftet hier in voller Höhe, da eine gesamtschuldnerische Haftung gem. § 840 BGB mit der Fa. … anzunehmen wäre. Der Haftungsanteil der Beklagten bzw. der Fa. … ist eine Frage des Innenverhältnisses zwischen der Beklagten und der Fa. … und hat damit hier offen zu bleiben.
Verzugszinsen und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten sind aus §§ 280, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB geschuldet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.