AG Neuwied, Urteil vom 2. März 2007, 4 C 1527/06
Ausrutschen in Sanitärbereichen ist privates Unfall- und Verletzungsrisiko des Reisenden
Gericht
AG Neuwied
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
02. 03. 2007
Aktenzeichen
4 C 1527/06
Entscheidungsgründe
Auszüge aus den Gründen:
… Dem Kläger stehen gegen die Beklagte aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldansprüche zu.
Auch unter Zugrundelegung des klägerischen Vorbringens, zunächst eine Wegstrecke von 40 m auf trockenem Boden zurückgelegt und sodann unmittelbar nach dem Betreten der Dusche dort ausgerutscht zu sein, kann dies nicht der Beklagten angelastet werden. Der von dem Kläger erlittene Unfall gehört vielmehr zu dem allgemeinen natürlichen Lebensrisiko eines Reisenden, für das ein Reiseveranstalter nicht haftet. Schadensersatzansprüche gemäß § 651f BGB oder ein Kündigungsrecht des Klägers gemäß § 651e BGB sind deshalb unbegründet.
Derartige Ansprüche setzen jeweils einen Reisemangel im Sinne § 651c Abs. l BGB voraus. Ein Fehler der Reise im Sinne des § 651c Abs. l BGB liegt dann vor, wenn eine nach dem Vertrag geschuldete Leistung nicht oder nicht in der gebotenen Art und Weise erbracht wird und dies aus dem Verantwortungsbereich des Veranstalters stammt (vgl. Palandt/ Sprau, BGB [66. Aufl.], § 651c, Rn. 2).
Damit werden grundsätzlich alle nicht in der Person des Reisen liegenden Umstände, die die Gesamtreise oder Einzelleistungen stören, von den §§ 651c ff. BGB erfasst. Davon zu trennen ist jedoch das allgemeine, natürliche Lebensrisiko eines Reisenden, das Fälle umfasst, die nicht reisespezifisch sind und mit deren Auftreten auch im privaten Alltag gerechnet werden muss. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ursache durch das Handeln des Reisenden oder Dritter ausgelöst wird (vgl. Führich, Reiserecht [4. Aufl.], Rn. 196).
Zu diesem privaten Unfall- und Verletzungsrisiko eines Reisenden gehören grundsätzlich auch Ausrutscher in Sanitärbereichen wie Dusche oder Badewannen (vgl. AG Neuwied, Urt. v. 2.10.2003 – 4 C 674/03).
Letzteres gilt auch für den vorliegenden Fall. Selbst wenn man den im Übrigen von der Beklagten bestrittenen Geschehensablauf entsprechend dem Vortrag des Klägers zu Grunde legt, hat sich in dem Unfallgeschehen lediglich dessen allgemeines Lebensrisiko wirklicht. Es kommt vorliegend nicht darauf an, ob der Kläger zwischen Pool und Dusche 40 m über trockenen Boden gelaufen ist. Entscheidend ist vielmehr, dass jemand, der einen so genannten Nassbereich – vorliegend also einen Duschbereich – betritt, immer mit Nässe und einer hierdurch bedingten Glätte und Rutschigkeit des Bodenbelages rechnen muss. Durch Wasser hervorgerufene Glätte in einem jedenfalls einer beschränkten Öffentlichkeit im Hotelbereich zugänglichen Duschbereich ist eine übliche Begleiterscheinung, die für einen Reisenden erkennbar ist … . Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich innerhalb der Duschkabine eine Möglichkeit zum Festhalten in Form eines Griffes befand oder nicht, wie dies der Kläger behauptet. Er muss sich insoweit an seinem eigenen Vortrag festhalten lassen, wonach er sofort nach Betreten des Duschbodens ins Rutschen gekommen und sofort nach hinten umgeschlagen sei und sich das Geschehen in Sekundenschnelle abgespielt und er überhaupt keine Möglichkeit mehr gehabt habe, in irgendeiner Weise zu reagieren. Selbst wenn also im Bereich der Dusche keine Möglichkeit zum Festhalten in Form eines Griffes oder Ähnlichem für den Kläger bestanden hätte, wofür gegebenenfalls in der Tat die Beklagte bzw. das von ihr als Reiseveranstalter ausgewählte Hotel verantwortlich gemacht werden könnte, wäre ein solcher Mangel nicht kausal für den seitens des Klägers erlittenen Schaden gewesen, ausgehend von seinem eigenen Vortrag, wonach ihm “die Beine quasi in dem Bruchteil einer Sekunde weggerutscht und er rückwärts mit Hinterkopf und Rückenpartie auf die Stufenkante geschlagen” sei. Der Kläger hätte deshalb eine gegebenenfalls vorhandene Haltevorrichtung überhaupt nicht als solche nutzen können.
Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn man die Beschaffenheit des Bodenbelages berücksichtigt. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers soll es sich um Waschbeton gehandelt haben. Ausgehend hiervon ist es für das Gericht nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger dann überhaupt auf diesem Boden ins Rutschen gekommen sein soll, denn Waschbeton ist bekanntlich von rauer Oberflächenbeschaffenheit und damit massiv rutschhemmend. Das Gericht geht allerdings auf der Grundlage der von der Beklagten vorgelegten Lichtbildausdrucke davon aus, dass der Boden der Dusche tatsächlich einen Fliesenbelag aufgewiesen hat. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Fliesenbelag nicht dem technischen Standard hinsichtlich einer in Duschen üblichen Rutschfestigkeit entsprochen haben soll. Der Kläger bleibt jeden Vortrag hierzu schuldig.
Nicht nachvollziehbar ist für das Gericht hinsichtlich der Unfallursächlichkeit der weitere klägerische Vortrag, die Dusche hätte keinen Spritzschutz aufgewiesen. Wenn dem tatsächlich so gewesen wäre, wäre für den Kläger besondere Vorsicht schon im Bodenbereich vor der Dusche angezeigt gewesen, denn er hätte bereits in diesem Bereich mit dem Auftreten von Nässe rechnen müssen. Darüber hinaus belegen die von der Beklagten diesbezüglich vorgelegten Lichtbilder, dass die streitgegenständliche Dusche tatsächlich mit einem Duschvorhang versehen, mithin den von dem Kläger als fehlend monierten Spritzschutz aufwies. Darüber hinaus ist auf dem Lichtbild auch erkennbar, dass sich unmittelbar vor diesem Duschvorhang eine offensichtlich aus Gummi bestehende Antirutschmatte befand, wie es die Beklagte auch behauptet hat.
Der Kläger kann seine Ansprüche auch nicht auf eine unerlaubte Handlung der Beklagten gemäß § 823 BGB stützen. Zwar hat ein Reiseveranstalter eigene Verkehrssicherungspflichten gegenüber dem Reisenden in der Form, dass er erfahrene, sachkundige und gewissenhafte Reiseleiter oder Beschaffenheit von Hotelunterkünften an Ort Stelle Kontrollen durchführen lässt dergestalt, dass hierbei Sicherheitsrisiken entdeckt werden, die sich bei genauerem Hinsehen jedermann offenbaren. Verstößt ein Veranstalter gegen diese Verpflichtung, haftet er für eigenes Organisationsverschulden § 823 Abs. l BGB. Ein derartiges Organisationsverschulden der Beklagten ist vorliegend jedoch nicht erkennbar. Ein Sicherheitsmangel ergibt sich nicht aus der Beschaffenheit des Bodenbelags der streitgegenständlichen Dusche. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden, wonach diese mit einem Fliesenbelag versehen war und nicht ersichtlich ist, dass dieser nicht den technischen Anforderungen an eine Rutschfestigkeit entsprochen hat. Da mithin davon ausgegangen werden kann, dass durch die Beschaffenheit dieses Belags kein Gefahrenherd für den Kläger als Reisenden geschaffen worden ist, ist der Beklagten insoweit auch keine Verletzung von Auswahl- oder Kontrollpflichten vorzuwerfen. Gleiches gilt für den Umstand, dass sich in der Dusche möglicherweise keine Haltevorrichtung befunden hat. Insoweit gelten die obigen Kausalitätserwägungen auch hier.
Eine Haftung der Beklagten für ein Verschulden des Leistungsträgers, hier des A. Hotels gemäß § 831 BGB scheidet darüber hinaus deshalb aus, weil dieses nicht Verrichtungsgehilfe des Reiseveranstalters ist.
Letztlich vermag der Kläger auch keine Ansprüche daraus herzuleiten, dass die Beklagte seinem Rücktransportverlangen nicht entsprochen hat. Abgesehen davon, dass dies zwischen den Parteien streitig ist und das von dem Kläger vorgelegte Fax vom 29.4.2006 an die Beklagte kein solches Rücktransportverlangen gegenüber der Beklagten selbst enthält, sondern lediglich die Mitteilung des Klägers, dass er auf einem umgehenden begleiteten Rücktransport zu seinem Heimatort gegenüber der Reiseleiterin standen habe, war die Beklagte auch nicht verpflichtet, einem etwaigen Verlangen des Klägers nachzukommen. Zwar steht einem Reisenden im Hinblick darauf, dass der Reisevertrag ein Dauerschuldverhältnis begründet, grundsätzlich auch das allgemeine Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach § 314 BGB zu. Die Möglichkeit der fristlosen Kündigung bei Dauerschuldverhältnissen folgt aus dem Rechtsgedanken der §§ 242, 626 BGB bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Rechtsverhältnisses. So kann eine Reise bei einer schweren Krankheit des Reisenden von diesem aus wichtigen Grund außerordentlich gekündigt werden. Vorliegend mag der von dem Kläger erlittene Unfall und die damit verbundenen Beeinträchtigungen einen solchen Kündigungsgrund darstellen – jedenfalls geht das Gericht zu Gunsten des Klägers davon aus.
Rechtsfolge einer wirksamen außerordentlichen Kündigung ist allerdings die Auflösung des Reisevertrages ex nunc für die Zukunft. Dies bedeutet, dass der Reiseveranstalter einerseits nach § 32 Abs. 2 BGB den Anspruch auf den Reisepreis behält, gegebenenfalls vermindert um etwaige ersparte Aufwendungen. Andererseits besteht für den Reiseveranstalter grundsätzlich keine Rückbeförderungspflicht des zur außerordentlichen Kündigung berechtigten Reisenden, da eine Abwicklung des Vertrages über § 651e Abs. 4 BGB im Hinblick auf die durch ein Verhalten aus der Sphäre der Reise ausgelöste Kündigung nicht der Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien entspricht. Eine Organisation der Rückbeförderung durch den Reiseveranstalter kommt daher nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Hierzu zählt der vorliegende Fall nicht, da entsprechend vorstehenden Ausführungen der Unfall des Klägers ausschließlich in dessen Alleinrisikobereich fällt. …