AG Nordenham, Urteil vom 5. Juni 1992, 3 C 121/92
Begriff des Grenzbaums
Gericht
AG Nordenham
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
05. 06. 1992
Aktenzeichen
3 C 121/92
Leitsatz des Gerichts
Wenn der Baum auf der Grenze steht und somit die Grenze direkt durch den Stamm des Baumes verläuft, handelt es sich grundsätzlich um einen Grenzbaum. Wendet sich der Stamm eines solchen Baumes, unmittelbar nach seinem Austritt aus dem Boden schrägliegend von der Grenze ab, ist der Baum dennoch kein Grenzbaum.
Tatbestand
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die 15 Jahre alte Weide, die sich nach der Behauptung des Kl. auf der Grenze befindet, kriecht praktisch von ihrem Fuß in das Grundstück der Bekl. ab und erhebt sich erst nach 1,50 m langsam in der Schräglage. Der Kl. behauptet, die in die Fundamente seines Hauses eindringenden und dieses zerstörenden Wurzeln der Weide schädigten sein Grundstück. Darüber hinaus nehme ihm der Baum das Licht in seiner Küche. Die Klage auf Duldung der Entfernung des Baumes hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Auszüge aus den Gründen:
Ein Anspruch aus § 923 II BGB auf Beseitigung der Weide steht dem Kl. nicht zu. Die Strauchweide ist nämlich kein Grenzbaum im Sinne der genannten Vorschrift.
Zwar läuft die Grundstücksgrenze genau durch den Wurzelfuß des Baumes, doch wendet sich dieser unmittelbar nach dem Austritt aus der Erde schrägliegend von der Grenze ab in das Grundstück der Bekl. hinein. Voraussetzung für eine Qualifizierung als Grenzbaum ist aber gem. § 923 I BGB, dass der Baum auf der Grenze „steht“. Erst wenn der Baum auf der Grenze steht und somit die Grenze direkt durch den Stamm des Baumes verläuft, ist es gerechtfertigt, das Eigentum an den Früchten und, im Falle des Abschlags auch an dem Baum selbst zu gleichen Teilen zwischen den Nachbarn aufzuteilen. Im übrigen müssen alle Vorschriften, die die Beseitigung, das Zurückschneiden oder die Zerstörung von Pflanzenwerk beinhalten, mit Rücksicht auf die bedrohte Natur und damit auch auf Art. 14 II GG eng ausgelegt werden; im Zweifelsfalle muss deshalb, wie auch hier, zugunsten der lebenden Natur entschieden werden.
Der Anspruch des Kl. rechtfertigt sich auch nicht aus § 910 BGB, da der Kl. insoweit nicht die Beseitigung des Überwuchses des Wurzelfußes bzw. der Wurzeln, verlangt, sondern die Entfernung des gesamten Baumes begehrt. Hierbei handelt es sich um etwas Anderes und nicht um ein Weniger, so dass das Gericht auch insoweit dem Antrag des Kl. nicht entsprechen konnte. § 1004 BGB greift ebenfalls nicht ein. Abgesehen davon, dass für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift neben den §§ 923 II, 910 BGB als spezialgesetzlichen Regelungen kein Raum ist, hat der Sachverständige F festgestellt, dass die Wurzeln das Mauerwerk bzw. das Fundament des Gebäudes des Kl. nicht angreifen.
Ein Anspruch des Kl. aus § 53 NdsNachbarG schließlich ist nicht gegeben, da die Geltendmachung eines derartigen Anspruches gem. § 54 NdsNachbarG verfristet ist. Zwischen den Parteien ist nach der Augenscheinseinnahme und aufgrund der Äußerung des Sachverständigen F unstreitig geworden, dass der Baum mindestens 15 Jahre alt ist.