AG Potsdam, Urteil vom 26. Juni 2002, 73 OWi 421 Js 9093/02 (300/02)
Absehen von Fahrverbot wegen beruflicher Tätigkeit
Gericht
AG Potsdam
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
26. 06. 2002
Aktenzeichen
73 OWi 421 Js 9093/02 (300/02)
Leitsatz des Gerichts
Auch wenn erst vor kurzem rechtskräftig wegen einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung in einem Bußgeldbescheid eine Geldbuße und ein Fahrverbot verhängt worden sind, kann das Gericht ausnahmsweise davon absehen, nach § 25 des Straßenverkehrsgesetzes und § 2 der Bußgeldkatalogverordnung ein Fahrverbot auszusprechen.
Die Anordnung eines Fahrverbots setzt auch subjektiv ein besonders verantwortungsloses Verhalten voraus.
Der Fahrer handelt nicht besonders verantwortungslos, wenn er von der Sonne geblendet wird und deshalb ein geschwindigkeitsregelndes Zeichen übersieht.
Zu berücksichtigen ist nach § 2 Abs. 4 der Bußgeldkatalogverordnung, ob die Anordnung eines Fahrverbots den Betroffenen bei der Wahrnehmung seiner beruflichen Aufgaben erheblich beeinträchtigen würde.
Wer regelmäßig Gerichtstermine in einem weiten Umkreis von seiner Kanzlei wahrzunehmen hat, würde bei einem Fahrverbot bei der Wahrnehmung seiner beruflichen Aufgabe erheblich beeinträchtigt.
Wesentlich ist, daß sich der Betroffene nicht durch Beschäftigte oder Familienangehörige fahren lassen kann.
Tatbestand
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Bereits im Juli 2001 wurde gegen den Betr. wegen Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße festgesetzt und ein Fahrverbot verhängt. Der Betr. überschritt dann auch im November die durch Verkehrszeichen begrenzte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 30 km/h. Er räumte ein, durch die Sonne geblendet worden zu sein und infolge der Sonneneinstrahlung die Verkehrsschilder nicht erkannt zu haben.
Der Betr. wurde vom AG wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße in Höhe von 180 Euro verurteilt. Ein Fahrverbot wurde nicht verhängt.
Entscheidungsgründe
Auszüge aus den Gründen:
Für den Fall einer solchen Geschwindigkeitsüberschreitung sieht der damals geltende Bußgeldkatalog unter der laufenden Nummer 5.3.2 eine Regelgeldbuße von 100 DM vor. Angesichts der wiederholten Geschwindigkeitsüberschreitung des Betr. hat das Gericht diese Geldbuße gem. § 17 III OWiG angemessen um 20% auf 120 DM erhöht.
Von einem Fahrverbot, das hier gem. § 25 I StVG und § 2 II 2 BKatV in der Regel in Betracht käme, hat das Gericht in Anwendung von § 2 IV BKatV ausnahmsweise abgesehen. Unstreitig hat der Betr. die erneute erhebliche Geschwindigkeitsverletzung drei Monate und acht Tage nach dem Eintreten der Rechtskraft des Bußgeldbescheids zu einer bereits erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung begangen. Das Gericht hatte jetzt aber zu berücksichtigen, dass die erneute Geschwindigkeitsüberschreitung auf leichtester Fahrlässigkeit durch Übersehen von geschwindigkeitsregelnden Zeichen infolge von Sonnenblendung beruhte. Bei einer solchen fahrlässigen Begehungsweise fehlt es an dem Willen und der Einwilligung zu dem Verkehrsverstoß. Angesichts dieser leicht fahrlässigen Begehungsweise kann dem Betr. hier der Vorwurf einer beharrlichen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht gemacht werden. Die Anordnung eines Fahrverbots setzt nämlich auch subjektiv ein besonders verantwortungsloses Verhalten voraus. Dieses kann hier nicht festgestellt werden, wo der Betr. nur Verkehrsschilder wegen der Sonnenblendung übersah.
Von einem Fahrverbot ist hier auch in Anwendung von § 2 IV BKatV abzusehen, weil die Anordnung eines Fahrverbots den Betr. bei der Wahrnehmung seiner beruflichen Aufgaben erheblich beeinträchtigen würde. Wie oben bereits erwähnt, nimmt der Betr. regelmäßig Gerichtstermine in einem weiten Umkreis von seiner Kanzlei wahr. Dass der Betr. tatsächlich an so weit auseinander liegenden Orten tätig ist, hat er in der mündlichen Verhandlung auch durch die Vorlage eines Fahrtenbuchs, das er wegen der Abrechnung gegenüber dem Finanzamt führt, glaubhaft gemacht. Bei einem Fahrverbot könnte der Betr. seine Berufstätigkeit so nicht mehr weiterverfolgen. Der Betr. hat auch glaubhaft versichert, höchstens zwei Wochen Urlaub nehmen zu können. Andere Bedienstete in seiner Kanzlei oder Familienangehörige könnten ihn nicht fahren, da diese anderweitig beschäftigt sind.
Unter Berücksichtigung der leicht fahrlässigen Begehungsweise und der Erschwernis für die Berufstätigkeit des Betr. hat das Gericht von der Regelung des § 2 IV BKatV Gebrauch gemacht und hat von der Verhängung eines Fahrverbots unter angemessener Erhöhung der Geldbuße auf den dreifachen Betrag Gebrauch gemacht. Eine solche empfindliche Anhebung der Geldbuße war hier erforderlich, schon um den Betr. deutlich zu machen, dass er der weiteren Begehung von Geschwindigkeitsüberschreitungen wegen der diesen innewohnenden Gefahr entschieden entgegen wirken muss.
Die so festgestellte Geldbuße von 3 mal 120 DM hat das Gericht angesichts der Währungsumstellung im Verhältnis von 2:1 in die Euro-Währung umgerechnet. Dieses Verfahren beeinträchtigt den Betr. nicht und entspricht auch den Regelungen der seit dem 1. 1. 2002 geltenden neuen Bußgeldkatalogverordnung.