Anwaltsgericht Köln, Beschluss vom 10. November 2014, 10 EV 490/14

Anwaltsgericht Köln, Beschluss vom 10. November 2014, 10 EV 490/14

Fotos von leichtbekleideten Frauen und die Würde des Anwaltes

Gericht

Anwaltsgericht Köln


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

10. 11. 2014


Aktenzeichen

10 EV 490/14


Tenor


Tenor

  1. Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung gegen den Rügebescheid des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Köln in Form des Einspruchsentscheides des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Köln wird als unbegründet zurückgewiesen.

  2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Entscheidungsgründe


Gründe

I.

Dem anwaltsgerichtlichen Verfahren liegt ein Vorgang des Verschickens von Pin-Up-Kalendern durch Rechtsanwalt an verschiedene Autowerkstätten zugrunde. Die Pin-Up-Kalender sind als Abrisskalender in den Maßen von ca. 34 x 49 cm gestaltet, wobei der Kalender über eine Kopfklappe verfügt, die in textlicher Form auf die Kanzlei des Antragstellers hinweist (Text: Kanzlei, Fachanwalt für, Straße, Hausnummer, Ort, Telefon, Homepage) Die Monatsblätter des Kalenders zeigen leicht oder nur teils bekleidete junge Frauen. Mit Jahresbezug zum Kalenderjahr 2014 hat Rechtsanwalt diese Kalender vor Weihnachten 2013 zur Verteilung gebracht.

Der Vorgang des Verschickens/Verteilens dieser Pin-Up-Kalender wurde von Rechtsanwalt selbst der Rechtsanwaltskammer Köln zur Kenntnis gebracht und zugleich auch zum Gegenstand einer an die Generalstaatsanwaltschaft Köln gerichteten Antragstellung nach § 123 BRAO gemacht, dies mit seinem Schreiben und der Fragestellung, ob mit dieser Werbemaßnahme ein Verstoß gegen anwaltliches Berufsrecht erfolgt.


II.

Mit Bescheid rügt die Rechtsanwaltskammer Köln das Verhalten des Beschwerdegegners unter Erteilung einer Mißbilligung. Dieser habe der Verpflichtung aus § 43b BRAO i.V.m. § 6 BORA zuwider gehandelt, indem er kostenlos an einige Autowerkstätten Pin-Up Kalender “Dream Girls 2014”, ein Abrisskalender mit einer Kopfklappe versehen und dem textlichen Hinweis auf seine Kanzlei (Kanzlei, Fachanwalt für, Straße, Hausnummer, Ort, Telefon, Homepage) verschickte, wobei auf den Monatsblättern sehr leicht oder gar nicht bekleidete junge Frauen abgebildet sind, die in aufreizender Pose ihren Po und/oder Busen zur Schau stellen.

Die Rechtsanwaltskammer beurteilt die Verbreitung des Pin-Up-Kalenders als unsachliche und damit unzulässige Form der Werbung. Die Rechtsanwaltskammer konstatiert, dass die Bekanntgabe des eigenen Berufs unter Angabe der Kontaktdaten eine berufsbezogene Information darstellt und damit zudem in der Gestaltung und Benutzung mittels eines Kalenders als Werbeträger nicht zu beanstanden ist. In der spezifischen Ausgestaltung mit den Bildmotiven eines Pin- Up-Kalenders kann jedoch der sachliche Hinweis auf die Rechtsanwaltskanzlei nicht losgelöst von den Bildmotiven auf den darunter befindlichen Abrissblättern gesehen werden. Nach Auffassung der Rechtsanwaltskammer lassen die Bildmotive vielmehr die Sachaussage in der Kopfklappe in den Hintergrund treten. Mit dieser Gestaltung hat Rechtsanwalt eine Form der Ansprache des rechtssuchenden Publikums gewählt, die geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität des Rechtsanwalts zu erschüttern. Sie legt nach Einschätzung der Rechtsanwaltskammer vielmehr den Rückschluss nahe, dass der auf diese Art werbende Rechtsanwalt nicht die Gewähr dafür bietet, dass er aus Rücksicht auf die Rechtspflege und die Interessen seiner Mandanten das persönliche Gewinnstreben hintanstellt.


III.

Mit Schreiben legt Rechtsanwalt gegen den Rügebescheid der Rechtsanwaltskammer Köln Einspruch ein.

Er ist der Auffassung, dass in den zurückliegenden Jahren eine Liberalisierung der Anwaltswerbung Platz gegriffen hat und deswegen auch sein Handeln keine unlautere Werbemaßnahme darstellt. Unter Berufung auf Literaturmeinungen (u.a. Kleine-Kosak in NJW 2014, S. 514-518) vertritt er die Auffassung, dass § 43b BRAO i.V.m. § 6 Abs. 1 BORA keine eigenständige materiell- rechtliche Bedeutung mehr zukomme. Da der Kalender von einem Werbeartikelhersteller allgemein auch für Betriebe der gewerblichen Wirtschaft produziert werde, ist er der Meinung, dass auch der Markt der Rechtsanwälte sich dererlei Werbematerial müsse frei bedienen dürfen. Von der Erregung öffentlichen Ärgernisses könne nach heutigem Verständnis nicht mehr ausgegangen werden. Es handele sich um von professioneller Hand gefertigte geschmackvolle Kunstdrucke. Auch die Größenrelationen, wonach die Kopfleiste mit Kanzleiadresse gegenüber dem Bildmotiv in den Hintergrund trete, sei allein den üblichen Größenproportionen geschuldet. Schlussendlich handelt es sich nach Auffassung von Rechtsanwalt um eine “zielgruppenorientierte Werbung”, so dass je nach “Empfängerhorizont” verschiedenartige Werbemittel als zulässig eingesetzt beurteilt werden müssten.

Auch widerspricht Rechtsanwalt der Sichtweise, dass die verfahrensgegenständliche Art und Weise der Werbung Rückschlüsse auf die Art und Weise der Integrität seiner Berufsausübung nahe lege. Vielmehr zeige sich, dass er als Rechtsanwalt über die Flexibilität verfüge, auf verschiedene Zielgruppen mit der erforderlichen Empathie eines Anwalts zugehen zu können.


IV.

Mit Bescheid wies der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Köln den Einspruch von Rechtsanwalt gegen den Rügebescheid als unbegründet zurück. Der Beschwerdegegner sei zu Recht gerügt worden, da er gegen geltendes Berufsrecht verstoßen habe.

Der Vorstand bestätigt die ergangene Entscheidung zur Mißbilligung des Verhaltens durch Erteilung einer Rüge und verweist in seiner Einspruchsentscheidung auf den Umstand, dass gerade die von Rechtsanwalt intendierte Zielgruppe der “etwas einfacher gestrickten Art” das Anlockungsmoment über die an sich gelieferte Sachinformation stelle und deshalb die Grundlage des erforderlichen Vertrauensverhältnisses im Rahmen des Mandats gefährdet sei. Die sachliche Information über die Existenz der Kanzlei sowie deren Kontaktdaten tritt nach Auffassung des Vorstands sowohl hinsichtlich des räumlichen Umfangs wie auch des Inhalts hinter die groß dimensionierte Darstellung von spärlich bekleideten Frauen zurück. Deshalb sei ein sachlicher Zusammenhang zwischen der Angabe der Anwaltskanzleidaten und deren Beratungsleistung nicht hergestellt.


V.

Der Antrag des Rechtsanwalts auf anwaltsgerichtliche Entscheidung ist zulässig, aber unbegründet. Der Rügebescheid der Rechtsanwaltskammer Köln in Form des Einspruchsbescheids ist rechtmäßig ergangen. Dabei geht die Kammer von folgenden Überlegungen und Beurteilung des Sachverhalts aus:

1. Dem Rechtsanwalt ist gemäß § 43b BRAO Werbung nur gestattet, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet. Das Gebot der Sachlichkeit der Werbung in Form und Inhalt bildet eine sich aus § 43b BRAO ergebende Schranke für die anwaltliche Werbung.

2. Die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit dient dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern. Im Interesse des rechtssuchenden Bürgers ist hiernach eine solche Werbung des Rechtsanwalts mit dem Sachlichkeitsgebot nicht mehr vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen seiner Leistung in den Vordergrund stellt und die mit dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen des Mandats nichts mehr zu tun hat (BVerfG NJW 2003, 2816). § 43b BRAO bezweckt die Klarstellung, dass der Rechtsanwalt hiernach Werbung nur betreiben darf, soweit es sich um eine Informationswerbung handelt, die über sein Dienstleistungsangebot sachlich informiert (Feurich/Weyland/Böhnlein § 43b BRAO Rn. 1).

3. Das berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist nach Auffassung der Kammer trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff; 82, 18, 28). Es entspricht hierbei – auch nach Überzeugung der Kammer – dem Willen des Gesetzgebers, dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft noch hinzunehmen sind.

4. Die Einschränkung des Rechts, für die Berufsausübung des Rechtsanwalts Werbung betreiben zu dürfen, dient dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern. Mit dieser – neutralen und objektivierten – Stellung des Rechtsanwalts im System der Rechtspflege ist ein werbewirksamer Auftritt des Rechtsanwalts, der ein reklamehaftes Anpreisen seiner Leistung in den Vordergrund rückt, die mit der eigentlichen Leistung des Rechtsanwalts und dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen seines Mandats nichts mehr zu tun hat, unvereinbar (BVerfGE 76, 196, 207f; 82, 18, 26). Werbemethoden, die hiernach Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich an der Erzielung eines Gewinns des Rechtsanwalts orientierten Verhaltens sind, verstoßen gegen das Gebot rein sachlicher Werbung (BVerfG Kammer, NJW 2004, 2656; 2001, 2620 m.w.N.).

5. Gemessen hieran verfolgt Rechtsanwalt mit seiner Aktion der Verteilung von Pin-Up-Kalendern keine dem Sachlichkeitsgebot in angemessener Art und Weise Rechnung tragende Information an den rechtssuchenden Kunden über die Existenz seiner Kanzlei und seine Berufsausübung.

Im deutlichen Vordergrund steht bei den Kalendern wesentlich das Ausrichten des Augenmerks auf die “Schönheit” der Bildmotive, der sich auch die Kammer nicht verschließt. Damit entbehrt der von Rechtsanwalt initiierte Werbeauftritt der Wesentlichkeit in Bezug auf eine übermittelte Sachinformation über seine Kanzlei und seine Berufsausübung. Dies allein rechtfertigt nach Überzeugung der Kammer die Annahme, dass hier eine Werbeaktion intendiert wird, die weitaus mehr an der Erzielung eines Gewinns ausgerichtet ist, als dass hier rein sachlich profunde Anwaltstätigkeit vor materiellem Hintergrund ins Augenmerk des rechtssuchenden Kunden gerückt wird. Die Anpreisung ist plakativ reklamehaft und auf eine Effekthascherei ausgerichtet, die mit der eigentlichen anwaltlichen Leistung im Rahmen einer vertrauensvollen Mandantsbearbeitung nichts gemein hat. Damit überschreitet Rechtsanwalt die gebotene Sachlichkeit gesetzlich zugelassener Werbung als Rechtsanwalt, weshalb sein Verhalten als berufsrechtswidrig unter Verstoß gegen § 43b BRAO i.V.m. § 6 BORA zu werten ist.

6. Der Annahme berufsrechtswidrigem Verhaltens steht nicht entgegen, dass Rechtsanwalt flankierend seinen Werbeauftritt auch im Rahmen einer Antragstellung gemäß § 123 BRAO der Generalstaatsanwaltschaft mit der Bitte um berufsrechtliche Beurteilung mitgeteilt hat bzw. er die Rechtsanwaltskammer gleichermaßen unterrichtet hat. Nach seinem eigenen Vortrag hat er besagte Kalender zur Verteilung gebracht, bevor ihm von den angerufenen Stellen eine berufsrechtliche Wertung überhaupt zugegangen ist bzw. zugehen konnte. Er hat damit willentlich in Kauf genommen, dass seinem Handeln wie dann auch geschehen eine berufsrechtliche Missbilligung nachfolgt.

7. Die Kammer ist nicht der Auffassung, dass die gesetzlich verankerte und vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Einschränkung der Werbefreiheit für den Berufsstand der Rechtsanwaltschaft in zeitlicher Hinsicht gänzlich überholt ist und in der heutigen Zeit keine Wirkung mehr entfaltet. So hat das berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit auch europarechtliche Bedeutung erlangt und es wurde den Mitgliedstaaten aufgegeben, “die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes” im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36). Rechtsanwalt hat mit dem Verschicken der hier verfahrensgegenständlich zu beurteilenden Pin-Up-Kalender die Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung überschritten und damit die Würde und Integrität der Berufsausübung als Rechtsanwalt in Frage gestellt.

Der Rügebescheid der Rechtsanwaltskammer war mithin nach Überzeugung der Kammer zu bestätigen.


VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 BRAO i.V.m. § 197 Abs. 1 S. 1 BRAO. Vorliegend besteht in dem Vorgehen des Rechtsanwalts eine berufsrechtliche Pflichtverletzung und die Rügeentscheidung der Rechtsanwaltskammer Köln wird vollumfänglich geteilt.

Rechtsgebiete

Anwalts-, Notar-, Steuerberater- und anderes Berufsrecht