BayObLG, Rechtsentscheid vom 31. August 1993, 3 REMiet 2/93
Verwertungskündigung und Neubaugenehmigung
Gericht
BayObLG
Art der Entscheidung
Rechtsentscheid
Datum
31. 08. 1993
Aktenzeichen
3 REMiet 2/93
Leitsatz des Gerichts
Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis gem. § 564b II Nr. 3 BGB, weil er das Gebäude, in dem sich der vermietete Wohnraum befindet, abreißen und durch einen Neubau ersetzen will, so ist es für die Wirksamkeit der Kündigung grundsätzlich nicht erforderlich, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung die baurechtliche Genehmigung zur Errichtung des Neubaus vorliegt.
Die Kündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil der Vermieter in dem Kündigungsschreiben die bereits vorliegende baurechtliche Genehmigung zum Abbruch des Gebäudes nicht erwähnt hat.
Tatbestand
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Bekl. bewohnt mit seiner Familie seit Anfang 1986 aufgrund eines mit dem Kl. am 1. 1. 1986 abgeschlossenen Mietvertrages ein auf einem Grundstück des Kl. gelegenes altes Haus. Der Kl. beabsichtigt, dieses Haus abzureißen und auf dem Grundstück ein neues Haus mit insgesamt fünf Wohnungen zu errichten. Mit Schreiben vom 2. 4. 1991 kündigte der Kl. das Mietverhältnis zum 30. 9. 1991. Er stützte die Kündigung darauf, dass er durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert sei und dadurch erhebliche Nachteile erleide. Das Haus sei einsturzgefährdet, Leib und Leben der Bewohner seien gefährdet. Durch das bestehende Mietverhältnis sei er daran gehindert, das Grundstück angemessen zu nutzen, da er keinen Neubau erstellen und zu einem angemessenen Entgelt vermieten könne. Der Mietzins für ein Einfamilienhaus belaufe sich mindestens auf 1500 DM monatlich, der vom Bekl. bezahlte Mietzins in Höhe von 450 DM monatlich stehe hierzu in keinem Verhältnis. Der Hausabbruch liege auch im allgemeinen Interesse, da neue Wohnungen entstünden, die den modernen Wohnansprüchen genügten. Der Bekl. widersprach der Kündigung. Er wohnt weiterhin in dem Haus. Das zuständige Landratsamt hatte bereits am 6. 3. 1990 den Abbruch des alten Hauses genehmigt. Am 20. 8. 1990 hatte es einen Vorbescheid für das Neubauvorhaben erteilt. Dieser enthielt neben verschiedenen Auflagen den Hinweis, dass derzeit die abwassertechnische Erschließung nicht gegeben sei und das Vorhaben daher erst genehmigt werden könne, wenn das zuständige Wasserwirtschaftsamt einer Bebauung ausdrücklich zustimme. Am 4. 2. 1992 hat das Landratsamt den Neubau genehmigt.
Mit der Klage verlangt der Kl. die Räumung und Herausgabe des Hauses. Das AG hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung des Bekl. Das LG hat folgende Fragen zum Rechtsentscheid vorgelegt:
Wird ein Mietverhältnis über Wohnraum wirksam durch eine Kündigung wegen Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung im Wege des Abrisses des alten Gebäudes und Neuerstellung einer Wohnanlage beendet, wenn im Kündigungsschreiben die vorhandene Abrissgenehmigung nicht erwähnt wird und die erforderliche Baugenehmigung erst nach der Kündigung erteilt wird?
Entscheidungsgründe
Auszüge aus den Gründen:
1. Die Vorlage, über die das BayObLG zu entscheiden hat (vgl. BayObLGZ 1991, 348 (350)), ist statthaft (§ 541 I 1 ZPO, vgl. BayObLGZ 1989, 319 (321)). Auch die weiteren Voraussetzungen für den Erlass eines Rechtsentscheids sind gegeben.
a) Die Vorlage betrifft zwei Teilaspekte der Kündigung gem. § 564b II Nr. 3 BGB zum Zweck der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung vermieteten Wohnraums (Verwertungskündigung) durch Abriss des alten Gebäudes und Errichtung eines neuen Gebäudes, nämlich die Frage, ob eine solche Kündigung schon deshalb unwirksam ist, weil im Kündigungsschreiben die vorhandene Abbruchgenehmigung nicht erwähnt ist, also den Umfang der Begründungspflicht des kündigenden Vermieters (§§ 564a I 2, 564b III BGB), und die Frage, ob die Wirksamkeit einer solchen Kündigung voraussetzt, dass im Zeitpunkt der Kündigung bereits die Baugenehmigung für das Gebäude vorliegt, das nach dem Abriss des alten Gebäudes errichtet werden soll, also die materiellen Voraussetzungen der Kündigung (§ 564b II Nr. 3 S. 1 BGB). Beide Rechtsfragen sind anhand von Vorschriften zu beantworten, deren Anwendungsbereich sich auf Mietverhältnisse über Wohnraum beschränkt, und betreffen den Bestand eines solchen Mietverhältnisses.
b) Die Fragen sind für die Entscheidung des LG erheblich.
aa) Bei der Prüfung der Entscheidungserheblichkeit ist grundsätzlich von der im Vorlagebeschluss vertretenen Rechtsauffassung und der dort zugrunde gelegten Tatsachenfeststellung und -würdigung auszugehen, es sei denn, sie wären unhaltbar (BayObLGZ 1993,160 (161) und st. Rspr. des Senats). Auf dieser Grundlage sind die Ausführungen des LG im Vorlagebeschluss ausreichend, wenngleich es für die Darlegung der materiellen Voraussetzungen der Kündigung verhältnismäßig pauschale Angaben hat genügen lassen.
bb) Das LG ist allerdings nicht darauf eingegangen, ob sich Auswirkungen auf den Räumungsanspruch des Kl. dadurch ergeben, dass das Gebiet mit Wirkung vom 1. 10. 1992 in den Anwendungsbereich des Zweckentfremdungsverbots nach Art. 6 § 1 MRVerbG einbezogen worden ist (§ 1 MRVerbG i. V. mit der Anlage der Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vom 28. 7. 1992, GVBl, 278). Die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfragen kann gleichwohl bejaht werden. Denn allein durch die Einbeziehung ist das Erlangungsinteresse des Kl. nicht entfallen. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Kl. die Genehmigung nach Art. 6 § 1 MRVerbG jedenfalls hier nachträglich beantragen kann, wobei angesichts der geplanten Errichtung neuen Wohnraums in größerem Umfang die Erteilung der Genehmigung nicht unwahrscheinlich ist (vgl. BVerwG, NJW 1982, 2269 (2270)).
c) Die vorgelegten Fragen sind von grundsätzlicher Bedeutung. Sie werden im Rahmen der nicht seltenen Kündigungen mit dem Ziel, das bestehende Gebäude abzureißen und anschließend einen Neubau zu errichten, immer wieder auftreten. Die Fragen, ob bei einer solchen Verwertungskündigung die für das geplante Vorhaben erforderlichen öffentlichrechtlichen Genehmigungen bereits bei Zugang der Kündigung vorliegen müssen und ob sie im Kündigungsschreiben zu erwähnen sind, werden zwar in Rechtsprechung und Literatur vorwiegend für die Zweckentfremdungsgenehmigung nach Art. 6 § 1 MRVerbG erörtert (vgl. dazu bejahend OLG Hamburg, RES § 564b BGB Nr. 6, sowie Franke, in: Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, WohnungsbauR, § 564b BGB Anm. 27 m. w. Nachw.), stellen sich aber auch für die Abbruchgenehmigung (vgl. zum Vorliegen der Genehmigung z. B. bejahend Beuermann, ZMR 1979, 97 (98); Schmidt-Futterer/Blank, WohnraumschutzG, 6. Aufl., B Rdnr. 713; Sternel, MietR aktuell, 2. Aufl., Rdnr. 487; wohl auch AG Düsseldorf, WuM 1991, 168; verneinend LG Itzehoe, WuM 1983, 143; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 6. Aufl., § 564b BGB Rdnr. 60 und für einen Sonderfall auch LG Bochum, WuM 1989, 242; unklar LG Berlin, ZMR 1991, 346; zur Erwähnung im Kündigungsschreiben bejahend Sternel, MietR, 3. Aufl., IV Rdnr. 103 und Schmidt-Futterer/Blank, B Rdnr. 713; wohl auch Beuermann, ZMR 1979, 97 (100)) und die Baugenehmigung (vgl. dazu verneinend, allerdings für den Fall einer Eigenbedarfskündigung, OLG Frankfurt, WuM 1992, 421; unklar Sternel, MietR, IV Rdnr. 103, der pauschal das Vorliegen öffentlichrechtlicher Genehmigungen verlangt). Die vorgelegten Rechtsfragen, die einen Teilaspekt der Problematik betreffen, waren bisher nicht Gegenstand eines Rechtsentscheids, auch nicht nur ihrem Inhalt nach. Der Rechtsentscheid des OLG Hamburg vom 25. 3. 1981 (RES § 564b BGB Nr. 6) bezieht sich auf die nach ihrer Funktion mit den hier in Frage stehenden baurechtlichen Genehmigungen nicht gleichzusetzende Zweckentfremdungsgenehmigung gem. Art. 6 § 1 MRVerbG (vgl. auch OLG Frankfurt, WuM 1992, 421). Der Rechtsentscheid des OLG Frankfurt vom 25. 6. 1992 (WuM 1992, 421) betrifft die Kündigung wegen Eigenbedarfs (§ 564b II Nr. 2 BGB).
2. Der Senat fasst die Fragen ohne Veränderung ihres rechtlichern Kerns (vgl. BayObLGZ 1989, 406 (409)) neu und beantwortet sie so, wie der Entscheidungssatz lautet.
Hierfür sind folgende Erwägungen maßgebend:
a) Gem. § 564b I BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Als ein berechtigtes Interesse ist es anzusehen, wenn er durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde (§ 564b II Nr. 3 S. 1 BGB). Diese Voraussetzungen können nach inzwischen ganz h. M. auch gegeben sein, wenn der Vermieter das Gebäude, in dem die vermietete Wohnung liegt, abreißen und durch einen Neubau ersetzen will (BayObLGZ 1983, 271 (274); vgl. Beuermann, ZMR 1979, 97; Franke, § 564b Anm. 27; Palandt/Putzo, BGB, 52. Aufl., § 564b Rdnr. 52; Emmerich/Sonnenschein, § 564b Rdnr. 56, jeweils m. w. Nachw.). In einem solchen Fall ist nicht, wie etwa bei der Kündigung nach § 564b II Nr. 1 BGB, ein im Zeitpunkt der Kündigungserklärung bereits objektiv vorliegender Lebenssachverhalt, sondern, wie bei der Eigenbedarfskündigung nach § 564b II Nr. 2 BGB, nur ein durch den Vermieter beabsichtigtes, also erst in der Zukunft zu verwirklichendes Vorhaben daran zu messen, ob es die Voraussetzungen des § 564b II Nr. 3 BGB erfüllt.
b) Nach soweit ersichtlich einhelliger Meinung ist die auf ein berechtigtes Interesse nach § 564b BGB gestützte Kündigung grundsätzlich nur wirksam, wenn die für das berechtigte Interesse maßgebenden Voraussetzungen (jedenfalls auch) im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung gegeben sind (vgl. OLG Karlsruhe, ZMR 1993, 335; Palandt/Putzo, BGB, 52. Aufl., § 564b Rdnr. 23; Schmidt-Futterer/Blank, Rdnrn. B 38 und B 714, jeweils m. w. Nachw.). Dies bedeutet in den hier fraglichen Fällen der Verwertungskündigung allerdings nicht, dass die beabsichtigte Verwertung bereits im Zeitpunkt der Kündigungserklärung ausführbar sein müsste. Denn der Gesetzgeber lässt als Kündigungsgrund bereits die Absicht der Verwertung in einer bestimmten Form genügen. Nach dem Gesetzeswortlaut muss der Vermieter durch das Bestehen des Mietverhältnisses an der (beabsichtigten) Verwertung gehindert sein. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn er das Vorhaben jedenfalls ab dem Zeitpunkt, zu dem das Mietverhältnis durch die Kündigung beendet wird, verwirklichen kann und will. Dies entspricht der ganz herrschenden Auffassung im Rahmen der – ebenfalls auf eine bestimmte Nutzungsabsicht des Vermieters gegründeten – Eigenbedarfskündigung. Auch dort genügt es nach h. M., wenn das Erlangungsinteresse für den Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses gegeben ist, also die die Grundlage des Erlangungsinteresses bildenden Umstände im Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses mit einiger Sicherheit vorliegen werden (BayObLGZ 1982, 135 (139); Grapentin, in: Bub/Treier, Hdb. d. Geschäfts- und Wohnraummiete, IV Rdnr. 74; Franke, § 564b BGB Anm. 15; vgl. auch v. Stebut, NJW 1985, 289 (293)). Die Kündigung „auf Vorrat“, also eine Kündigung, bei der der Wille, den Wohnraum im Anschluss an die Beendigung des Mietverhältnisses alsbald in der angegebenen Weise zu nutzen, nicht feststeht, wird hingegen für unzulässig gehalten (Schmidt-Futterer/Blank, B Rdnr. 622; Emmerich/Sonnenschein, § 564b Rdnr. 28). Auch der in § 564b II Nr. 4 S. 3 BGB zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke spricht für diese Auslegung. Der Gesetzgeber geht dort für einen Fall, in dem er eine bestimmte Verwertungsabsicht des Vermieters für die Kündigung genügen lässt, davon aus, dass im Zeitpunkt der Kündigungserklärung zwar die vorgesehene Verwertung noch nicht in einer Weise gesichert sein muss, die eine Verzögerung praktisch ausschließt, er setzt aber doch voraus, dass diese Absicht alsbald nach Beendigung des Mietverhältnisses durch die Kündigung in die Tat umgesetzt werden kann und soll. Nach Ansicht des Senats muss es auch für die Verwertungskündigung nach § 564b II Nr. 3 BGB genügen, wenn nach den Umständen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mit einiger Sicherheit festgestellt werden kann, dass der Vermieter die beabsichtigte Verwertung im Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses durch die Kündigung alsbald verwirklichen kann und auch verwirklichen will.
c) Eine solche Prognose ist nur möglich, wenn die vom Vermieter verfolgte Planung im Zeitpunkt der Kündigung bereits so weitgehend konkretisiert ist, dass beurteilt werden kann, ob ihre Verwirklichung den Maßstäben des § 564b II Nr. 3 BGB entspricht (vgl. auch Emmerich/Sonnenschein, § 564b Rdnr. 56). Nur dann wird der Mieter in die Lage versetzt zu beurteilen, ob die Kündigung rechtens ist oder nicht, nur dann kann das Gericht über die Berechtigung der Kündigung entscheiden, wenn der Vermieter bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 18. Aufl., § 259 Rdnr. 2) gem. § 259 ZPO Klage auf Räumung erhebt. Welche Anforderungen an diese Konkretisierung im einzelnen zu stellen sind, wird zum einen von der Art der beabsichtigten Verwertung abhängen, insbesondere davon, ob die Verwertung auf verhältnismäßig einfache Weise möglich ist (etwa durch Veräußerung des Grundstücks) oder einer längeren und intensiven Planung bedarf (wie z. B. die Neuerrichtung eines Gebäudes). Darüber hinaus kann nicht außer Betracht bleiben, dass, wie sich auch im vorliegenden Fall zeigt, nach der Kündigung bis zur tatsächlichen Beendigung des Mietverhältnisses noch erhebliche Zeit verstreichen kann. Es wäre daher dem Vermieter nicht zumutbar, die Ausführung seines Vorhabens verbindlich auf den Zeitpunkt festzulegen, zu dem das Mietverhältnis nach Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist enden würde.
d) Nach diesen Grundsätzen ist auch zu entscheiden, ob bei einer Kündigung, der die Absicht zugrunde liegt, das Gebäude mit dem (noch) vermieteten Wohnraum abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung die Abbruchgenehmigung für das alte und die Baugenehmigung für das neue Gebäude vorliegen müssen.
aa) Liegen diese Genehmigungen vor, so bilden sie jedenfalls eine ausreichende Grundlage für die erforderliche Konkretisierung des Vorhabens. Darüber hinaus können sie ein wesentliches Indiz dafür sein, dass der Vermieter sein Vorhaben mit Nachdruck verfolgt und alsbald nach Beendigung des Mietverhältnisses ins Werk setzen will (vgl. auch Franke, § 564b BGB Anm. 27 m. w. Nachw. zum Streitstand).
bb) Andererseits kann aus dem Fehlen der Genehmigungen nicht geschlossen werden, dass der Vermieter seine Planungen nicht alsbald nach Beendigung des Mietverhältnisses verwirklichen will und kann.
(1) Nach ganz h. M. kann ein berechtigtes (Erlangungs-) Interesse nach § 564b I BGB nur für solche Formen der Nutzung und Verwertung des vermieteten Wohnraums bejaht werden, denen ein rechtliches Hindernis nicht entgegensteht (vgl. OLG Frankfurt, WuM 1992, 421 (422) m. w. Nachw.). Der Beginn der Abrissarbeiten und der Beginn der Arbeiten für den Neubau ohne das Vorliegen einer entsprechenden Genehmigung wären jedoch formal rechtswidrig, denn mit der Ausführung dieser Vorhaben darf jeweils erst nach Zustellung der entsprechenden Genehmigung begonnen werden (vgl. für Bayern Art. 74 VIII i. V. mit Art. 65 S. 1 BayBO). Maßgebend für die Frage des Erlangungsinteresses ist jedoch nicht, ob diese formalen Voraussetzungen für den Beginn der Arbeiten bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vorliegen. Nach den oben dargelegten Grundsätzen genügt es vielmehr, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung mit einiger Sicherheit festgestellt werden kann, dass die für die Durchführung der Vorhaben erforderlichen baurechtlichen Genehmigungen zu dem Zeitpunkt vorliegen werden, zu dem sie bei planmäßiger Durchführung benötigt werden. Ob eine solche Erwartung gerechtfertigt ist, ist Tatfrage und kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles entschieden werden (vgl. auch BayObLGZ 1982, 135 (139) für die Eigenbedarfskündigung). Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass baurechtliche Genehmigungen unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt werden (vgl. für Bayern Art. 74 VI BayBO), und dass ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer solchen Genehmigung besteht, wenn das Vorhaben öffentlichrechtlichen Vorschriften nicht widerspricht (Art. 74 I BayBO).
(2) Für die Abbruchgenehmigung ist ferner zu beachten, dass die baurechtlichen Vorschriften in aller Regel lediglich Anforderungen hinsichtlich der Art und Weise des Abbruchs aufstellen (z. B. Art. 15 S. 2 BayBO, vgl. auch BayVGH, BayVBl 1970, 406). Daher wird regelmäßig mit der Erteilung einer solchen Genehmigung gerechnet werden können, wenn nicht Anhaltspunkte gegeben sind, die die Zulässigkeit des Abbruchs auch materiellrechtlich in Frage stellen, etwa weil dieser ausnahmsweise zusätzlich einer besonderen Erlaubnis (z. B. nach Art. 6 I DenkmSchG, nach § 172 DenkmSchGr nach Art. 6 § 1 MRVerbG) bedarf, oder weil eine Veränderungssperre (vgl. § 14 I Nr. 1 BauGB) besteht (vgl. Koch/Molodovsky/Rahm, BayBO, Art. 12 Anm. 3).
(3) Hinsichtlich der Genehmigung des Neubaus wird von Bedeutung sein, dass es der Bauherr in der Regel in der Hand hat, durch eine Anpassung seiner Planungen an die baurechtlichen Erfordernisse eine solche Genehmigung zu erhalten. Entscheidend wird daher vor allem sein, ob dem Vorhaben insgesamt, nicht nur seiner Gestaltung im einzelnen öffentlichrechtliche Hindernisse entgegenstehen (z. B. weil eine Bausperre besteht), und ob das Vorhaben unter den Aspekten, die für die Prüfung der Angemessenheit der Verwertung i. S. von § 564b II Nr. 3 BGB bedeutsam sind (insbesondere also nach Art und Umfang der geplanten baulichen Nutzung), genehmigungsfähig ist. Liegt bereits ein Vorbescheid vor, der die Realisierbarkeit des Vorhabens zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses unter diesen Aspekten bestätigt, werden in aller Regel Zweifel daran, dass das Vorhaben unter dem Gesichtspunkt der baurechtlichen Zulässigkeit alsbald nach Beendigung des Mietverhältnisses verwirklicht werden kann, nicht angebracht sein.
(4) Für die hier vertretene Auffassung sprechen auch die im Rechtsentscheid des OLG Frankfurt vom 25. 6. 1992 dargelegten praktischen Erwägungen (vgl. WuM 1992, 421 (423)). Der tatsächliche Ablauf, der den Planungen des Vermieters zugrunde liegt, ist derselbe unabhängig davon, ob die endgültig angestrebte Nutzung des neu entstehenden Wohnraums durch den Vermieter selbst bzw. die in § 564b II Nr. 2 BGB genannten Personen erfolgen soll (so der durch das OLG Frankfurt entschiedene Fall) oder in der Vermietung der neu errichteten Wohnräume liegt (so der hier zu entscheidende Fall).
(5) Mit dem OLG Frankfurt (WuM 1992, 421) ist der Senat ferner der Ansicht, dass die zur Zweckentfremdungsgenehmigung nach Art. 6 § 1 MRVerbG durch das OLG Hamburg vertretene Auffassung (vgl. RES § 564b BGB Nr. 6) nicht auf Fälle übertragen werden kann, in denen für die Verwirklichung des für die Kündigung maßgebenden Vorhabens lediglich baurechtliche Genehmigungen erforderlich sind. Die hierfür maßgebenden Gründe sind in dem Rechtsentscheid des OLG Frankfurt (WuM 1992, 421) überzeugend dargelegt.
e) Wie dargelegt wird es, von im vorliegenden Rechtsstreit offensichtlich nicht gegebenen Ausnahmefällen abgesehen, nicht erforderlich sein, dass die bauordnungsrechtliche Abbruchgenehmigung bereits im Zeitpunkt der Kündigungserklärung vorliegt. Dann aber kann auch nicht gem. §§ 564a I 2, 564b III BGB verlangt werden, dass in den Gründen des Kündigungsschreibens auf eine solche Genehmigung hingewiesen wird, falls sie im Zeitpunkt der Kündigung bereits vorliegen sollte. Denn der Vermieter ist, sofern man die Begründungspflicht nicht ohnehin auf diejenigen Angaben beschränkt, die zur Identifizierung des Kündigungsgrundes und zur Abgrenzung gegenüber anderen Kündigungsgründen erforderlich sind (vgl. BayObLGZ 1981, 232 (240)), allenfalls zur Angabe solcher ergänzender Umstände verpflichtet, die für die Wirksamkeit der Kündigung und damit für die Einschätzung des Mieters über deren Berechtigung von Bedeutung sein können (vgl. auch BVerfG, WuM 1992, 178).