Berliner Mieter in Sorge: Vinyl-Asbest-Platten in Wohnungsbeständen
Im Bestand der landeseigenen Wohnungsunternehmen Berlins gibt es rund 90.000 Wohnungen mit asbesthaltigen Bodenbelägen. Seit 2000 sind bereits rund 38.000 Wohnungen asbestsaniert worden. Erfolgt die Sanierung nicht fachgerecht, drohen den Mietern erhebliche Gesundheitsgefahren.
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. hat eine Reihe von Fakten zu den wichtigsten Fragen zusammengestellt.
Von den 60er bis in die 80er Jahre waren asbesthaltige Materialien ein selbstverständlicher Baustoff. Mit Bekanntwerden seiner potenziell nachteiligen Eigenschaften setzte die Auseinandersetzung mit der auch für die Wohnungsunternehmen völlig unstrittigen Notwendigkeit von Asbestsanierungen ein. Nach Jahren reibungslosen Ausbaus schadhafter Einzelplatten oder ganzer Bodenbeläge aus Wohnungen der landeseigenen Wohnungsunternehmen ist das öffentliche Interesse an sog. “Vinyl-Asbest-Platten” in den letzten Monaten wieder gestiegen.
Stellen asbesthaltige Bodenplatten ein Gesundheitsrisiko dar?
Die Asbestfasern sind in den Platten fest gebunden. Das gilt auch für den bei einigen Bodenbelägen verwendeten asbesthaltigen Kleber. Unbeschädigte Bodenplatten stellen deshalb für die Mieterinnen und Mieter keine Gefährdung dar. Das hat auch das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LAGetSi) am 11. Juli 2012 in einem Merkblatt klargestellt.
Müssen Platten und Kleber ausgebaut werden?
Da die Asbestfasern in ihnen in unbeschädigtem Zustand fest gebunden sind, werden Platten und Kleber den sog. “festgebundenen Asbestprodukten” zugeordnet. Das heißt: Bei ihnen sind die Fasern fest in Kunststoff eingebettet. Anders als für die “leichtgebundenen Asbestprodukte” (z.B. im ehemaligen “Palast der Republik”) besteht für sie deshalb kein gesetzliches Ausbaugebot.
Was passiert mit beschädigten Platten?
Bei Beschädigung einzelner Platten ist eine Instandsetzung möglich. Hierzu stellt das LAGetSi in seinem Merkblatt fest: “Unter lnstandhaltungsarbeiten fallen die erforderlichen Nebenarbeiten, wie z. B. Ausbessern von Beschädigungen. Instandhaltungsarbeiten sind also kleinere Ausbesserungsarbeiten, das Auswechseln einzelner defekter Platten um den bereits bestehenden Fußbodenbelag wieder nutzbar zu machen”. Nur bei großflächig beschädigten asbesthaltigen Bodenbelägen kann ein vollständiger Ausbau notwendig werden. Die Einschätzung hierzu trifft das mit den Arbeiten beauftragte Fachunternehmen zusammen mit dem LaGetSi.
Wie ist das Sanierungsverfahren?
Um den Aufwand für die Mieterinnen und Mieter gering zu halten, sind die Vermieter darauf angewiesen, dass ihm eventuell beschädigte Bodenplatten so schnell wie möglich gemeldet werden. Auf dieser Grundlage kann er dann ein zertifiziertes Unternehmen mit der Begutachtung beauftragen. Um diesen Informationsfluss zu gewährleisten und noch effizienter zu machen, wollen die landeseigenen Wohnungsunternehmen ihre Mieterinnen und Mieter bald umfassend über die Problematik informieren.
Auf welchen Grundlagen erfolgt der Ausbau heute?
Bis Juli 2012 galt in Abstimmung mit dem LAGetSi die Vorgabe, dass die Bodenplatten fachgerecht ausgebaut und eventuell asbesthaltiger Kleber mit einer dichten Epoxidharzversiegelung versiegelt würden. Dieses Verfahren führte nicht nur zu nachweisbar sehr guten Ergebnissen, sondern war vor allem auch für die Mieterinnen und Mieter vergleichsweise aufwandsarm. Seit Mitte 2012 hat das LAGetSi eine Änderung der Gefahrstoffverordnung allerdings dahingehend interpretiert, dass Platten und Kleber nunmehr als Einheit zu betrachten seien. Entsprechend muss nun auch der Kleber ausgebaut werden. Allerdings geht bei asbesthaltigem Bodenbelag rund 95 Prozent des Asbests auf das Konto der Platten, nur fünf Prozent sind im Kleber gebunden.
Welche Folgen hat die Verschärfung der Ausbau-Vorgaben?
Durch die verschärften Anforderungen des LAGetSi haben sich die Kosten für den Ausbau von Vinyl- Asbest-Platten seit dem letzten Jahr nahezu verdreifacht. Hinzu kommen gestiegene Kosten für die Entsorgung. Bereits nach den momentanen Vorgaben ist der weitere Ausbau von Vinyl-Asbest-Platten aus den Beständen der städtischen Wohnungsunternehmen ein enormer finanzieller Kraftakt, ohne dass dieser Mehraufwand einen wissenschaftlich nachprüfbaren Nutzen ergäbe. Darüber hinaus zeigen die Erfahrungen, die unsere Mitgliedsunternehmen seit Juli 2012 mit den neuen Ausbauverfahren gesammelt haben, dass der Einsatz von Personenschleusen, Unterdrucksystemen und Absaugausrüstung in bewohnten Wohnungen nicht praktikabel ist. Ein weiterer, rasch wichtiger werdender Aspekt ist die Marktsituation bei den Asbest-Sanierungs-Unternehmen: Auf diesem spezialisierten Markt gibt es nur wenige Anbieter – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Preisentwicklung und den zeitlichen Bedarf für die Abarbeitung einzelner Aufträge.
Welche Kosten sind mit dem neuen Verfahren verbunden?
Für die folgenden Berechnungen wurde für die noch betroffenen rund 48.000 Wohnungen eine Durchschnittsgröße von 65 qm als Mittel angenommen. Nicht eingerechnet sind hier die Kosten, die den Wohnungsunternehmen durch Umzugsmanagement und Umsetzungswohnungen entstehen.
Pro Quadratmeter entstehen für den Ausbau von asbesthaltigem Bodenbelag:
– Ausbau der Platten: 40 Euro
– Abschleifen des Klebers: 52,- Euro (bei Sanierung mehrerer ähnlicher Wohnungen), 92 Euro (bei Sanierung von Einzelwohnungen)
– Einbau neuer Belag: 25 Euro
Hieraus ergeben nach dem alten Ausbauverfahren Kosten von rund 125 Millionen Euro entstehen. Durch die neuen Vorgaben könnten diese Kosten auf schätzungsweise rund 350 Millionen Euro steigen. In beiden Fällen kommen noch rund 78 Millionen Euro für die Herstellung des neuen Bodenbelags hinzu. Zum Vergleich: Bei einem Eigenkapitalanteil von 20 Prozent könnten hiervon rund 20.000 neue Wohnungen finanziert werden.
Wie können die aktuellen Gerichtsurteile bewertet werden?
In den Urteilen des Berliner Landgerichtes vom Dezember 2012 und Januar 2013 im Zusammenhang mit Vinyl-Asbest-Platten geht es um einen Einzelfall: Den eines Mieters aus Charlottenburg, die beide von derselben Kammer entschieden worden sind. Weitere Fälle, in denen Wohnungsnutzer ihre Vermieter wegen dieser Problematik erfolgreich verklagt haben, sind dem BBU nicht bekannt. Darüber hinaus ist eines des beiden Urteile noch nicht rechtskräftig.
Wäre ein “Gefahrstoffkataster” eine Lösung?
Ein “Gefahrstoffkataster” wäre gesetzlich definiert und an genaue Vorgaben gebunden. Bei Erstellungskosten von rund 1.400 Euro je Wohnung würden dadurch für seine Erstellung für die ca. 300.000 Wohnungen der landeseigenen Wohnungsunternehmen Kosten von rund 420 Millionen Euro entstehen. Als sinnvollere Alternative wird derzeit die Einführung eines “Sanierungsregisters” diskutiert, mit dem gezielt potenziell asbestbelastete Wohnungen erfasst werden könnten.
QUELLE: lifePR / Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. (BBU)