BGH, Revisionsurteil vom 27. Oktober 2005, III ZR 31/05
Kleingarteneigenschaft einiger weniger Parzellen mit Verbindungsweg
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
27. 10. 2005
Aktenzeichen
III ZR 31/05
Leitsatz des Gerichts
Zur Anzahl von Gärten, die für das Bestehen einer Kleingartenanlage nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG erforderlich ist.
Ein schmaler und kurzer Stichweg, der eine geringe Zahl von kleingärtnerisch genutzten Parzellen (hier: sieben) erschließt, ist keine gemeinschaftliche Einrichtung, die allein geeignet ist, den Gärten den Charakter einer Kleingartenanlage zu verleihen.
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 20. Januar 2005 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 8. Oktober 2002 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu 1 und 4 zu je einem Drittel sowie die Kläger zu 2 und 3 zu je einem Sechstel zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Tatbestand:
Die Kläger schlossen in den Jahren 1982 und 1985 mit dem Rat der Gemeinde E. Verträge über die gärtnerische Nutzung von drei Parzellen. Diese befinden sich mit vier weiteren Gärten auf einem Grundstück, das im Eigentum des Beklagten steht. Diese Flächen sind von weiteren gärtnerisch bewirtschafteten Parzellen, die nicht dem Beklagten gehören, umgeben. Die von den Klägern genutzten Flächen liegen mit den vier weiteren im Eigentum des Beklagten befindlichen an einem Stichweg, der vom Feldweg “L. ” abgeht und an dessen Ende sich in einer Verbreiterung ein PKW-Stellplatz für zwei Fahrzeuge befindet.
Die Kläger zahlten dem Beklagten ab 1995 Pachtzins auf der Grundlage der Nutzungsentschädigungsverordnung unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Sie sind der Auffassung, die Pachtverhältnisse unterlägen dem Bundeskleingartengesetz. Sie verlangen deshalb die Feststellung der Kleingarteneigenschaft der von ihnen genutzten Parzellen und die Rückzahlung der Differenz zwischen dem unter Anwendung des Bundeskleingartengesetzes geschuldeten Pachtzins und den tatsächlich entrichteten Beträgen.
Die Klage war in den Vorinstanzen erfolgreich. Mit seiner von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision ist begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass es sich bei den von den Klägern genutzten Parzellen im Rechtssinn um Kleingärten handele. Die Flächen seien am 3. Oktober 1990 überwiegend kleingärtnerisch genutzt worden. Sie befänden sich auch in einer Anlage gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG. Als Kleingartenanlage nach dieser Bestimmung sehe die Kammer jedoch nur die auf dem Grundstück des Beklagten befindlichen sieben Parzellen an. Diese wiesen nach ihrem Gesamteindruck den Charakter einer Kleingartenanlage auf. Die gemeinsame Erschließung durch einen Stichweg nebst dem am Ende dieses Weges vorhandenen überdachten PKW-Stellplatz vermittelten den Eindruck der Zusammengehörigkeit. Als gemeinschaftliche Anlage sei der Weg vorhanden. Eine die Einzelgärten zusammenfassende Einfriedung gebe es zwar nicht. Jedoch gingen die einzelnen Zäune im Außenbereich in einander über, so dass zumindest optisch der Eindruck einer gemeinsamen Einfriedung der auf dem Grundstück des Beklagten gelegenen Gartenparzellen entstehe.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Der Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten (§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB), der in die mit dem Rat der Gemeinde E. begründeten Pachtverhältnisse eingetreten ist, setzt voraus, dass es sich bei den von den Klägern genutzten Parzellen um Kleingärten im Sinne des § 1 Abs. 1 BKleingG handelt. Gleiches gilt für das Feststellungsbegehren.
1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach die Parzellen der Kläger nur dann als Kleingärten einzuordnen sind, wenn sie am 3. Oktober 1990 Bestandteil einer Kleingartenanlage waren (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG). Bei der Feststellung, ob dies der Fall war, hat das Berufungsgericht der Tatsache, dass die Flächen in den 1982 und 1985 geschlossenen Pachtverträgen nicht ausdrücklich zur kleingärtnerischen Nutzung überlassen wurden, richtigerweise keine Bedeutung beigemessen. Wie der Senat in seinen Urteilen vom 24. Juli 2003 (BGHZ 156, 71, 73 ), vom 6. März 2003 (BGHZ 154, 132, 135) und vom 16. Dezember 1999 (III ZR 89/99 – WM 2000, 779, 782) bereits im einzelnen dargelegt hat, richtet sich die Anwendbarkeit des Bundeskleingartengesetzes unabhängig davon, welchen vertraglichen Bestimmungen das Pachtverhältnis unter Geltung des DDR-Rechts unterworfen war, nach den tatsächlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 (siehe ferner Senatsurteile BGHZ 159, 343, 344 und vom 18. März 2004 – III ZR 180/03 – NZM 2004, 438, 439).
2. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen jedoch seine Annahme nicht, die von den Klägern genutzten Parzellen gehörten zu einer Kleingartenanlage.
a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, lediglich die auf dem Grundstück des Beklagten belegenen sieben Pachtflächen seien als Kleingartenanlage anzusehen. Das nehmen beide Parteien in der Revisionsinstanz hin, so dass der Senat dies seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen hat.
b) Eine Kleingartenanlage setzt voraus, dass mehrere Einzelgärten mit gemeinschaftlichen Einrichtungen zusammengefasst sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG).
aa) Wie viele einzelne Kleingärten vorhanden sein müssen, um eine Anlage bilden zu können, ist im Gesetz nicht geregelt. Der Gesetzgeber hat auf die Bestimmung der Größe der Kleingartenanlage bewusst verzichtet und dies der Planung vor Ort überlassen, um die notwendige Flexibilität und die Anpassung an die örtlichen Verhältnisse zu gewährleisten (Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Bundeskleingartengesetzes BT-Drs. 9/1900, S. 13). Als optimale Größe von Kleingartenanlagen werden 50 bis 150 Parzellen angenommen (Mainczyk, Bundeskleingartengesetz, 8. Aufl., § 1 Rn. 10 m.w.N.), ohne dass mindestens 50 Gärten für das Vorliegen einer Anlage im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG gefordert werden können. In der Literatur werden hierfür wenigstens fünf Pachtparzellen für erforderlich gehalten (Otte in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg, BauGB, Teil H, § 1 BKleingG Rn. 10 [Stand: November 1997]; Stang, Bundeskleingartengesetz, 2. Aufl., § 1 Rn. 14). Dem tritt der Senat insofern bei, als dies die absolute Untergrenze darstellt. Wenn nur eine geringe Anzahl von Kleingärten, etwa weniger als 20, vorliegt, kann es im Einzelfall zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen (Mainczyk aaO). In diesen Fällen gewinnen die übrigen Gesichtspunkte, die zur Feststellung einer Anlage nach § 1 Abs.1 Nr. 2 BKleingG heranzuziehen sind, besondere Bedeutung.
bb) Zu diesen Kriterien gehört notwendig das Vorhandensein von gemeinschaftlichen Einrichtungen.
(1) Das Berufungsgericht hat insoweit den Stichweg, der die auf dem Grundstück des Beklagten liegenden Gartenparzellen erschließt, als ausreichend erachtet. Dem ist nicht zu folgen. Zwar sind Wege – in der Regel unverzichtbare (Mainczyk aaO, § 1 Rn. 11; Otte aaO, § 1 BKleingG Rn. 11) – gemeinschaftliche Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG, sofern sie sich innerhalb des Areals befinden oder, wenn sie außerhalb der Anlage liegen, es sich um nichtöffentliche Wege handelt, die nur der Erschließung der Einzelgärten dienen (Mainczyk aaO; Stang aaO, § 1 Rn. 16). Ob es genügen kann, wenn in einem Gartengebiet als gemeinschaftliche Einrichtung nur Wege vorhanden sind, um eine Kleingartenanlage anzunehmen (vgl. Mainczyk aaO), braucht im vorliegenden Fall nicht abschließend entschieden zu werden. Dies gilt jedenfalls dann nicht, wenn, wie hier, lediglich eine einzige kurze und schmale Stichgasse vorhanden ist, die allein der Erschließung einer geringen Anzahl von Kleingärten und dem Abstellen von bis zu zwei Fahrzeugen dient.
In aller Regel sind Gärten nur nutzbar, wenn sie durch einen Weg erschlossen werden. Dies gilt für alle gärtnerisch bewirtschafteten Flächen gleichermaßen, und zwar unabhängig davon, ob sie dem Bundeskleingartengesetz unterliegen oder nicht. Ein Weg, dessen Funktion sich im Wesentlichen in der Ermöglichung des Zugangs zu einzelnen Parzellen erschöpft, ist daher kein spezifisches Merkmal einer Kleingartenanlage; er allein vermag deshalb nicht, einem Gartenareal den besonderen Charakter einer Kleingartenanlage zu verleihen (anders möglicherweise Beschlussempfehlung und Bericht des Bundestagsausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zum Entwurf des Bundeskleingartengesetzes, BT-Drucks. 9/2232 S. 17, der aber wohl ein Wegenetz im Blick hatte).
(2) Eine andere gemeinschaftliche Einrichtung, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG erfüllt, ist nach den insoweit zutreffenden und von der Revisionserwiderung nicht gerügten Feststellungen des Berufungsgericht nicht vorhanden.
Eine gemeinsame Wasserversorgung, die eine gemeinschaftliche Einrichtung darstellen kann (Mainczyk aaO, § 1 Rn. 14b und Stang aaO, § 1 Rn. 15; anderer Ansicht: Otte aaO, § 1 BKleingG Rn. 11), besteht nach dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme nicht.
Die vorhandenen Einfriedungen hat das Berufungsgericht zutreffend nicht als gemeinschaftliche Einrichtung qualifiziert. Dies scheidet aus, weil die Gärten jeweils einzeln eingezäunt sind. Der nach außen vermittelte optische Eindruck einer gemeinsamen Einfriedung ist rechtlich nicht maßgebend, da hiermit allenfalls der Anschein einer gemeinschaftlichen Einrichtung erweckt wird, der überdies lediglich darauf zurückzuführen ist, dass sich jeder einzelne Pächter dazu entschlossen hat, seine eigene Einfriedung auf die seiner Nachbarparzelle abzustimmen.
Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das Berufungsgericht den PKWStellplatz nicht als gemeinschaftliche Einrichtung angesehen hat. Es handelt sich dabei lediglich um eine geringfügige Verbreiterung des letzten Wegstücks, das, wie das Berufungsgericht – nahe liegend – angenommen hat, nur von den Pächtern der beiden am Ende des Grundstücks des Beklagten liegenden Parzellen als Parkmöglichkeit genutzt wird.
Auch die von den Klägern behauptete gemeinsame Elektrizitätsversorgung kann nicht als Einrichtung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG eingeordnet werden. Dies würde voraussetzen, dass die Anlage als solche, nicht aber die jeweiligen Einzelgärten mit Strom versorgt werden. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn auf Wegen Anschlüsse hergestellt werden, die keiner Parzelle zugeordnet sind (vgl. Mainczyk aaO, Rn. 14d). Der Sachvortrag der Kläger bietet keinen Anhalt dafür, dass diese Voraussetzung hier erfüllt ist.