BVerwG, vom 1. Oktober 1980, 7 C 21/78
Unrichtige Wiedergabe von Umlauten durch Computer als wichtiger Grund für Namensänderung
Gericht
BVerwG
Datum
01. 10. 1980
Aktenzeichen
7 C 21/78
Leitsatz des Gerichts
Unzuträglichkeiten und Schwierigkeiten im Rechtsverkehr, die sich aus der technisch bedingten unrichtigen Schreibweise von Umlauten im Familiennamen ergeben, können eine Namensänderung rechtfertigen.
Tatbestand
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. wollte im Wege der Namensänderung seinen Familiennamen Götz mit dem Umlaut „ö” in Goetz mit den Buchstaben „oe“ geändert haben. Er wies hierzu darauf hin, neuzeitliche Datenverarbeitungsanlagen, programmierbare Organisationssysteme und elektronische Schreib- und Buchungsautomaten hätten erheblichen Einfluss auf das Geschäftsleben genommen, wodurch sich das Erscheinungsbild des Schriftverkehrs bis hin zur Schreibweise des Namens geändert habe. Statt der Umlaute „ä”, „ö”, „ü” würden die Buchstaben „ae“, „oe“ und „ue“ verwendet mit der Folge, dass auch Familiennamen nicht mehr in der standesamtlich festgelegten Schreibweise wiedergegeben werden könnten. Er selbst erhalte wöchentlich 10 bis 15 Briefe, in denen von der amtlichen Schreibweise seines Namens abgewichen werde. Dies erscheine ihm auf Dauer unzumutbar.
Die nach Ablehnung des Antrags auf Namensänderung erhobene Klage hatte in der Revisionsinstanz Erfolg.
Entscheidungsgründe
Auszüge aus den Gründen:
Die zulässige Revision des Kl. ist begründet und führt zur Verpflichtung des Bekl., den Familiennamen des Kl. „Götz“ in „Goetz“ zu ändern.
1. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung des § 3 I NamensÄndG vom 5. 1. 1938 (RGBl I, 9) und ist aus diesem Grunde aufzuheben.
a) Zu Recht ist das BerGer. allerdings davon ausgegangen, dass der Kl. sein Klageziel, die Führung des Familiennamens Goetz, nur im Wege einer Namensänderung nach dem – Bundesrecht gewordenen (vgl. BVerwGE 1, 138 = NJW 1955, 358) – Gesetz vom 5. 1. 1938 erreichen kann. Auch die Änderung lediglich der Schreibweise des Namens ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BVerwGE 40, 353 = NJW 1973, 957) eine Namensänderung, die im Geltungsbereich des Namensänderungsgesetzes nur durch Verwaltungsakt möglich ist. Insofern erstrebt der Kl. mit seinem Klageantrag zu Recht eine Verpflichtung des Bekl. zur Namensänderung. Es mag sein, dass angesichts der technischen Entwicklung in der Wiedergabe von Namen heute der Austausch von „ö” in „oe“ im Namen nicht mehr als Namensänderung empfunden wird – wie der Kl. vorträgt -, in rechtlicher Hinsicht bleibt er es dennoch.
Eine Namensänderung scheitert entgegen der Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts auch nicht etwa daran, dass es sich bei dem Klagebegehren um eine generelle Frage der Rechtschreibung handele, die nur der Gesetzgeber, nicht dagegen die Verwaltungsbehörde regeln könne. Denn eine solche generelle Frage ist in der vorliegenden Sache nicht zu entscheiden. Dies folgt daraus, dass es auch bisher schon sowohl die Schreibweise mit dem Umlaut als auch diejenige mit der Buchstabenfolge „oe“ gibt. Danach geht es nicht darum, die Umlaute künftig durch die beiden Buchstaben „oe“, „ae“ und „ue“ zu ersetzen, sondern allein darum, ob eine gebräuchliche Schreibweise in eine bisher ebenfalls schon mögliche Schreibweise geändert werden soll.
b) Das BerGer. verneint jedoch zu Unrecht das Vorliegen eines wichtigen Grundes i. S. des § 3 I NamensÄndG für die vom Kl. beantragte Namensänderung. Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ergibt sich nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats aus einer Interessenabwägung, bei der zu prüfen ist, ob das schutzwürdige Interesse des Ast. an der Namensänderung so wesentlich ist, dass die Belange der Allgemeinheit, die in der Regel die Beibehaltung des bisherigen Namens fordern (BVerwGE 22, 312 (313)), zurücktreten müssen (vgl. BVerwGE 15, 26 (27 f.) = NJW 1963, 362 und BVerwGE 15, 183 (184) = NJW 1963, 604; BVerwGE 31, 28 (33); st. Rspr.); dabei können die öffentlichen Interessen mit unterschiedlicher Intensität einer Namensänderung entgegenstehen (vgl. BVerwG, Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 22 = StAZ 1970, 76). Was der Kl. im Rahmen dieser Interessenabwägung an Gründen für eine Namensänderung vorträgt, ist zwar nicht von besonderem Gewicht, genügt aber angesichts des in der gegebenen Situation geringen öffentlichen Interesses an der Beibehaltung des bisherigen Namens noch, um ein die öffentlichen Belange überwiegendes, schutzwürdiges Interesse des Kl. zu bejahen.
Ein schutzwürdiges Interesse des Kl. folgt aus den besonderen Verhältnissen, die sich daraus ergeben, dass der Umlaut „ö” durch moderne, heute in größerem Umfange verwendete, elektronische Datenverarbeitungsanlage und elektronische Schreib- und Buchungsautomaten weitgehend mit „oe“ wiedergegeben wird. Die unzutreffende Wiedergabe des Namens kann – jedenfalls bei einem umfangreichen Schriftverkehr wie dem des Kl. – Verwirrung stiften und zu Unzuträglichkeiten führen. Sie kann zur Folge haben, dass der Name des Kl. nunmehr auch sonst unzutreffend mit „oe“ geschrieben wird. Gegen die mit elektronischen Anlagen hergestellte, unrichtige Schreibweise seines Namens kann sich der Kl. regelmäßig nicht wehren. Dafür ist das vom Kl. und vom Oberbundesanwalt herangezogene Urteil des erkennenden Senats vom 31. 1. 1969 (BVerwGE 31, 236) von Bedeutung; nach dieser Entscheidung verletzt es weder Grundrechte noch Persönlichkeitsrechte des Namensträgers, wenn die Deutsche Bundespost in Fernsprechrechnungen, die mit elektronischen Datenverarbeitungsanlagen hergestellt sind, den Umlaut „ö” im Namen des Empfängers mit „oe“ wiedergibt; der Betreffende muss diese Schreibweise hinnehmen. Kann der Kl. danach gegen die unrichtige Schreibweise seines Namens mittels elektronischer Anlagen nichts unternehmen, so muss ihm ein Interesse daran zugebilligt werden, sein Namensrecht und die faktische Handhabung der Schreibweise seines Namens in Einklang zu bringen. Hierzu ist nicht notwendig, dass die unrichtige Schreibweise eine Rechtsverletzung darstellt; es genügt vielmehr, dass sich für den Kl. aus der technisch bedingten unrichtigen Schreibweise seines Namens Unzuträglichkeiten und für den Rechtsverkehr Schwierigkeiten insofern ergeben, als jetzt der richtige Name des Kl. nicht sicher festzustellen ist.
Dass derartige Unzuträglichkeiten und Schwierigkeiten bei der Schreibweise des Namens für eine Namensänderung ausreichen können, ergibt sich auch aus Nr. 38 der am 1. 1. 1981 in Kraft tretenden Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 11. 8. 1980 (BAnz Nr. 153 v. 20. 8. 1980, Beil. 26/80). Dort ist vorgesehen, dass bei – freilich aus anderen Gründen, nämlich Eintragungen in den Personenstandsregistern, entstandenen – Schwierigkeiten durch abweichende Schreibweisen eines Umlauts im Namen eine Namensänderung gerechtfertigt sein kann.
Ein schutzwürdiges Interesse des Kl. lässt sich entgegen der Ansicht des BerGer. nicht mit der Begründung verneinen, auch nach der beantragten Namensänderung könne es, da die Schreibweise mit dem Umlaut „ö” die Regel sei, noch zu Missverständnissen über den Namen des Kl. kommen. Denn bei der beantragten Namensänderung geht es nur darum, den Familiennamen mit der technisch bedingten – unrichtigen – Schreibweise des Namens in Übereinstimmung zu bringen. Hierfür kann es nach der Ansicht des erkennenden Senats keine Rolle spielen, dass in der Zukunft in einzelnen Bereichen möglicherweise technische Anlagen zur Verfügung stehen, die Umlaute richtig wiedergeben können; denn es ist nicht zu erkennen, dass dies in größerem Umfang schon in nächster Zeit der Fall sein könnte.
Da der Name des Kl. auch bisher im Rechtsverkehr schon häufig, nämlich bei der Wiedergabe durch elektronische Anlagen, mit „oe“ geschrieben wird und die beantragte Namensänderung zudem nur die Schreibweise des Namens betrifft, besteht nur ein geringes öffentliches Interesse an der Beibehaltung des bisher geführten Namens. Dieses Interesse ist so gering, dass die – gewiss nicht sehr schwerwiegenden – Gründe des Kl. noch ausreichen, um ein die öffentlichen Belange überwiegendes, schutzwürdiges Interesse des Kl. zu bejahen.
2. Einer Zurückverweisung der Sache an das BerGer. bedarf es nicht, da der festgestellte Sachverhalt eine Entscheidung in der Sache selbst zulässt. Das BVerwG kann auch zur Namensänderung verpflichten, weil eine ablehnende Ermessensentscheidung nach Lage der Sache nicht denkbar ist (vgl. dazu BVerwGE 37, 301 (306); 36, 357 (360 f.)).