LG Frankfurt a.M., Berufungsurteil vom 5. Januar 2012, 2-24 S 145/11

LG Frankfurt a.M., Berufungsurteil vom 5. Januar 2012, 2-24 S 145/11

Verspätung des Anschlussfluges um ca. acht Stunden

Gericht

LG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

05. 01. 2012


Aktenzeichen

2-24 S 145/11


Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 09.06.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main, Az. 31 C 291/11 (83), wird zurückgewiesen, wobei der Tenor des amtsgerichtlichen Urteils klarstellend wie folgt neu gefasst wird:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Die Kläger begehren von der Beklagten die Leistung einer Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 600,- Euro wegen eines verspäteten Fluges gemäß Art. 5, 6 und 7 der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) i. V. m. der diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH (NJW 2010, 43 ff.) sowie pauschalen Schadenersatz von jeweils 20,- Euro für nicht gewährte Betreuungsleistungen nach der Fluggastrechteverordnung.

Die Kläger buchten bei der Beklagten über den Reiseveranstalter … einen Flug von Frankfurt am Main über Muskat/Oman nach Bangkok/Thailand und zurück.

Der Hinflug am 31.01.2010 von Frankfurt am Main nach Muskat (Flugnummer: …) mit Abflug in Frankfurt am Main um 22.30 Uhr Ortszeit und Ankunft in Muskat um 08.10 Uhr Ortszeit erfolgte planmäßig.

In Muskat mussten die Kläger das Flugzeug wechseln, um den Anschlussflug nach Bangkok mit der Flugnummer … antreten zu können. Planmäßiger Abflug in Muskat sollte um 10.45 Uhr Ortszeit sein. Die Ankunft in Bangkok sollte um 19.20 Uhr Ortszeit erfolgen.

Jedoch verspätete sich der Abflug in Muskat um rund 8 Stunden, so dass sich auch die Ankunft in Bangkok um rund 8 Stunden verspätete.

Während der Wartezeit wurden seitens der Beklagten keine Mahlzeiten und Erfrischungen gereicht.

Die Kläger sind unter Berufung auf das Urteil des BGH vom 18.01.2011 (RRa 2011, 79 ff = NJW 2011, 2056 ff.) der Auffassung gewesen, dass das Amtsgericht Frankfurt am Main international und örtlich zuständig sei, da vorliegend ein einheitlicher Flug von Frankfurt am Main nach Bangkok vorliege und auf den maßgeblichen Abflugort Frankfurt am Main abzustellen sei.

Die Kläger sind weiterhin der Meinung gewesen, dass ihnen wegen eines verspäteten Fluges gemäß der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) i. V. m. der diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH eine Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 600,- Euro zustünde. Es liege ein einheitlicher Flug von Frankfurt am Main nach Bangkok vor, so dass die FluggastrechteVO anwendbar sei. Die Kläger sind insoweit der Ansicht gewesen, dass vorliegend, wenn auf eine Abflugverspätung abzustellen sei, die Abflugverspätung bei dem Anschlussflug ausreichend sei. Es dürfe diesbezüglich nicht einzig und allein auf den Abflug am Startflughafen in Frankfurt am Main abgestellt werden. Vielmehr könne auch eine Abflugverspätung im Rahmen des Anschlussfluges eine relevante Abflugverspätung begründen.

Die Kläger haben erstinstanzlich zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger zu 1) und 2) jeweils 620,- Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.12.2010 sowie die Kläger jeweils von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte GREIM in Höhe von 139,23 Euro freizustellen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt am Main gerügt.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, dass ausschließlich auf den verspäteten Abflug in Muskat abzustellen sei, da es sich bei dem Flug ab Muskat um einen selbstständigen Flug gehandelt habe. Für den Flug ab Muskat sei die FluggastrechteVO aber nicht anwendbar. Es liege gerade kein einheitlicher Flug Frankfurt am Main nach Bangkok vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 09.06.2011 (Bl. 45 d. A.) gemäß § 540 I Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Durch dieses Urteil hat das Amtsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen.

Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht gegeben sei, da nicht auf den Abflugort Frankfurt am Main abzustellen sei sondern auf den Abflugort Muskat.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 46 d. A.) Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger.

Die Kläger wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 29.08.2011 (Bl. 64 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des am 09.06.2011 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Frankfurt am Main, Az.: 31 C 291/11-83, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger zu 1) und 2) jeweils 620,- Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.12.2010 zu zahlen sowie die Kläger zu 1) und 2) jeweils in Höhe von 139,23 Euro von der Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte … freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das amtsgerichtliche Urteil. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist letztlich im Lichte des Urteils des BGH vom 18.01.2011 (RRa 2011, 79 ff = NJW 2011, 2056 ff.) vorliegend von einer internationalen Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt am Main auszugehen.

a. Voranzustellen ist, dass sich die internationale Zuständigkeit nicht aus Art. 33 Montrealer Übereinkommen (MÜ) ergibt.

Art. 7 der Fluggastrechteverordnung auf eine pauschale und einheitliche Ausgleichszahlung infolge der Annullierung/große Verspätung i. S. d. der EuGH-Rechtsprechung ihres Flugs ist unabhängig von den Schadensersatzansprüchen, die in Art. 17 ff. MÜ geregelt sind. Für Ansprüche, die auf die Verordnung gestützt sind, und solche, die auf dem Übereinkommen von Montreal beruhen, gelten damit unterschiedliche Regelungsrahmen, was der übergreifenden Anwendung des Übereinkommens von Montreal auf Ansprüche nach der Verordnung entgegen steht (vgl. BGH, NJW 2011, 2056, 2056 Rn. 15).

Die internationale Zuständigkeit folgt im Streitfall – jedenfalls unmittelbar – auch nicht aus der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 – (ABIEG 2001 Nr. L 12, S. 1; nachfolgend: EuGVVO).

Deren räumlicher Anwendungsbereich ist gem. Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 60 Abs. 1 EuGVVO nicht eröffnet, da die Beklagte weder ihren satzungsmäßigen Sitz noch ihre Hauptverwaltung oder -niederlassung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates i. S. des Art. 1 Abs. 3 EuGVVO hat. Die internationale Zuständigkeit lässt sich daher unmittelbar auch nicht aus Art. 5 Nr. 1 lit. b zweiter Spiegelstrich EuGVVO herleiten.

b. Gemäß Art. 4 Abs. 1 EuGVVO bestimmt sich die internationale Zuständigkeit danach nach autonomem nationalem Recht. Das gebietet die Heranziehung der die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit regelnden §§ 12 ff. ZPO auch für die internationale Zuständigkeit.

Vorliegend ist der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 Abs. 1 ZPO begründet.

aa. Der von den Klägern geltend gemachte Ausgleichsanspruch nach Art. 5, 6 u. 7 der Fluggastrechteverordnung ist aus einem Vertragsverhältnis i. S. v. § 29 Abs. 1 ZPO entstanden.

Insoweit hat der BGH (NJW 2011, 2056, 2057 Rn. 26) ausgeführt:

„Das Erfordernis „aus einem Vertragsverhältnis“ ist weit auszulegen und schon dann erfüllt, wenn die Streitigkeit im Zusammenhang mit einem Vertrag steht und aus dem Vertragsverhältnis herrührt. Bei den von den Klägern geltend gemachten Mindestrechten im Falle der Annullierung eines Flugs handelt es sich zwar um gesetzliche Ansprüche, die nicht aus dem Beförderungsvertrag folgen, den der Fluggast etwa mit dem Luftfahrtunternehmen abgeschlossen hat. Vielmehr richten sich die dem Fluggast eingeräumten Ansprüche gegen das ausführende Flugunternehmen, mit dem vertragliche Beziehungen nicht notwendigerweise bestehen müssen. Dennoch handelt es sich um einen Anspruch auf vertraglicher Grundlage, denn Voraussetzung für die Anwendung der Verordnung ist gem. deren Art. 3 II lit. a, dass die Fluggäste über eine bestätigte Buchung verfügen, was regelmäßig das Bestehen eines Beförderungsvertrags voraussetzt – sei es mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen, sei es mit einem anderen Unternehmen, für das jenes die Beförderungsleistung erbringt.“

Insoweit gelten diese für die Flugannullierung aufgestellten Grundsätze ebenso für die Fälle der großen Verspätung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung (Urteil v. 19.11.2009 – Sturgeon -, NJW 2010, 43 ff.), da diese der Flugannullierung insoweit gleichgestellt worden sind.

Vorliegend haben die Kläger offensichtlich über eine bestätigte Buchung verfügt, da sie ansonsten nicht befördert worden wären. Insoweit kann dahinstehen, ob zwischen den Parteien ein direkter Luftbeförderungsvertrag bestanden hat oder die Beförderung Gegenstand eines Reisevertrages war.

Die vertragliche Grundlage des Ausgleichsanspruchs nach Art. 5 Abs. 1, lit. c, Art. 7 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung ist demzufolge zu bejahen.

bb. Der Erfüllungsort für die streitige Verpflichtung liegt (auch) in Deutschland.

Insoweit hat der BGH (NJW 2011, 2056, 2057 Rn. 26) ausgeführt, dass den Erfüllungsort i. S. des § 29 ZPO für die mit der Klage geltend gemachte Verpflichtung (Ausgleichszahlungen) der Rechtsgedanke des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO mit der darin zum Ausdruck gebrachten Wertentscheidung des Unionsrechts bestimmt.

Denn der geltend gemachte Anspruch findet seine Grundlage nicht unmittelbar in den im Beförderungsvertrag getroffenen vertraglichen Abreden, sondern ist Teil der von der Verordnung zuerkannten gesetzlichen Mindestrechte. Die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Fluggast und dem Luftbeförderungsunternehmen oder einem anderen Unternehmen sind nur Voraussetzung dafür, dass der Fluggast überhaupt die Mindestrechte nach der Verordnung beanspruchen kann. Diese Mindestrechte werden vom Unionsrecht unabhängig vom Vertragsstatut einheitlich ausgestaltet. Teil dieser Ausgestaltung ist auch die vom nationalen Recht unabhängige Bestimmung des Erfüllungsorts für die Beförderungsverpflichtung in Art. 5 Nr. lit. b zweiter Spiegelstrich EuGVVO, die nach der Rechtsprechung des EuGH jedenfalls bei vertraglicher Beziehung zwischen den Parteien auch für Ausgleichsansprüche nach der Verordnung gilt (BGH, NJW 2011, 2056, 2058 Rn. 33).

Jedenfalls für die vorliegend geltend gemachten, vom Unionsrecht einheitlich ausgestalteten Mindestrechte ist für die Bestimmung des Erfüllungsorts der im Unionsrecht angelegte Rechtsgedanke maßgebend. Eine derartige Anknüpfung führt zugleich zu der von Erwägungsgrund 4 der Verordnung bezweckten Harmonisierung auch hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit, da die Bestimmung unabhängig davon ist, ob der Kunde ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft oder aus einem Drittstaat in Anspruch nimmt (vgl. Staudinger, RRa 2010, 154 [155]). Zugleich sichert sie dem Kunden das in Erwägungsgrund 1 der Verordnung angestrebte hohe Schutzniveau auch bei der gerichtlichen Durchsetzung seiner Ansprüche zu und schafft Rechtssicherheit (BGH, NJW 2011, 2056, 2058 Rn. 34).

Danach ist der im Streitfall vereinbarte Abflugort in Frankfurt a. M. auch als der Ort der Erfüllung i. S. von § 29 ZPO zu betrachten und begründet den dortigen Gerichtsstand für die Klage auf pauschalierten Ausgleich nach der Verordnung.

Denn im Fall einer Beförderung von Personen im Luftverkehr sind sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abflugs als auch der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs gleichermaßen als die Orte anzusehen, an denen die Leistungen, die Gegenstand des Beförderungsvertrags im Luftverkehr sind, hauptsächlich erbracht werden (BGH, NJW 2011, 2056, 2058 Rn. 35).

Diese Sicht gilt auch für Fälle, in denen sich die Störung (Annullierung/große Verspätung) nicht am originären vertragsgemäßen Abflugort ereignet, sondern im Rahmen eines Anschlussfluges an einem anderen Ort als dem originären vertragsgemäßen Abflugort, insbesondere in einem Drittstaat. Auch in einem solchen Fall, wie eben dem vorliegenden, ist es gerechtfertigt, zur Bestimmung des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO auf den originären vertragsgemäßen Abflugort abzustellen. Denn an diesem Ort beginnt die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung der Beförderung.

Diese Sicht sichert dem Kunden das in Erwägungsgrund 1 der Fluggastrechteverordnung angestrebte hohe Schutzniveau auch bei der gerichtlichen Durchsetzung seiner Ansprüche zu und schafft Rechtssicherheit. Würde man nämlich bei annullierten oder verspäteten Anschlussflügen in Drittstaaten – wie hier – die Anknüpfung an den originären vertragsgemäßen Abflugort in einem Mitgliedsstaat ablehnen, hätte dies zur Folge, dass der Kunde regelmäßig in diesen Fällen seine Ansprüche auf Ausgleichszahlungen in einem Drittstaat geltend machen müsste, der keinen konkreten Bezug zur Fluggastrechteverordnung hat. Dies würde jedoch dem genannten Schutzzweck zuwiderlaufen.

Aus diesem Grunde kann bei der Feststellung der internationalen Zuständigkeit auch noch offen bleiben, ob der tatsächliche Sachverhalt in Bezug auf die Problematik „Anschlussflüge/Direktflüge“ überhaupt in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, also ob in solchen Fällen von einem einheitlichen Flug oder mehreren separaten Flügen auszugehen ist.

Nach all dem ist von der internationalen Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt am Main auszugehen.

2. Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen auf Leistung einer Ausgleichszahlung wegen eines verspäteten Fluges gem. Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 251/2004 (Fluggastrechteverordnung) i. V. m. der Rechtsprechung des EuGH (Urteil v. 19.11.2009 – Sturgeon -, NJW 2010, 43 ff.) in Höhe der jeweils geltend gemachten 600,- Euro.

a. Ein Anspruch der Kläger auf Ausgleichszahlungen nach der FluggastrechteVO scheitert schon daran, dass die FluggastrechteVO für die hiesige Fallkonstellation nicht eingreift.

Der Anwendungsbereich der FluggastrechteVO gem. Art. 3 I FluggastrechteVO ist vorliegend nämlich nicht eröffnet.

Ernsthaft in Betracht kommt vorliegend nur der Anwendungsbereich gem. Art. 3 I Buchst. a) FluggastrechteVO.

Danach gilt die Verordnung für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedsstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände ist hier nämlich auf den Abflugort Muskat im Oman abzustellen, an dem die Verspätung eingetreten ist. Muskat/Oman liegt jedoch nicht in einem Mitgliedsstaat.

Dem steht nicht entgegen, dass Gegenstand der Buchung eine Beförderung von Frankfurt am Main über Muskat nach Bangkok war.

Nach Auffassung der Kammer kann in Fallkonstellationen wie der vorliegenden nicht auf den originären Abflugort in einem Mitgliedstaat – hier Frankfurt am Main – abgestellt werden, da insoweit nicht von einem einheitlichen Flug Frankfurt am Main nach Bangkok ausgegangen werden kann.

Vielmehr ist vorliegend von zwei separaten Flügen auszugehen, nämlich von Frankfurt am Main nach Muskat und von Muskat nach Bangkok.

Insoweit ist diese Fallkonstellation abzugrenzen von Fällen der reinen Zwischenlandung, für die die Kammer angenommen, dass in solchen Fällen ein einheitlicher Flug anzunehmen ist (vgl. Urteil der Kammer v. 29.09.2011, Az. 2-24 S 56/11). Bei reinen Zwischenlandungen (z. B. zwecks Auftanken oder Passagierzu- bzw. -ausstieg) ist nämlich davon auszugehen, dass immer nur ein Flug vorliegt, da sich nach der Zwischenlandung weder die Flugnummer ändert noch das Flugzeug gewechselt wird.

Dagegen handelt es sich vorliegend um einen sog. „Direktflug“ oder „Anschlussflug“, wobei zwei völlig separate Flüge von dem buchenden Fluggast oder Reiseveranstalter hintereinandergeschaltet werden, um letztlich das gewünschte Endziel zu erreichen. Dabei ist es regelmäßig so – wie auch hier – dass die Flüge unterschiedliche Flugnummern haben und der „Anschlussflug“ mit einem anderen Flugzeug durchgeführt wird, also der Fluggast das Flugzeug wechseln muss.

Soweit in der Literatur (vgl. Staudinger, RRa 2010, 154, 157/158) teilweise die Auffassung vertreten wird, dass auch in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden, der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist, vermag die Kammer dem nicht zu folgen.

Diesbezüglich ist zunächst am Begriff des „Fluges“ anzusetzen. Der „Flug“ wird in der Fluggastrechteverordnung nicht definiert.

Der EuGH (NJW 2008, 2697, 2699 – Schenkel) hat den Begriff des „Fluges“ wie folgt definiert:

„Nach alledem ist der Begriff „Flug“ im Sinne der Verordnung Nr. 261/2004 dahingehend auszulegen, dass es sich dabei im Wesentlichen um einen Luftbeförderungsvorgang handelt, der somit in gewisser Weise eine „Einheit“ dieser Beförderung darstellt, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Flugroute festlegt.“

Jedoch hat sich der EuGH in dieser Entscheidung nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob im Rahmen eines segmentierten Hin- oder Rückflugs dieser Hin- oder Rückflug als ein einheitlicher „Flug“ oder als mehrere Flüge anzusehen ist.

Der BGH (NJW 2009, 2743, 2743 m. w. N.) hat im Anschluss daran ausgeführt:

„Denn der Flug im Sinne der Verordnung ist nicht mit der Flugreise gleichzusetzen, die die Fluggäste unternehmen. Flug ist vielmehr, wie auch Art. 2 lit. h der Verordnung zeigt, auch bei einem einheitlichen Beförderungsvertrag die einzelne „Einheit“ an der Luftbeförderung, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Flugroute festlegt. Dass der Fluggast eine einheitliche Buchung vornimmt, wirkt sich hierauf nicht aus.“

Nicht ausschlaggebend für die Bestimmung des Begriffs „Flug“ ist, dass Erst- und Folgeflug hier Teil eines Vertrags waren und gemeinsam gebucht wurden. Dieser Umstand führt nicht dazu, dass der Erst- und Folgeflug in einem besonders engen und unauflöslichen Verhältnis zueinander stehen (so auch AG Rüsselsheim, RRa 2011, 246, 247; AG Düsseldorf, Urt. v. 8.4.2008 – 23 C 14910/07). Nach den allgemeinen Erfahrungen ist es regelmäßig möglich, die einzelnen Einheiten einer Flugreise separat oder auch zeitlich versetzt – mit einem längeren Aufenthalt am Ort der Zwischenlandung – zu buchen.

Wenn also vorliegend von zwei separaten Flügen auszugehen ist, dann ist auch für jeden Flug getrennt zu prüfen, ob dieser in den Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung fällt, soweit bzgl. dieses konkreten Fluges eine Störung (Annullierung/Verspätung) aufgetreten ist.

Da vorliegend die Verspätung einzig den separaten Anschlussflug in Muskat betroffen hat, ist auch auf den Abflugort dieses Fluges abzustellen, der sich jedoch nicht in einem Mitgliedstaat befindet.

Für diese Sichtweise spricht nach Auffassung der Kammer auch das Urteil des BGH vom 28.05.2009 (NJW 2009, 2743, 2743 Rn. 8). Dort hat der BGH die Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung auf einen inneramerikanischen Anschlussflug verneint.

Auch wenn vorliegend der Anschlussflug wie der erste Flug auch durch die Beklagte durchgeführt worden ist, handelt es sich letztlich aber um nichts anderes als einen eigenständigen innerasiatischen Flug der Beklagten.

Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass die beiden hier in Rede stehenden Flüge grundsätzlich aus Sicht der Beklagten in keinem Bezug zueinander stehen. Diesen Bezug haben allein die Kläger oder ein Reiseveranstalter hergestellt, indem sie die beiden Flüge hintereinandergeschaltet haben, um den Zielort Bangkok zu erreichen. Insoweit haben sich die Kläger bzw. der Reiseveranstalter zwei von der Beklagten separat angebotener Flüge bedient.

Dem steht nach Auffassung der Kammer auch nicht das Urteil des BGH vom 14.10.2010 (NJW-RR 2011, 355 ff.) entgegen.

Diesem Urteil lag nämlich eine abweichende Fallkonstellation zugrunde. Dort wurde nämlich bereits der Ausgangsflug ab Berlin annulliert. Insoweit war der Anwendungsbereich der FluggastrechteVO zweifellos eröffnet. Es ging lediglich um die Frage der Höhe der Ausgleichszahlungen nach Art. 7 VO. Lediglich in diesem Zusammenhang hat der BGH ausgeführt, dass auch der Zielort eines direkten Anschlussfluges zu berücksichtigen sei. Damit hat der BGH aber gerade nicht gesagt, dass auch in Fällen einer Verspätung des Anschlussfluges in einem Drittstaat auf den originären Abflug in einem Mitgliedsstaat abzustellen ist mit der Konsequenz der Eröffnung des Anwendungsbereichs der FluggastrechteVO.

Vielmehr hat der BGH in diesem Urteil auch Bezug genommen auf sein oben genantes Urteil vom 28.05.2009 (NJW 2009, 2743, 2743 Rn. 8) und dieses weiter aufrecht erhalten, da dort eine andere Frage zu entscheiden war.

Soweit Staudinger (RRa 2010, 154, 157/158) ausführt, dass Sinn und Zweck sowie das Gebot der Effektivität des Gemeinschaftsrechts dafür sprechen, den Antritt in der Europäischen Union genügen zu lassen, sofern das eine ausführende Unternehmen die Weiterbeförderung in einem Drittstaat annulliert, hält die Kammer dies für nicht zwingend geboten.

Insoweit muss sich nochmals die Konstruktion des hier in Rede stehenden Anschlussfluges vergegenwärtigt werden. Der Fluggast sucht sich die von der Fluggesellschaft angebotenen Flüge aus, um zu seinem gewünschten Zielort zu gelangen. Wenn der Fluggast nunmehr aus verschiedenen selbstständigen Flügen sich eine Kette von Flügen zusammenbaut, ist er für die Flugabfolge und die Abflugorte grundsätzlich selbst verantwortlich. Die Fluggesellschaft hat darauf keinerlei Einfluss. Insoweit sieht es die Kammer als nicht geboten an, einem Fluggast die Rechte nach der FluggastrechteVO einzuräumen für außereuropäische Anschlussflüge, wenn ausschließlich bei diesen eine Störung (Annullierung/Verspätung) eintritt. Für diese separaten außereuropäischen Flüge ist eine Geltung der europäischen FluggastrechteVO nicht geboten.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Sichtweise zu Umgehungsversuchen bzgl. der FluggastrechteVO durch die Fluggesellschaften führen wird (vgl. dazu ausführlich AG Rüsselsheim, RRa 2011, 246, 247).

Nach all dem ist vorliegend der Anwendungsbereich der FluggastrechteVO für die Verspätung des Anschlussfluges in Muskat/Oman nicht eröffnet.

b. Selbst wenn man vorliegend von einem einheitlichen Flug von Frankfurt am Main nach Bangkok und der Anwendbarkeit der FluggastrechteVO ausgehen würde, stünden den Klägern dennoch keine Ausgleichszahlungen nach der FluggastrechteVO zu.

Der EuGH hat im Urteil vom 19.11.2009 entschieden, dass die Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und somit den in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Flugs einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen (NJW 2010, 43, 46/47 Ziffer 69).

Dies folge daraus, dass die von den Fluggästen im Fall einer Annullierung und einer Verspätung erlittenen Schäden einander entsprächen und die Fluggäste verspäteter Flüge und annullierter Flüge deshalb nicht unterschiedlich behandelt werden könnten, ohne dass gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen würde. Damit hat er entschieden, dass der Ausgleichsanspruch auch Fluggästen verspäteter Flüge zustehen kann.

Der EuGH hat weiter ausgeführt, unter diesen Umständen werde den entsprechend Art. 5 I lit. c Nr. iii der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 anderweitig beförderten Fluggästen der in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehene Ausgleichsanspruch gewährt, wenn das Luftfahrtunternehmen sie nicht anderweitig mit einem Flug befördert, der nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit startet und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erreicht. Diese Fluggäste erlangen somit einen Ausgleichsanspruch, wenn sie gegenüber der ursprünglich von dem Luftfahrtunternehmen angesetzten Dauer einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden (NJW 2010, 43, 46 Ziffer 69).

Es hat sich im Hinblick auf das genannte Urteil des EuGH die Frage aufgetan, ob für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 I FluggastrechteVO allein die Dauer der Verspätung am letzten Zielort maßgeblich ist oder ob ein Ausgleichsanspruch wegen Verspätung zusätzlich voraussetzt, dass der Tatbestand von Art. 6 I FluggastrechteVO erfüllt ist, also schon der Start mit einer Verzögerung erfolgt ist, die die in Art. 6 I FluggastrechteVO definierten Grenzen übersteigt (vgl. dazu im Ganzen die Vorlage des BGH an den EuGH, Beschluss v. 09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10, zit. nach juris).

Die Kammer vertritt in mittlerweile ständiger Rechtsprechung (Urteil vom 23.09.2010, Az. 2-24 S 44/10, RRa 2011, 44 ff.; Urteil vom 01.09.2011, Az. 2-24 S 65/11; Urteil v. 29.09.2011, Az. 2-24 S 56/11), die Auffassung, dass für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 I FluggastrechteVO wegen Verspätung zusätzliche Voraussetzung ist, dass der Tatbestand von Art. 6 I FluggastrechteVO erfüllt ist, also schon der Start mit einer Verzögerung erfolgt ist, die die in Art. 6 I FluggastrechteVO definierten Grenzen übersteigt (so auch Staudinger, RRa 2010, 10, 11/12).

Der EuGH (NJW 2010, 43 ff.) hat nämlich anerkannt, dass der von der Verordnung vorgesehene Ausgleich durch verschiedene Formen von Maßnahmen verwirklicht wird, die Gegenstand von Regelungen sind, die an die Nichtbeförderung oder die Annullierung oder große Verspätung eines Flugs anknüpfen (a. a. O. Rn. 51). Er hat die Gleichstellung von Fluggästen verspäteter und annullierter Flüge nicht allein mit dem Gleichheitssatz begründet, sondern aus dem Gleichheitssatz lediglich ein zusätzliches Argument (a. a. O. Rn. 46) für das zuvor aus der Auslegung des verfügenden Teils des Gemeinschaftsrechtsakts unter Berücksichtigung seiner Gründe und seiner Ziele abgeleitete Ergebnis gewonnen. Der Ausgleichsanspruch folgt danach primär aus der Verknüpfung, die der Verordnungsgeber in Erwägungsgrund 15 zwischen dem Begriff der großen Verspätung und dem Ausgleichsanspruch vorgenommen hat (a. a. O. Rn. 43), und der Zielsetzung der Verordnung, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste unabhängig davon sicherzustellen, ob sie von einer Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung eines Flugs betroffen sind (a. a. O. Rn. 44). Dies schließt es aus, der Verordnung Ansprüche zu entnehmen, die nicht an einen der Tatbestände der Art. 4 bis 6 FluggastrechteVO anknüpfen, sondern an die Ankunftsverzögerung, die nach der Verordnung lediglich für die Prüfung der Frage von Bedeutung ist, ob der Ausgleichsanspruch entfällt (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO) oder gekürzt wird (Art. 7 Abs. 2 FluggastrechteVO) (vgl. auch BGH, Beschluss v. 09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10, zit. nach juris).

Eine Abflugverspätung in diesem Sinne hat am Startflughafen in Frankfurt am Main unstreitig nicht vorgelegen. Dieser Abflug war planmäßig.

Geht man von einem einheitlichen Flug aus, dann kommt es konsequenterweise auf eine Abflugverspätung am originären Abflugort an. Dann kann nicht auf eine nach einem planmäßigen Abflug am Startort erfolgte Verzögerung im Rahmen einer Zwischenlandung abgestellt werden.

Die Kammer hat im Urteil vom 23.09.2010 (Az. 2-24 S 44/10, RRa 2011, 44 ff.) im Zusammenhang mit der Bestimmung der Abflugverspätung angenommen, dass bei einem innerhalb der Grenzen des Art. 6 I FluggastrechteVO erfolgten Abflug eine spätere unplanmäßige Zwischenlandung nicht dazu führt, dass eine Abflugverspätung im oben genannten Sinne entsteht.

Im Urteil vom 29.09.2011 (Az. 2-24 S 56/11) hat die Kammer ausgeführt, dass auch eine Abflugverspätung im Rahmen einer planmäßigen Zwischenlandung im Rahmen eines Gesamtfluges keine relevante ausgleichspflichtige Abflugverspätung im oben genannten Sinne begründet, wenn der Abflug am Ausgangsflughafen innerhalb der Grenzen des Art. 6 I FluggastrechteVO erfolgte.

Nach all dem liegen auch bei einer Anwendbarkeit der FluggastrechteVO die Anspruchsvoraussetzungen für eine Ausgleichszahlung nach der FluggastrechteVO nicht vor.

3. Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von jeweils 20,- Euro pauschalen und fiktiven Schadenersatz für nicht gewährte Betreuungsleistungen.

Diesbezüglich besteht keine Anspruchsgrundlage.

a. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 13.10.2011 (Az. C-83/10, NJW 2011, 3776 ff.) ausgeführt, dass die FluggastrechteVO keine Anspruchsgrundlage für solche Schadenersatzansprüche darstellt.

Ein nationales Gericht kann ein Luftfahrtunternehmen nämlich nicht dazu verurteilen, den Fluggästen, deren Flug verspätet war oder annulliert wurde, auf der Grundlage von Art. 12 der Verordnung Nr. 261/2004 als weiter gehenden Schadensersatz die Kosten zu erstatten, die ihnen aufgrund der Verletzung der diesem Unternehmen nach den Art. 8 und 9 der Verordnung obliegenden Unterstützungspflichten (Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten oder anderweitige Beförderung zum Endziel, Tragung der Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem anderen Flughafen zu dem ursprünglich vorgesehenen Zielflughafen) und Betreuungspflichten (Verpflegungs-, Hotelunterbringungs- und Kommunikationskosten) entstanden sind (EuGH, NJW 2011, 3776, 3778 Rn. 42).

Art. 12 FluggastrechteVO ermöglicht es dem nationalen Gericht lediglich, das Luftfahrtunternehmen zum Ersatz des den Fluggästen wegen der Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrags entstandenen Schadens auf einer anderen Rechtsgrundlage als der Verordnung Nr. 261/2004 zu verurteilen, d. h. insbesondere unter den Voraussetzungen des Übereinkommens von Montreal oder des nationalen Rechts.

b. Das Montrealer Übereinkommen, soweit dies vorliegend anwendbar wäre, gewährt in Art. 19 MÜ keinen pauschalen fiktiven Schadenersatz. Ersatzfähig ist immer nur ein konkreter Schaden.

c. Auch das nationale Recht gewährt im Rahmen des Verzugs (vgl. BGH, NJW 2009, 2743 ff.) bzw. Schlechterfüllung des Beförderungsvertrages in Form der §§ 286, 280 BGB keinen pauschalen fiktiven Schadenersatz. Ersatzfähig ist immer nur ein konkreter Schaden.

Nach all dem steht den Klägern kein Schadenersatzanspruch in Höhe von jeweils 20,- Euro zu.

Nach all dem war die Berufung zurückzuweisen, da die Klage im Ergebnis weiterhin abzuweisen ist, zwar nicht als unzulässig aber als unbegründet. Insoweit war der Tenor des amtsgerichtlichen Urteils klarzustellen.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 I, 100 I ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO vorliegen.

Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.

Die Frage der internationalen Zuständigkeit und die Anwendbarkeit der FluggastrechteVO in Fällen wie dem vorliegenden hat für eine Vielzahl von Fällen grundsätzliche Bedeutung.

Weiterhin kommt gem. Art. 234 II EG eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof in Betracht. Seiner Entscheidung vom 19.11.2009 lässt sich nicht sicher entnehmen, ob er in Fällen einer reinen Ankunftsverspätung die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung bereits abgesteckt und eine Analogie zu den Fällen der Abflugverspätung damit ausgeschlossen hat, da er die FluggastVO für wirksam hält. Der Leitsatz 2 der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.09 in Verbindung mit dessen Ausführungen unter Ziffern 52, 53 könnte den Eindruck erwecken, dass schon bei einem um mehr als 3 Stunden verspätetem Erreichen des Endziels ein Ausgleichsanspruch gegeben ist, weil nicht ausreichend deutlich wird, dass nur die Rechtsfolgen des verspäteten Abflugs geregelt werden (vgl. dazu im Ganzen die Vorlage des BGH an den EuGH, Beschluss v. 09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10, zit. nach juris).

Die Kammer wäre gehalten, zur dieser Frage ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu richten, wenn sie rechtskräftig entscheiden würde. Da eine entscheidungserhebliche Frage durch eine Vorlage nach Art. 234 EGV zu klären ist, liegt ebenfalls ein Grund für die Zulassung der Revision vor.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Hinsichtlich des angefochtenen Urteils bedurfte es eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung nebst Abwendungsbefugnis (§§ 708 Nr. 10 Satz 2 Var. 1, 711 ZPO) nicht, da die angefochtene Entscheidung genau diesen Ausspruch bereits enthält.

Rechtsgebiete

Reiserecht