LG Karlsruhe, Urteil vom 5. August 1996, 12 O 148/95
Verkehrssicherungspflicht in öffentlichen Gebäuden – “Stolperschwelle“
Gericht
LG Karlsruhe
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
05. 08. 1996
Aktenzeichen
12 O 148/95
Leitsatz des Gerichts
Bei einer im Flur oder sonstigen Durchgang eines öffentlichen Gebäudes vorhandenen Schwelle ist eine Verkehrssicherungspflichtverletzung allenfalls dann zu verneinen, wenn unmittelbar an oder vor der Schwelle auf diese in einer so augenfälligen Weise hingewiesen wird, daß jeder Passant den Höhenunterschied mit Sicherheit bemerkt.
Wird ein ehrenamtlich Tätiger verletzt, so ist der Ausfall seiner unentgeltlich geleisteten Arbeit, wenn diese einer bezahlten Arbeit vergleichbar ist und damit einen Marktwert besitzt, als Vermögensschaden zu ersetzen.
Tatbestand
Zum Sachverhalt:
Die damals 67jährige Kl., Leiterin der Ortsgruppe des Sozialdienstes katholischer Frauen in B., hatte am 7. 7. 1992 um 15.00 Uhr einen Besprechungstermin im Rathaus der bekl. Gemeinde im Ortsteil M. Auf dem Weg zum Besprechungszimmer stürzte sie im Flur des 1. Obergeschosses über eine ca. 5 cm hohe Schwelle, die den Übergang bildete zwischen einem torbogenförmigen Durchgang vom Treppenhaus her (0,85 m lang, 1,18 m breit) mit einem Parkettboden und einem etwas höher gelegenen, ab der Schwelle mit blauem Teppichboden belegten Vorraum vor den Dienstzimmern, der sich hinter dem Durchgang verbreiterte. Die Kl. zog sich durch den Sturz einen Trümmerbruch des linken Oberarmkopfes zu. Nach stationären Behandlungen mit einem dazwischenliegenden Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik verblieb ein in Fehlstellung verheilter Bruch und eine durch Rückbildung des Oberarmkopfes bedingte partielle Ausrenkung des linken Schultergelenks mit der Dauerfolge einer erheblichen Bewegungseinschränkung des Gelenks und einer nahezu vollständigen Gebrauchsunfähigkeit des linken Arms. Mit der Klage macht die Kl. den Ersatz der ihr entstandenen Vermögens- und Nichtvermögensschäden geltend. Sie wirft der Bekl. vor, auf die Schwelle im Flur des Rathauses nicht hinreichend aufmerksam gemacht zu haben; über die Schwelle seien zuvor schon andere Personen gestürzt. Während des Rechtsstreits stürzte die Kl. am 9. 3. 1995 in ihrer Wohnung erneut. Durch den zweiten Sturz zog sie sich einen Beckenbruch zu, der einen Krankenhausaufenthalt und eine anschließende Kur notwendig machte. Die Kl. ist der Auffassung, daß der zweite Sturz durch die Verletzungen des ersten Sturzes verursacht sei; sie sei am 9. 3. 1995 im Wohnzimmer über eine Teppichkante gestolpert, rücklings gegen das Wohnzimmerbuffet gefallen und dann, da sie sich mit dem linken Arm nicht habe abstützen können, zu Boden gestürzt.
Die Kl. macht nunmehr, nach teilweiser Änderung und Erweiterung der Klage, für die Zeit bis Ende Juli 1996 folgende Ersatzansprüche wegen Vermögensschäden geltend: Zahlungen für Arbeiten im Haushalt und im Garten, die sie nach dem Unfall vom 7. 7. 1992 nicht mehr selbst habe ausführen können, und für verletzungsbedingt notwendige Hilfeleistungen bei der Körperpflege in Höhe von 37413,20 DM, Kosten für ärztliche Gutachten in Höhe von 165,80 DM, Wertersatz entsprechend den Grundsätzen des Schadensersatzes für Verdienstausfall und bei Verletzung des den Haushalt führenden Ehegatten für den verletzungsbedingten Ausfall (zeitweise gänzlich, im übrigen zwei Stunden pro Tag) ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Leiterin der Ortsgruppe B. des Sozialdienstes katholischer Frauen, die sie nach ihrer Pensionierung 1990 mindestens 8-10 Stunden täglich ausgeübt habe, wobei sie einen Stundensatz von 15 DM ansetzt, in Höhe von 35000 DM, insgesamt 72579 DM. Ferner begehrt sie ein angemessenes Schmerzensgeld und die Feststellung, daß die Bekl. verpflichtet ist, ihr sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden, soweit sie nach dem 1. 7. 1996 entstehen, aus dem Unfall vom 7. 7. 1992 im Rathaus des Ortsteils M. zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Die Klage hatte größtenteils Erfolg.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Klage ist begründet, soweit die Kl. den Ersatz der Schäden begehrt, die mit dem Sturz vom 7. 7. 1992 und den dabei zugezogenen Verletzungen des linken Oberarms und Schultergelenks zusammenhängen, nicht hingegen hinsichtlich der auf den weiteren Sturz vom 9. 3. 1995 gestützten Ansprüche; insoweit steht nach Auffassung der Kammer ein Ursachenzusammenhang zwischen den Verletzungsfolgen des ersten Sturzes und dem zweiten Sturz nicht mit hinreichender Sicherheit fest. Danach sind der Kl. zuzuerkennen: 30000 DM Schmerzensgeld, 165,80 DM Kostenersatz für ärztliche Gutachten, 32855 DM für Aufwendungen bis einschließlich Juni 1996 für verletzungsbedingt angefallene Hilfeleistungen im Haushalt und Garten und bei der Körperpflege und 35000 DM wegen des teilweisen Ausfalls der ehrenamtlichen Tätigkeit der Kl. beim Sozialdienst katholischer Frauen. Außerdem ist eine entsprechende Schadensersatzpflicht der Bekl. für die Zeit ab Juli 1996 festzustellen.
1. Dem Grunde nach ist die Schadensersatzpflicht der Bekl. uneingeschränkt zu bejahen. Die Bekl. hat die ca. 5 cm hohe Schwelle zwischen dem Durchgang und dem Vorraum vor den Dienstzimmern im 1. Obergeschoß des alten Rathauses M. nicht ausreichend abgesichert und dadurch ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt; ein Mitverschulden der Kl. ist zu verneinen.
a) Vor dem Unfall der Kl. am 7. 7. 1992 hatte die Bekl. das alte Rathaus M. umbauen lassen, wodurch sich ein Höhenunterschied von ca. 5 cm zwischen dem Durchgang vom Treppenhaus und dem angrenzenden Dienstzimmervorraum ergab. Diese Umbauarbeiten waren im Gebäudeteil ab dem Treppenhaus einige Wochen, bevor die Kl. stürzte, beendet worden; ob am 7. 7. 1992 noch im Treppenhaus renoviert wurde, hat sich in der Beweisaufnahme nicht mit Sicherheit feststellen lassen. Streitig ist im übrigen, ob im Unfallzeitpunkt, wie die Bekl. behauptet, im Treppenflur links vor dem torbogenförmigen Durchgang in Augenhöhe ein Schild „Vorsicht Stufe” angebracht war und, wenn ja, ob sich die Schrift auf dem damals angebrachten Schild vom Untergrund deutlich abhob und neben ihr ein nach rechts zum Durchgang hinweisender Pfeil aufgemalt war. Auch dieser Punkt konnte durch die Zeugenaussagen nicht eindeutig geklärt werden, so daß je nach der Beweislast von einem unterschiedlichen Sachverhalt auszugehen ist: Bei der Prüfung des Verschuldens der Bekl. von einem vorhandenen Schild mit gut lesbarer Schrift und aufgemaltem Pfeil, bei der Prüfung des Mitverschuldens der Kl. davon, daß kein Schild vorhanden war, zumindest, daß die Schrift vergilbt und auch kein Pfeil aufgezeichnet war. Ferner hat der vom Gericht eingenommene Augenschein ergeben, daß der vom Treppenhaus abführende Durchgang bei Tageslicht zwar nicht dunkel ist, daß er aber etwas dunkler wirkte als das Treppenhaus, das an dieser Stelle durch ein großes Fenster viel Licht erhält.
b) Von diesem Sachverhalt ausgehend ist eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Bekl. zu bejahen. Eine ca. 5 cm hohe Schwelle, die weniger ins Auge fällt als eine Stufe von normaler Höhe, ist in einem Durchgang eine gefährliche Stolperfalle; dies insbesondere in einem öffentlichen Gebäude, das von einem wechselnden, mit der Örtlichkeit nicht vertrauten Publikum aufgesucht wird. Die Situation ist anders als bei einem Höhenunterschied etwa zwischen Flur und angrenzendem Zimmer, bei welchem der Gehende, bevor er eintritt, normalerweise den Schritt verlangsamt, sich auf einen neuen Raum einstellt und eher auch mit einer Schwelle oder Stufe rechnet. Ein Flur wird mehr oder weniger schnell durchschritten, ohne daß mit einem Hindernis am Boden gerechnet und auf den Boden besonders geachtet wird. Daß sich vorliegend der Vorraum hinter dem Durchgang verbreiterte, ändert daran nichts; für den Besucher, der ein Dienstzimmer aufsuchen wollte, waren Durchgang und Vorraum eine Einheit wie ein normaler durchgehender Flur. Ebensowenig besaß der unterschiedliche Fußbodenbelag (Parkett im Durchgang, blauer Teppichboden im Vorraum) einen hinreichenden Aufmerksamkeitswert; daß ein in einem Flur gelegter Läufer oder Teppichboden irgendwo anfängt oder endet, ist kein Blickfang und deutet nicht auf einen Höhenunterschied hin. Die Kammer läßt offen, ob eine Schwelle in einem Durchgang nicht in jedem Fall als Baufehler und Verletzung der Verkehrssicherungspflicht anzusehen ist. Auch wenn man nicht so weit geht, liegt jedenfalls eine unfallträchtige Gefahrenquelle vor, die einen unmittelbar sinnfälligen Hinweis so, daß jeder auf die Schwelle Zugehende den Höhenunterschied mit Sicherheit bemerkt, notwendig macht, etwa durch Anbringung eines Ständers mit dem Schild „Vorsicht Stufe” direkt vor der Schwelle und/oder, sofern es sich um einen etwas dunkleren Raum handelt, durch unmittelbares Anstrahlen durch eine besondere Lichtquelle bzw. auffällige Markierung der Stufenkante mittels einer Leuchtfarbe. Ein 85 cm entfernt an der Wand im Treppenhaus links neben dem Durchgang in Augenhöhe angebrachtes Schild „Vorsicht Stufe” war kein ausreichender Warnhinweis, auch dann nicht, wenn die Schrift, wie zugunsten der Bekl. zu unterstellen ist, gut lesbar war und ein Pfeil nach rechts auf den Durchgang hindeutete. Nicht jeder auf den Durchgang Zugehende hatte den Blick an dieser Stelle in Augenhöhe, ganz abgesehen davon, daß hier der Hinweis „Vorsicht Stufe” primär auf die Stufen des linkerhand weiter nach oben führenden Treppenhauses bezogen wurde, dies auch wenn auf dem Schild ein nach rechts zeigender Pfeil aufgemalt war. Daß ein an der Treppenhauswand angebrachtes Schild „Vorsicht Stufe” nicht ausreichte, beweist am besten die Tatsache, daß, bevor die Bekl. nach dem Unfall der Kl. den Höhenunterschied durch eine Holzrampe überbrückte, immer wieder Personen über die Schwelle gestolpert sind, nicht nur von außen kommende Behördenbesucher, sondern auch, wie der Mitarbeiter der Bekl. W als Zeuge ausgesagt hat, die Bediensteten der Bekl. selbst.
c) Für den durch das fahrlässige Verhalten ihrer Vertreter verursachten Sturz hat die Bekl. gem. §§ 31, 89 I, 823 I BGB einzustehen, eventuell auch, falls ein für die Überwachung der Verkehrssicherheit zuständiger Vertreter nicht bestellt wurde, unter dem Gesichtspunkt des Organisationsmangels (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 55. Aufl., § 31 Rdnr. 8).
d) Daß die Kl. kein Mitverschulden trifft, ergibt sich aus dem Ausgeführten ohne weiteres. Ihr ist kein Vorwurf zu machen, daß sie beim Passieren des Durchgangs ihre Aufmerksamkeit nicht auf den Boden gerichtet hat, auch nicht, daß sie ein etwaiges Schild im Treppenhaus „Vorsicht Stufe” nicht gesehen oder es nicht auf den Durchgang bezogen hat (zumal wenn in diesem Zusammenhang unterstellt wird, daß ein solches Schild gar nicht vorhanden war oder nur ein Schild mit vergilbter Schrift und ohne Pfeil nach rechts).
2. Nicht erwiesen ist dagegen, daß der zweite Sturz der Kl. am 9. 3. 1995 und die dabei erlittenen Verletzungen auf die Verletzungsfolgen des Sturzes vom 7. 7. 1992 zurückzuführen sind. (Wird ausgeführt.)
6. Zu bejahen ist schließlich auch ein Schadensersatzanspruch wegen des Ausfalls der ehrenamtlichen Tätigkeit der Kl. seit dem Unfall vom 7. 7. 1992, und zwar für die Zeit bis einschließlich Juni 1996 in Höhe der geltend gemachten 35000 DM.
a) Die Kl. (geb. 1925) war nach dem Studium der Theologie und Pädagogik und Sonderpädagogik als Religionslehrerin tätig, u.a. zehn Jahre in einer Schule für Sprachbehinderte, zuletzt am J-Gymnasium in B. Neben dem Schuldienst widmete sie sich der ehrenamtlich-caritativen Tätigkeit im Sozialdienst katholischer Frauen, dem sie seit nunmehr 30 Jahren als Mitglied angehört und in dessen Ortsverein B. sie seit 25 Jahren Vorsitzende ist. Seit ihrer Pensionierung 1990 ist sie ganztags für den Verein tätig. Der Sozialdienst katholischer Frauen, 1899 als „katholischer Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder“ gegründet, ist ein dem Deutschen Caritas-Verband angeschlossener katholischer Frauenverband, der als Fachverband der Jugendhilfe, der Gefährdetenhilfe und der Hilfe für Frauen und Familien in Not anerkannt ist. Er gliedert sich in Ortsgruppen mit ehrenamtlich arbeitenden Mitgliedern und unterhält örtliche und regionale soziale Einrichtungen (Heime, Adoptionsvermittlungsstellen, § 218 – Beratungsstellen, Kinder- und Jugendzentren u.a.m.) (vgl. Gisela Notz, Frauen im sozialen Ehrenamt, 1989, S. 118f.). Die Ortsgruppe B., der 8-12 ehrenamtliche Mitglieder angehören (außer der Kl. zwei Ärzte, zwei Krankenschwestern, eine Juristin und mehrere Hausfrauen und Arbeiterinnen), widmet sich insbesondere der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe (mit der besonderen Aufgabe der erzieherischen Jugendhilfe), der Arbeit mit Alleinerziehenden, der Hilfe für gefährdete Frauen bei Straffälligkeit, Obdachlosigkeit, Prostitution, Sucht (im örtlichen Bereich liegt die Jugendvollzugsanstalt A.) sowie der Arbeit für Frauen und Familien in Not- und Konfliktsituationen einschließlich der Hilfe für psychisch Kranke. Die Hauptarbeit der Ortsgruppe B. wurde und wird von der Kl. gemacht. Sie ist die Anlaufstelle für die Hilfesuchenden, koordiniert die Tätigkeiten der übrigen Vereinsmitglieder und widmet sich im übrigen der unmittelbaren Beratung und Betreuung der Klienten, wozu u.a. Sprechstunden in der eigenen Wohnung, Hausbesuche, Korrespondenz und Verhandlungen mit Behörden, mit Wohlfahrtseinrichtungen, Gerichten, Vermietern usw., Hausaufgabenbetreuungen und Besuche in Vollzugsanstalten gehören. Die bis zum Unfall ganztägige Arbeit für den Sozialdienst teilte sich ungefähr je hälftig auf die Arbeit zuhause und im Büro (das Büro befindet sich ein Stockwerk höher im Haus der Kl.) und auf Auswärtstätigkeiten (z.B. Behördengänge, Hausbesuche, Hausaufgabenbetreuungen, soweit sie nicht im Haus der Kl. gemacht wurden) auf. Die Auswärtsbesuche erledigte die Kl. überwiegend mit dem Auto.
b) Durch den Unfall am 7. 7. 1992 ist die Kl. während der Krankenhausaufenthalte einschließlich der Zwischenzeiten, als sie noch Rekonvaleszentin war und sich schonen mußte, d.h. bis zum 3. 11. 1992, zunächst voll ausgefallen; daß sie auch im Krankenhaus, wie die Zeugin P geschildert hat, für den Sozialdienst telefoniert und zusammen mit der Zeugin Schreib- und Büroarbeiten erledigt hat, war überobligationsmäßig und ist nach denRechtsgrundsätzen zur Vorteilsausgleichung (vgl. Palandt/Heinrichs, Vorb. § 249 Rdnr. 125) nicht schadensmindernd zu berücksichtigen. Die Kl. hat vorgetragen, daß sie bis zum Unfall im Juli 1992 an den Werktagen durchschnittlich 8-10 Stunden für den Sozialdienst gearbeitet hat. Die Zeugin A hat diese Arbeitsstunden als „Netto-Arbeitszeit“ unter Berücksichtigung der zwischendurch anfallenden Arbeitsunterbrechungen bestätigt. Ausgehend von diesen glaubwürdigen Angaben nimmt die Kammer 40 Arbeitsstunden für den Sozialdienst pro Woche an, die für die ersten Monate des vollen Ausfalls der Kl. von der Bekl. zu entschädigen sind. Bei der Schätzung der Arbeitszeit wurde auch berücksichtigt, daß die Kl., wie sie unbestritten vorgetragen hat, auch samstags für den Sozialdienst gearbeitet hat. Außerdem steht den Arbeitsunterbrechungen, die bei einer Arbeit zuhause und im eigenen Wirkungskreis eher anfallen, die insoweit bei der Kl. gegenüber einem beruflich arbeitenden Sozialarbeiter wesentlich längere „Bereitschaftszeit“, eine Quasi-Dienstzeit, die keine vollwertige Freizeit ist, gegenüber; nach den Schilderungen der Zeuginnen P und A telefoniert die Kl. normalerweise von 8.00 Uhr-20.00 Uhr und oft noch außerhalb dieser Zeiten mit den und für die Klienten. Im übrigen würde auch der von der Kl. angesetzte Stundensatz von 15 DM, der wesentlich niedriger ist als der Stundensatz eines angestellten Sozialarbeiters (einem solchen ist die Kl. nach ihrer Vorbildung und beruflichen Erfahrung ohne weiteres vergleichbar), durchaus eine gewisse großzügigere Bemessung der zu vergütenden Zeit, verglichen mit der vielleicht zum Teil intensiver genutzten Arbeitszeit eines im Anstellungsverhältnis Arbeitenden, erlauben.
Für die nachfolgende Zeit ab November 1992 nimmt die Kammer entsprechend dem Vortrag der Kl. einen Arbeitsausfall von zwei Stunden täglich an. Insoweit hat die Kl. hauptsächlich, wie die Zeugin A angegeben hat, ihre Auswärtsarbeit (Besuche bei den zu Betreuenden, bei Behörden usw.) einschränken müssen; dies vor allem, weil sie verletzungsbedingt nicht mehr selbst Auto fährt (auch nach der Anschaffung eines Autos mit Automatik zeigt sich, daß das Selbstfahren für sie mit Schmerzen verbunden ist) und sie nunmehr darauf angewiesen ist, von anderen, insbesondere von ihrer Tochter, gefahren zu werden. Hinzu kommt, daß die Kl. seit dem Unfall viel zusätzliche Zeit für Arztbesuche, Massagen, Gymnastik u.a.m. aufwenden muß. Herauszunehmen aus der Schadensberechnung ist der Ausfall der Kl. nach dem Sturz vom 9. 3. 1995, d.h. die Zeit des Krankenhausaufenthalts bis zum 18. 5. 1995 und der sich anschließenden, bis zum 26. 9. 1995 durchgeführten Kur. Insgesamt ergibt sich damit folgende Berechnung der bis Ende Juni 1996 verletzungsbedingt ausgefallenen Stunden der sozial-caritativen Tätigkeit der Kl. …
Der von der Kl. geltend gemachte Stundensatz von 15 DM, der der durchschnittlichen Vergütung einer ungelernten Kraft (Haushaltshilfe) entspricht, ist, wie ausgeführt, nicht überhöht. Bei seiner Zugrundelegung errechnet sich ein Schaden wegen des Ausfalls der ehrenamtlichen Arbeit der Kl. von 36300 DM. Dieser Betrag liegt über den geltend gemachten 35000 DM, so daß die Klageforderung insoweit voll zuzusprechen ist. …
c) In rechtlicher Hinsicht nimmt die Kammer an, daß der Ausfall der ehrenamtlichen Arbeit der Kl. ein ersatzfähiger Vermögensschaden ist. Inwieweit bei verletzungsbedingtem Wegfall unentgeltlich erbrachter Dienstleistungen, die einen Marktwert haben, Vermögensschadensersatz zu leisten ist, obwohl der Verletzte in diesen Fällen keinen Erwerbsausfall hat, ist bisher in der Rechtsprechung, soweit ersichtlich, nur für Arbeitsleistungen in einer Haushalts- oder sonstigen Lebensgemeinschaft behandelt worden: Für den Fall der Verletzung des haushaltsführenden Ehegatten (bejahend BGHZ 38, 55 = NJW 1962, 2248; BGHZ 50, 304 = NJW 1968, 1823; BGH, NJW 1974, 1651), die Fälle der nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder einer sonstigen Haushaltsgemeinschaft zwischen Angehörigen (bejahend LG Zweibrücken, NJW 1993, 3207; verneinend OLG Köln, ZfS 1984, 132; OLG Düsseldorf, VersR 1992, 1418; Lit. nachw. bei Chr. Huber, in: Festschr. f. Steffen, S. 199 Rdnrn. 18, 19) und für den Fall eines Ordensgeistlichen, der verletzungsbedingt die ihm im Kloster zugewiesenen Arbeiten nicht mehr verrichten konnte (verneinend OLG Celle, NJW 1988, 2618; bejahend für das österreichische Recht: östOGH, ZVR 1976, 320; dazu Dunz, in: Festschr. f. Steffen, S. 135ff., und Gotthard, JuS 1995, 12ff.). Keine Urteile liegen bisher, soweit ersichtlich, für den hier zu entscheidenden Fall vor, daß unentgeltliche Dienstleistungen gegenüber außenstehenden Dritten, namentlich im sozial-caritativen Bereich oder aufgrund einer sonstigen ehrenamtlichen Tätigkeit, erbracht worden sind. Im neueren Schrifttum wird die Verpflichtung zur Leistung eines Wertersatzes in diesen Fällen überwiegend bejaht (vgl. Hagen, JuS 1969, 61 (68); Stürner, JZ 1984, 412 (415); Mertens, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 842 Rdnr. 9; ders., in: Soergel, BGB, 12. Aufl., Vorb. § 249 Rdnr. 25; Magnus, Schaden und Ersatz, 1987, S. 243, 261f.; Chr. Huber, Fragen der Schadensberechnung, 1993, S. 506; Dunz, in: Festschr. f. Steffen, S. 134, 138ff.; verneinend: Lange, Schadensersatz, 2. Aufl., S. 383; Rixecker, in: Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 21. Aufl., Kap. 4 Rdnr. 114; für das österreichische Recht: Schuhmacher, ZAS 1977, 49 Fußn. 52a). Die Kammer schließt sich dieser überwiegend vertretenen Rechtsauffassung an.
aa) Auszugehen ist von dem Grundsatz, daß nicht schon die Arbeitskraft als solche, unabhängig davon, wie und mit welchem Ergebnis sie eingesetzt worden wäre, ein ersatzfähiges Vermögensgut ist (BGHZ 54, 45 = NJW 1970, 1466; BGHZ 90, 335 (336) = NJW 1984, 1811). Demjenigen, der nur von seinem Vermögen oder von seiner Rente lebt oder arbeitslos oder arbeitsunwillig ist, entsteht durch den Verlust seiner Arbeitsfähigkeit kein Vermögensschaden. Arbeit ist im übrigen ganz unterschiedlich wertvoll; sie kann nur in concreto bewertet werden, und es gibt keinen allgemeinen Wertmaßstab für bloße Arbeitskapazität.
bb) Einen Vermögenswert stellt aber der konkrete Arbeitseinsatz dar, genauer: das Arbeits ergebnis (die Dienstleistung oder das durch die Arbeit hergestellte Gut), sofern die Arbeitsleistung einen Marktwert hat, wobei im Schadensfall nicht unbedingt, ebensowenig wie bei einer beschädigten Sache, ein entgangener Gewinn oder Verdienst Voraussetzung für die Anerkennung eines Vermögensschadens ist. Daß beim verletzungsbedingten Ausfall konkret geleisteter Arbeit, die einen Marktwert hat, auch ohne einen Erwerbsausfall Vermögensschadensersatz zu leisten ist, ist für verschiedene Fälle anerkannt:
(1) bei der Verletzung eines Arbeitnehmers oder sonst Dienstpflichtigen, der wegen fortbestehender Entgeltpflicht des Dienstberechtigten keinen Verdienstausfall hat (Grunsky, in: MünchKomm, 3. Aufl., Vorb. § 249 Rdnr. 106 m. Rsprnachw.; hierher gehört richtigerweise auch der Fall des verletzten Ordensangehörigen, der durch die im Kloster geleistete Arbeit zugleich seinen Lebensunterhalt verdient),
(2) beim Ausfall der Arbeit des haushaltsführenden oder im Geschäft des Ehepartners arbeitenden Ehegatten (BGHZ 50, 304 = NJW 1968, 1823; BGHZ 59, 172 = NJW 1972, 2217), und zwar ohne Rücksicht darauf, wieweit der verletzte Ehegatte zu der Arbeit unterhaltsrechtlich verpflichtet war (BGH, NJW 1974, 1651; Dunz, in: Festschr. f. Steffen, S. 138) (die Schadensersatzpflicht in diesen Fällen ist ein Mischfall, in dem die Rechtsgedanken der übrigen hier benannten Fallgruppen – (1) Arbeit für andere, durch die nach dem do ut des der eigene Lebensunterhalt erarbeitet wird, (2) Arbeit für sich selbst und (3) unentgeltliche Arbeit für andere – ineinandergreifen),
(3) beim Ausfall der Haushaltsarbeit, die ein Alleinstehender für sich selbst leistet, auch wenn der Geschädigte keine Haushaltshilfe einstellt (Mertens, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 842 Rdnrn. 36, 37).
Für den hier in Frage stehenden Fall der unentgeltlich einem außenstehenden Dritten erbrachten Arbeitsleistung, die einen Marktwert hat, kann nichts anderes gelten:
aaa) Kein Grund für die Versagung des Vermögensschadensersatzes in diesem Fall kann die Unentgeltlichkeit der Leistungserbringung sein. Der Gewinn oder das Entgelt ist nur im erwerbswirtschaftlichen Bereich, d.h. wo ein Gut oder eine Dienstleistung primär und entscheidend zum Erwerb von Vermögen (oder auch zu dessen Erhaltung) eingesetzt wird, das Kriterium, inwieweit das Gut oder die Dienstleistung wertvoll ist, nicht aber im Bereich der um ihrer selbst willen wertvollen Vermögensverwendung (beim, wie in BGHZ 98, 212 (218) = NJW 1987, 50 formuliert, „eigenwirtschaftlichen“ Einsatz des Vermögens). Die um ihrer selbst willen wertvolle Vermögensverwendung kann aber ebensogut im eigenen Verbrauch wie in der schenkweisen Zuwendung liegen. Wer ein Auto verschenken wollte, braucht, wenn das Auto vor der Schenkung beschädigt wird, nicht den Einwand des Schädigers zu fürchten, ihm sei, da er nach der Schenkung das Auto jetzt ebenfalls nicht mehr im Vermögen hätte, kein Schaden oder jedenfalls kein Vermögensschaden entstanden. Die hypothetische Schenkung ist kein hypothetisches Schadensereignis (wie etwa der hypothetische Verlust durch Brand oder Diebstahl), das einen vom Schädiger verursachten Schaden entfallen läßt, ebensowenig wie der hypothetische bestimmungsgemäße Eigenverbrauch (Dunz, S. 142). Auch daß ein Vermögensschaden vorliegt, kann hier nicht bezweifelt werden. Da nicht das Haben, Erhalten und Vermehren des Vermögens der Zweck des Vermögens und des Vermögensschutzes ist, sondern die in sich selbst wertvolle, außerhalb ökonomischer Zwecke liegende Verwendung der Güter (BGHZ 98, 212 (218) = NJW 1987, 50), ist bei der Schadensdifferenzrechnung (der sog. Differenzhypothese) das wertvoll verwendete und jetzt nicht mehr im Vermögen vorhandene Vermögensgut ebenso als Aktivum anzusetzen wie der noch vorhandene Vermögensgegenstand, der erst künftig verwendet werden soll; Vermögensschaden und Nichtvermögensschaden unterscheiden sich nur dadurch, und nur deswegen wird der Vermögensschaden weitergehend ersetzt als der Nichtvermögensschaden, weil das beschädigte Gut im Vermögensschadensfall einen Marktwert hat, nach dem der Geldersatz ohne weiteres zu bemessen ist (Rüßmann, in: Alternativkomm. BGB, Vorb. §§ 249-253 Rdnr. 27, unter Hinweis auf die in den Motiven II S. 22 gegebene Begründung für den nur ausnahmsweisen Ersatz des Nichtvermögensschadens; Grunsky, in: MünchKomm, 3. Aufl., Vorb. § 249 Rdnr. 12b; Wiese, Der Ersatz des immateriellen Schadens, S. 13, 21).
In alledem aber stehen die vom Geschädigten verschenkte Dienstleistung, die einen Marktwert hat, und die verschenkte Sache, die einen Marktwert hat, völlig gleich. Es macht keinen Unterschied, ob der Verletzte einen Erwerbsausfall hat und dadurch nicht mehr, wie bisher, die sozialen Dienste für einen bedürftigen alten Nachbar bezahlen kann oder ob er die Dienstleistungen ehrenamtlich selbst erbracht hat und das nunmehr verletzungsbedingt nicht mehr kann. Ebensowenig ist von Bedeutung, ob ein verletzter Handwerker, der Mitglied eines Rudervereins war und dort in vielen Freizeitstunden die Boote repariert hat, für die Reparaturleistungen Rechnungen gestellt und auf deren Bezahlung von Fall zu Fall verzichtet hat (Fall des entgangenen Verdienstes, wobei der Verzicht nach den Rechtsgrundsätzen zur Vorteilsausgleichung dem Schädiger nicht zugute kommt) oder ob er ohne Rechnungsstellungen die Arbeitsleistungen unmittelbar dem Verein geschenkt hat (vgl. das ähnliche von Dunz, S. 141 gebildete Beispiel). Im erstgenannten Fall kann auch kein Unterschied darin gesehen werden, daß durch das Schadensereignis das eine Mal Geld, das auch dem Verletzten nützlich war, entzogen wurde, im anderen Fall aber Dienstleistungen, die nur für den oder die Leistungsempfänger einen Wert hatten. Beim Vermögensschadensersatz wird nur darauf abgestellt, ob die Sache überhaupt einen objektiven, am Markt feststellbaren Wert hatte, nicht aber, ob sie gerade für den Verletzten einen Wert gehabt hat. Unerheblich beim geschädigten Altruisten ist insoweit auch, daß er ohne das Schadensereignis die Sache oder Dienstleistung einem anderen hätte zukommen lassen, während er durch den Schadensersatz einen Wert erhält, den er nunmehr auch für sich verwenden kann. Danach wird beim Vermögensschadensersatz nicht gefragt. Es muß nur der Ersatz wert dem entzogenen Wert entsprechen, auch wenn der geleistete Ersatz vielseitiger und u.U. anders verwendbar ist als das beschädigte Gut.
bbb) Kein Grund, bei ehrenamtlich erbrachten marktgerechten Arbeitsleistungen einen Vermögensschadensersatz zu verneinen, ist auch, daß sich in diesem Bereich häufig Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen vermögenswerten und nichtvermögenswerten Dienstleistungen ergeben und auch die Feststellung der Schadenshöhe oftmals schwieriger ist als beim Erwerbstätigen, dessen Arbeit ausfällt. Diese Schwierigkeiten sind vorhanden, aber sie sind nicht so prinzipiell und schwerwiegend, daß sie die schadensersatzrechtliche Ungleichbehandlung zwischen Erwerbsarbeit und unentgeltlicher Arbeit dort, wo diese der bezahlten Arbeit völlig gleich ist oder ihr nahe steht und einen vergleichbaren ökonomischen Wert hat, rechtfertigen könnte (zutr. Dunz, S. 142ff.). Es geht hier einmal um die Unterscheidung zwischen Arbeit für andere und einer Freizeitgestaltung zusammen mit anderen, die, auch wenn mit einem Ehrenamt und Sonderleistungen verbunden, nicht zu den zu entgeltenden Dienstleistungen zu rechnen ist. Zum letzteren Bereich gehören etwa, um einige eindeutige Beispiele zu nennen: die Mitgliedschaft in einem Chor oder Musik- oder Sportverein, auch wenn immer wieder Publikumsdarbietungen gegeben werden, kleinere nachbarschaftlich-freundschaftliche Hilfeleistungen, im Regelfall auch das Mitmachen in einer Selbsthilfegruppe oder Bürgerinitiative. Letztlich entscheidend ist immer das Kriterium, ob die betreffende Tätigkeit einer professionellen Arbeit noch einigermaßen verwandt und vergleichbar ist, was bei vielen Ehrenämtern grundsätzlich ausscheidet (z.B. bei ehrenamtlichen Richtern oder Gemeinderäten und auch bei den meisten Vorsitzenden-Tätigkeiten in Sport- und sonstigen Geselligkeits- und Freizeitvereinen), in anderen Fällen dagegen (man denke z.B. an Jugendgruppenleiter oder ehrenamtliche Trainer) vom Einzelfall abhängen wird, insbesondere davon, wie umfangreich, intensiv und berufsnah der Einsatz ist und sich von einer bloßen Mitgliedschaft abhebt.
Soweit es um die Ähnlichkeit ehrenamtlicher mit vergleichbaren bezahlten Tätigkeiten speziell im vorliegend in Frage stehenden sozial-caritativen Bereich geht, gibt es zwar typische Unterschiede zwischen der ehrenamtlichen und der professionellen Arbeit: Die von den bezahlten Sozialarbeitern durchlaufene berufsspezifische Ausbildung, ihre in der Regel breitere berufliche Erfahrung, daß bezahlte Sozialarbeit – schon wegen ihrer Knappheit – sich oft auf das Notwendigste oder Notwendigere konzentriert und sie bei alledem als fremdbestimmte Arbeit, ohne die jederzeit freie Wahl hinsichtlich Arbeitsumfang und Art der Aufgaben einerseits mehr „Arbeit“ ist (im Sinne eines gezielter methodischen Vorgehens, zum Teil auch im Sinne der größeren „Arbeitsüberwindung“), dafür aber unter der Garantie der Wertschätzung durch einen anderen steht, der diese Arbeit vergütet. Die genannten Unterschiede sind aber auch hier – insbesondere bei der innerhalb kirchlicher Einrichtungen oder Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege geleisteten caritativen Arbeit – nicht so gravierend, daß die ehrenamtliche der bezahlten Sozialarbeit gar nicht mehr vergleichbar und ein nach den Entgelten des Arbeitsmarktes bestimmbarer, d.h. ökonomischer Wert für sie generell zu verneinen wäre. Auch vom ehrenamtlichen Tätigen wird häufig, je nach der Art der Aufgabe, verlangt, daß er eine Kurzausbildung durchläuft oder zumindest Einführungs- und Informationskurse absolviert und sich fortbildet (Notz, Frauen im sozialen Ehrenamt, S. 129; Bendele, in: S. Müller/Rauschenbach, Das soziale Ehrenamt, 2. Aufl. (1992), S. 79). Viele ehrenamtliche Mitarbeiter bringen Kenntnisse und Erfahrungen aus ihrer Ausbildung oder früheren oder jetzigen Arbeit in einem „sozialen“ Beruf mit (Notz, S. 114f., 129ff.; Münchmeier, Bendele und Rauschenbach/Müller/Otto, in: Müller/Rauschenbach, S. 59, 78f., 234) oder „Alltagskompetenz“ (Ortmann, in: Müller/Rauschenbach, S. 49) aus ihrer Tätigkeit in der Familie und im Haushalt, wobei im sozialen Berufsfeld Form und Inhalt der Tätigkeiten – primär nämlich: die Zuwendung von Mensch zu Mensch – große Ähnlichkeit mit der privaten Arbeit als Hausfrau und Mutter haben (Rabe-Kleberg, in: Müller/Rauschenbach, S. 90), so daß in vielen Fällen durchaus die Devise gelten kann „Helfen lernt, wer hilft“ (dies auch historisch gesehen, daß nämlich die heutige berufliche Sozialarbeit, initiiert und geprägt von der Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts, ursprünglich ehrenamtliche Arbeit war; vgl.Notz, S. 51ff.; Sachße, in: Müller/Rauschenbach, S. 52). Ob Sozialarbeitertätigkeiten von professionellen oder ehrenamtlichen Mitarbeitern ausgeübt werden, ist teilweise eher zufällig, mehr von den bei den betreffenden Stellen vorhandenen Mitteln, als von der beruflichen Qualifikation und der Art der Tätigkeit bestimmt (Notz, S. 27, 128; Bendele und Rabe-Kleberg, in: Müller/Rauschenbach, S. 78 u. 92). In anderen Bereichen ergänzen sich hauptamtliche und ehrenamtliche Arbeit – oft so, daß die ehrenamtlichen Mitarbeiter für die unmittelbare persönliche Zuwendung, die sozialen Kontakte und Gespräche zuständig sind (Notz, S. 128f., 150ff.; Bendele, in: Müller/Rauschenbach, S. 75) -, ohne daß die Arbeit der einen weniger wertvoll wäre als die der anderen; denn daß die Ehrenamtlichen sich oft mehr Zeit nehmen können, daß ihre Zuwendung weniger bürokratisiert, verrechtlicht und institutionalisiert und das Interesse bei einem frei gewählten und nach eigenem Bedürfnis dosierten Einsatz oft frischer ist, kann durchaus eine fehlende berufliche Kompetenz aufwiegen (Müller-Kohlenberg und Rauschenbach/Müller/Otto, in: Müller/Rauschenbach, S. 185ff. u. 234; Notz S. 27 und – speziell für die Strafgefangenen- und Entlassenenhilfe – S. 106f. u. 150). Den verbleibenden Unterschieden kann bei der Schadens bemessung Rechnung getragen werden, etwa daß aus dem Gesamteinsatz die u.U. anfallenden „Leerzeiten“ einer Nicht-Arbeit oder einer Arbeit, die mit der professionellen nicht mehr vergleichbar ist, herausgerechnet werden (wozu auch Tätigkeiten gehören können, die beim professionell Arbeitenden zwar vorkommen, aber nur ganz untergeordnet und nicht berufswesentlich sind) oder daß, von der Vergütung der Professionellen ausgehend, ein Abschlag für Minderqualifikation und -effektivität vorgenommen wird, bis zum Stundensatz für ungelernte Kräfte (etwa dem der stundenweise arbeitenden Haushaltshilfe). Insgesamt dürften die Schwierigkeiten des Vergleichs der Tätigkeiten und der Bemessung nach den am Markt gezahlten Entgelten hier keine größeren sein als bei der Verletzung des haushaltsführenden Ehegatten, wo die Arbeit, die die Hausfrau und Mutter leistet, derjenigen einer entsprechenden beruflichen Fachkraft (Säuglingsschwester, Hauspflegerin, Hauswirtschaftsmeisterin) ebenfalls immer nur mehr oder weniger vergleichbar ist (vgl. Mertens, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 843 Rdnr. 25, § 844 Rdnr. 42b).
ccc) Nicht zu überzeugen vermag schließlich der von der Bekl. vorgebrachte Einwand einer unzulässigen „Materialisierung“ oder „Monetarisierung“ des Ehrenamts. Daß ehrenamtliche Arbeit ohne Entgelt geleistet wird, bedeutet, wie ausgeführt, nicht, daß sie keinen ökonomischen Wert hätte. Andererseits ist ein geleisteter Geldersatz nicht von Hause aus etwas „materialistisch Niedriges”, das mit einer „idealen“ Sphäre des Altruistischen nicht in Verbindung gebracht werden dürfte. Der ethische Wert des Geldes hängt von seiner Verwendung ab, und oft wird der geschädigte Altruist den Ersatz in ähnlicher Weise verwenden, wie es mit dem schadensbedingt ausgefallenen primären Gut geplant war (was aber natürlich schadensersatzrechtlich nicht im Einzelfall – es geht nur um den Ersatz eines gleichen ökonomischen Werts – geprüft wird). Umgekehrt jedoch wäre es eine gänzlich ungerechte Diskriminierung der unentgeltlich erbrachten Arbeitsleistung, sie, obwohl sie einen Marktwert hat, als ökonomisches Nichts zu behandeln, der ersatzlosen Zerstörung des Schädigers preisgegeben, nur weil sie altruistisch – und damit für viele: in einer noch höherwertigen Weise – eingesetzt werden sollte.