LG Kassel, Berufungsurteil vom 19. Dezember 1996, 1 S 613/96
Elternbürgschaft für Mitglied studentischer Wohngemeinschaft
Gericht
LG Kassel
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
19. 12. 1996
Aktenzeichen
1 S 613/96
Leitsatz des Gerichts
Die Eltern eines Mitglieds einer studentischen Wohngemeinschaft, die eine Mietbürgschaft übernommen haben, haften für die monatliche Gesamtmiete und nicht nur für den Anteil des eigenen Sprösslings, es sei denn die Haftung ist vertraglich in der Mietbürgschaft beschränkt.
Unabhängig vom Sicherungsmittel (Kaution, Bürgschaft, Versicherung, usw.) kann der Vermieter Sicherheit nur für maximal drei Monatsnettomieten verlangen.
Tatbestand
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Bekl. sind Eltern zweier Söhne, die gemeinsam mit einem Dritten von dem Kl. eine Wohnung angemietet haben. Gem. § 20 Mietvertrag haben die Bekl. sich verpflichtet, als Bürgen für die rechtzeitige Zahlung des monatlichen Mietzinses einzustehen. Gleichzeitig wurde an den Kl. in bar eine Mietkaution von 3000 DM gezahlt.
Das AG hat die Bekl. zur uneingeschränkten Zahlung verurteilt. Die Berufung der Bekl. hatte zum Teil Erfolg.
Entscheidungsgründe
Auszüge aus den Gründen:
Der Kl. kann die Bekl. nur in Höhe von 600 DM als Bürgen in Anspruch nehmen. Mit zutreffender Begründung, der sich die Kammer anschließt, hat das AG die von den Bekl. in § 20 Mietvertrag übernommene Haftung für die „rechtzeitige Zahlung“ des monatlichen Mietzinses in Verbindung mit dem über der Unterschrift der Bekl. eingetragenen Wort „Bürgen“ als Bürgschaftserklärung ausgelegt, wofür insbesondere auch die persönliche Beziehung der Bekl. zu ihren beiden Söhnen spricht, die neben einem Herrn H Mitglied der Wohngemeinschaft waren und mit Wirkung ab 1. 1. 1993 das Mietverhältnis mit dem Kl. über eine Wohnung in dessen Haus eingegangen waren. Damit haften die Bekl. gem. § 765 BGB für die Erfüllung der Mietzinsverpflichtung in ihrem jeweiligen Bestand. Weder aus der (schriftlichen) Bürgschaftserklärung noch aus den Begleitumständen ist eine Einschränkung ihrer Haftung dergestalt ersichtlich, daß sie nur für eine anteilmäßige Haftung ihrer Söhne als Mieter gegenüber dem Kl. einstehen sollten. Aufgrund der Akzessorietät der Bürgschaft bezog sich diese auf die Hauptschuld aus dem Mietvertrag als Gesamtschuld gem. § 17 Nr. 1 Mietvertrag.
Der Kl. kann die Bekl. auch ohne vorherige (erfolglose) Geltendmachung seiner Ansprüche gegen den Mieter aus der Bürgschaft in Anspruch nehmen, weil die Bekl. auf die Einrede der Vorausklage gem. § 773 I Nr. 1 BGB verzichtet haben. Ein solcher Verzicht liegt in der Regel in der Übernahme der Verpflichtung zur sofortigen Zahlung zu einem bestimmten Zeitpunkt (Palandt-Thomas, BGB, 55. Aufl., § 773 Rdnr. 2). Die Bürgschaftsverpflichtung „für die rechtzeitige Zahlung“ kann danach, wie das AG zutreffend ausgeführt hat, bei verständiger Auslegung nur bedeuten, daß die Bekl. die rechtzeitige Zahlung des Mietzinses zu dem jeweiligen kalendermäßig bestimmten Fälligkeitstermin (spätestens am dritten Werktag eines Monats gem. § 4 Nr. 1 Mietvertrag) durch eine sofortige Zugriffsmöglichkeit des Kl. auf sie bei Versäumung dieser Frist sicherstellen sollten.
Soweit die Bekl. (erst) am Schluß der Berufungsbegründung vom 27. 9. 1996 die Anfechtung der Bürgschaft und des Verzichts auf die Einrede der Vorausklage wegen Erklärungsirrtums gem. § 119 I BGB erklärt haben, ist diese Anfechtungserklärung schon deshalb unbeachtlich, weil sie gem. § 121 I 1 BGB nicht unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern nach Kenntniserlangung vom Anfechtungsgrund erfolgt ist. (Wird ausgeführt.)
Allerdings ist, was das AG übersehen hat, die Haftung aus der Bürgschaft auf den Betrag von drei Monatsnettomieten beschränkt, denn die Übernahme einer weitergehenden Sicherheitsleistung einschließlich der Beibringung einer Bürgschaft ist bei Wohnraummietverhältnissen gem. § 550 b I 1, II BGB verboten und damit gem. § 134 BGB unwirksam. Da in diesem Falle der Vermieter eine solche Bürgschaft mithin ohne rechtlichen Grund erlangt hat, kann der Mieter von ihm gem. § 812 I 1 BGB verlangen, daß er den Bürgen aus der Bürgschaft nicht in Anspruch nimmt, soweit diese unter Anrechnung einer bezahlten Kaution den zulässigen Betrag von drei Monatsmieten überschreitet, und der Bürge kann diesen Freigabeanspruch seinerseits gem. § 768 I BGB dem Vermieter gegenüber einredeweise entgegenhalten (BGHZ 107, 210 = NJW 1989, 1853). Hierauf haben die Bekl. sich im Kammertermin ausdrücklich berufen. Danach reduziert sich die Bürgschaftshaftung der Bekl. auf den zulässigen Bürgschaftsbetrag von 3600 DM (3 × 1200 DM [monatlicher Nettomietzins]) abzgl. der geleisteten Kaution von 3000 DM entsprechend ausgehandelter 600 DM.