LG Lübeck, Berufungsurteil vom 2. September 1986, 14 S 122/85
Entschädigung für Nadelbefall im Garten von einer Kiefer im Nachbargarten
Gericht
LG Lübeck
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
02. 09. 1986
Aktenzeichen
14 S 122/85
Leitsatz des Gerichts
Fallen Kiefernadeln über das zumutbare Maß hinaus in den Nachbargarten, kann ein angemessener Ausgleich in Geld verlangt werden.
Tatbestand
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn in einer Wohngegend, wo die Anpflanzung von Bäumen in den Grundstücksgärten ortsüblich ist. Im Garten des Bekl. ist in unmittelbarer Nähe der Grundstücksgrenze zum Garten des Kl. eine etwa 10 m hohe und 20 Jahre alte Kiefer gepflanzt. Für den Befall der mit Zierpflanzen bewachsenen Rabatten und der Rasenflächen in seinem Garten wie auch der sein Haus umgebenden Steinplatten mit Nadeln der Kiefer des Bekl., die er mit ungewöhnlichem Zeitaufwand beseitigen lassen müsse, verlangt der Kl. vom Bekl. Schadensersatz.
Das AG hat der Klage in Höhe eines Entschädigungsbetrages von jährlich 1200 DM stattgegeben. Auf die Berufung des Bekl. hat das LG die Entschädigungssumme auf 504 DM jährlich herabgesetzt.
Entscheidungsgründe
Auszüge aus den Gründen:
Die zulässige Berufung des Bekl. ist nur teilweise begründet. Der Kl. hat gegen den Bekl. einen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Rente als Ausgleich für die von dem Grundstück des Bekl. auf das Grundstück des Kl. fallenden Kiefernnadeln gem. § 906 II 2 BGB. Nach § 906 I i. V. mit II 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen u. a. von einem anderen Grundstück ausgehenden Einwirkungen nicht verbieten, wenn diese den Gebrauch seines Grundstücks zwar wesentlich beeinträchtigen, sie aber durch eine ortsübliche Nutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt werden und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen von den Benutzern des störenden Grundstücks verhinderbar sind. Der Gestörte kann einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die ihn störenden Einwirkungen die ortsübliche Nutzung seines Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Laub, Nadeln, Blüten und Samenflug zählen nach der Rechtsprechung zu den „ähnlichen Einwirkungen” i. S. des § 906 I BGB (vgl. Palandt-Bassenge, 44. Aufl., § 906 Anm. 2b ee). Die von dem Kl. beanstandeten Nadeln sind – wie die Augenscheinseinnahme zweifelsfrei ergeben hat – Kiefernnadeln von einem Baum, der auf dem Grundstück des Bekl. in unmittelbarer Nähe der gemeinsamen Grenze steht. Andere Kiefern, von denen die Nadeln stammen könnten, hat die Kammer in der Nähe des Grundstücks des Kl. nicht vorgefunden. Die Anpflanzung von Bäumen, wie auch der hier streitigen Kiefer, ist eine in der Wohngegend der Parteien ortsübliche Grundstücksnutzung. Die Grundstücke der Parteien liegen in einer Wohngegend, in denen in den Gärten üblicherweise auch hohe Bäume – Laub – wie Nadelbäume – wachsen. Dass von der Kiefer Nadeln abfallen, ist natürlich und kann von dem Bekl. nicht verhindert werden. Die Augenscheinseinnahme hat ergeben, dass die Beeinträchtigung des Kl. durch den Nadelfall das Maß des Unwesentlichen überschreitet. Die Kammer ist in der Lage, aus eigener Sachkenntnis zu sagen, dass ein Baum in der Größe der hier streitigen Kiefer ständig in gewissem Umfang Nadeln verliert und dass sich der Nadelfall bei starkem Wind oder erheblichen Niederschlägen verstärkt. Auf dem Grundstück des Kl. wurden in der Nähe der Kiefer ebenso wie in der der Kiefer zugewandten Seite der die Terrasse umgebenden Rabatten Kiefernnadeln vorgefunden, deren Menge nach Meinung der Kammer nicht nur als unwesentlich angesehen werden kann. Dass diese Menge nach schweren Stürmen, etwa im Herbst und Frühjahr, noch erheblich größer ist, entspricht der Lebenserfahrung. Durch den Nadelanfall ist der Kl. in der ortsüblichen Benutzung seines Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Ortsüblich sind in der Wohngegend der Parteien gepflegte Ziergärten. Die Pflege ihres Gartens ist dem Kl. dadurch erheblich erschwert, dass er nicht nur von den Rasenflächen und den das Haus umgebenden Steinplatten, sondern auch aus den mit Pflanzen bewachsenen Rabatten die von dem Grundstück des Bekl. aus herüberfallenden Nadeln entfernen muss.
Den hierfür erforderlichen Arbeitsanfall schätzt die Kammer nach ihrer eigenen Erfahrung unter Berücksichtigung der Größe des optisch gesund wirkenden Baumes allerdings geringer ein, als es das AG getan hat. Nach Meinung der Kammer ist für die Beseitigung allein der Kiefernnadeln nach der Herbst- und Winterperiode – also für die Zeit von Oktober bis einschließlich Februar – ein Arbeitsaufwand von fünf Stunden erforderlich, und in der übrigen Zeit des Jahres dürfte der Nadelanfall alle 14 Tage in zwei Stunden beseitigt sein. Das sind zusätzlich zu den fünf Stunden weitere 26 Stunden im Jahr, nämlich zwei weitere Stunden Ende März und insgesamt 24 Stunden für die Monate April bis einschließlich September eines jeden Jahres. Mit der sachgemäßen Durchführung dieser Säuberungsarbeiten muss kein gärtnerisch ausgebildeter Fachmann beauftragt werden. Das Abharken bzw. Zusammenfegen oder Einsammeln der Nadeln ist eine einfache Arbeit, die auch von ungelernten Personen durchgeführt werden kann. Ein Stundenlohn in Höhe von 15 DM ist nach Meinung der Kammer für derartige Hilfskräfte angemessen und ausreichend. Das bedeutet, dass an Lohn 31 Stunden a 15 DM = 465 DM anfallen werden. Hinzu kommen die Kosten, die für die Beseitigung der anfallenden Nadeln entstehen. Diese Kosten schätzt die Kammer, orientiert an insgesamt 24 von der örtlichen Abfallbeseitigungsfirma mitzunehmenden Abfallsäcken auf jährlich 48 DM (10 Säcke für den Nadelanfall in der Zeit von Oktober bis Ende Februar eines Jahres und je 2 Säcke in den übrigen Monaten). Orientiert an diesen Berechnungsgrundlagen hält die Kammer somit ein monatliches Entgelt von 42,75 DM, das sind 504 DM jährlich, für angemessen i. S. des § 906 II 2 BGB.