LG München I, Urteil vom 23. Januar 2002, 27 O 7101/01
Haftung des Anlageberaters bei fehlendem Hinweis auf negative Beurteilung in der Presse
Gericht
LG München I
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
23. 01. 2002
Aktenzeichen
27 O 7101/01
Leitsatz des Gerichts
Ein Anlageberater muss darauf hinweisen, dass eine von ihm empfohlene Anlage in einem Dienst wie dem “Gerlach-Report” als unseriöse Anlage beurteilt wird.
Die allgemeinen Hinweise in Antragsformularen auf das Risiko von Totalverlusten befreien in solchen Fällen nicht von der Haftung.
Die Haftung wird auch nicht dadurch ganz oder teilweise ausgeschlossen, dass sich Anleger und Anlageberater seit mehr als zehn Jahren kennen und sich angefreundet haben.
Tatbestand
… Die Klägerin, ihr Ehemann und der Beklagte kennen sich sei vielen Jahren. Die Klägerin hat auf Vermittlung des Beklagten bereits in der Vergangenheit mehrere Kapitalanlagen auf Vermittlung des Beklagten getätigt. Im Februar 1997 hat sich die Klägerin zumindest unter Vermittlung des Beklagten an der Firma F.-F.-I. AG in Regensburg mit DM 15.000,- beteiligt. Wie mittlerweile allseits bekannt und vorliegend auch unstreitig, gibt es bei dieser Beteiligungsgesellschaft erhebliche Finanzprobleme. Gegen die “F.- Verantwortlichen” ist mittlerweile ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Ein derartiges Verfahren läuft gegen den Beklagten derzeit nicht. Der Einlagebetrag der Klägerin in Höhe von DM 15.000,- ist unstreitig von diese per Überweisung bezahlt worden.
Die Klägerin trägt vor, der Beklagte sei hier ihrem Mann und ihr gegenüber als kompetenter Anlageberater in Sachen Kapitalanlagen aufgetreten und habe insoweit ein besonderes Vertrauen der Klägerin und ihres Ehemanns in Anspruch genommen, insbesondere da man sich bereits seit binnen 1986 gekannt hatte und angefreundet hatte. Bei den Anlagevermittlungen vor der streitgegenständlichen habe es sich ebenfalls um unseriöse Kapitalanlagen gehandelt, insoweit seien u.a. teilweise Totalverluste aufgetreten. Hiervon habe die Klägerin und ihr Ehemann aber erst nach der streitgegenständlichen Beteiligung im Februar 1997 Kenntnis erhalten. Der Beklagte habe am 1.2.1997 die Klägerin und ihren Ehemann im Hinblick auf eine angeblich sichere Kapitalanlage beraten und insoweit die Beteiligung über die sogenannte F. AG empfohlen, die absolut ohne Risiko sei, da die investierten Gelder über US-Treasury-Bonds abgesichert seien und dies von Rechtsanwälten auch bestätigt werde. Er habe hier anhand eines Schaubildes der Klägerin und ihrem Ehemann zugesichert, dass Gewinne in Höhe von 12% pro Jahr erzielt würden und es sich aufgrund der Sicherungsabtretung um eine absolut sichere Anlage handeln würde. Aufgrund dessen habe sich die Klägerin entschlossen, diese Beteiligung zu machen. Bereits Ende 1996 sei aber in Brancheninformationsdiensten und Fachmedien vor dem Angebot der F. AG gewarnt worden, worauf der Beklagte die Klägerin nicht hingewiesen habe. Selbst wenn hier der Beklagte von der Seriosität der F.-Beteiligung selbst überzeugt gewesen wäre, so hätte er doch die Klägerin und ihren Ehemann im Hinblick auf die Veröffentlichungen spätestens seit Ende 1996 hinweisen müssen, in denen vor den enormen Risiken dieser Geldanlage gewarnt worden ist. Darüber hinaus seien die Klägerin und ihr Ehemann nicht auf die Risikohinweise auf der Rückseite des Antrages hingewiesen worden. Die Klägerin habe sich bislang nie an solchen Geschäften beteiligt und sei eine konservative Anlegerin. Sie sei keine versierte Anlegerin und habe eine Beratung durch den Beklagten hinsichtlich der streitgegenständlichen Anlage nicht abgelehnt. … Aufgrund der Verletzung seiner Beratungs- und Aufklärungspflichten sei hier der Beklagte schadensersatzpflichtig dahingehend, dass er den Einlagebetrag zurückzubezahlen habe Zug um Zug gegen Abtretung der Schadensersatzansprüche Dritten gegenüber im Zusammenhang mit dieser streitgegenständlichen Beteiligung. …
Entscheidungsgründe
… Der Beklagte ist als Anlageberater hinsichtlich der streitgegenständlichen Anlage gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann aufgetreten. Der Zeuge, der Ehemann der Klägerin, hat insoweit ausgeführt, dass am 1.2.1997 eine Beratung dahingehend stattgefunden hat, dass die Beteiligung völlig risikolos sei. Der Zeuge hat weiter ausgeführt, dass seine Ehefrau keine versierte Anlegerin sei und hier eine Beratung durch den Beklagten … nicht abgelehnt hat. … Auch ein Mitverschulden der Klägerin vermag das Gericht nicht zu sehen, dahingehend, dass sie bereits bei früheren Anlagen und der Vermittlung des Beklagten Verluste erlitten hat und dennoch diese Anlage wiederum über den Beklagten getätigt hat, da sich nach den von Klägerseite vorgelegten Unterlagen ergibt, dass zum Zeitpunkt der Tätigung der streitgegenständlichen Anlage die Verluste bei den früheren Anlagen der Klägerin noch nicht bewusst gewesen sein können.
Auch die Argumentation der Beklagten, dass auf dem Antragsformular auf der Rückseite Risikohinweise vermerkt sind und die Klägerin diese Risikohinweise gelesen hat, vermag das Gericht nicht zu überzeugen. Die dort aufgeführten Risikohinweise betreffen lediglich die allgemeinen Risikohinweise, dass bei derartigen Beteiligungen am Unternehmen auch Totalverluste auftreten können. Diese Risikohinweise betreffen aber nicht das Risiko, das sich vorliegend verwirklicht hat, dass es sich um eine ünseriöse Anlage handelt. Diese Risikohinweise ergreifen somit den vorliegenden Fall nicht und können daher den Beklagten nicht entlasten. Zu Lasten des Beklagten war vielmehr zu berücksichtigen, dass er hier die Klägerin und ihren Ehemann nicht auf negative Äußerungen hinsichtlich der streitgegenständlichen Anlage im “Gerlach-Report” hingewiesen hat. Dementsprechende Warnungen, dass es sich hier um ein unseriöses Angebot handelt, sind bereits in diesem “Gerlach-Report” Ende 1996 veröffentlicht worden. Nach den Erfahrungen des Gerichts … handelt es sich bei dem “Gerlach-Report” sehr wohl um ein seriöses Blatt, in dem entsprechende Äußerungen über diverse Geldgeschäfte und Anlagemöglichkeiten getätigt werden. Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich insoweit sehr wohl um seriöse Mitteilungen. Wenn hier der Beklagte diesen “Gerlach-Report” als privates Pamphlet abtut und als “Revolver-Blatt” bezeichnet, so zeigt dies nach Ansicht des Gerichts seine Einstellung zur Tätigkeit als Anlageberater. Als seriöser Anlageberater muss er sich zumindest mit den Äußerungen im “Gerlach-Report” auseinandersetzen und zumindest den potentiellen Anlegern die Möglichkeit geben, sich insoweit zu informieren. Es wäre hier daher Aufgabe des Beklagten gewesen, … die Klägerin und ihren Ehemann darauf hinzuweisen, dass hier von dieser Anlage abgeraten wird und diese Anlage als unseriös bezeichnet wird. Da der Beklagte dies nicht getan hat, obwohl es als Anlageberater seine Aufgabe gewesen wäre, haftet er nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo auf Schadensersatz … der vorliegend dahingehend geltend gemacht wird, dass der Einlagebetrag abzüglich der Ausschüttung zurückzuzahlen ist, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin aus dieser streitgegenständlichen Beteiligung gegenüber Dritten an den Beklagten. …