LSG Brandenburg, Berufungsurteil vom 25. Juli 2000, L 2 RA 40/00

LSG Brandenburg, Berufungsurteil vom 25. Juli 2000, L 2 RA 40/00

Zum Anspruch auf Feststellung der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in der ehemaligen DDR

Gericht

LSG Brandenburg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

25. 07. 2000


Aktenzeichen

L 2 RA 40/00


Tenor

Das Urteil des Sozialgericht Frankfurt (Oder) vom 14. Januar 2000 wird geändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 1999 verpflichtet, die Zeit vom 15. August 1960 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorggungssystem nach der Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) und die für diese Zeit nachgewiesenen Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand


Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Zeit vom 15. August 1960 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung – der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG – ).

Der am 19. August 1934 geborene Kläger hat am 29. Mai 1959 die Prüfung vor dem Prüfungsausschuss für schaltberechtigte Personen für elektrische Starkstromanlagen bestanden. Am 08. Juli 1960 legte er dann die Prüfung zum Ingenieurökonom (Elektroenergie) an der Ingenieurschule für Elektroenergie in Zittau ab. Die – diesbezüglich gestellte ingenieurökonomische Abschlussaufgabe lautete: “Umstellung der Versorgung eines Stadtteiles mit Elektroenergie von Gleich- auf Wechselstrom”.

Ab dem 15. August 1960 war der Kläger bei dem VEB Energieversorgung Frankfurt (Oder) beschäftigt und ab dem 01. Juli 1961 als Ingenieur iür Dokumentation eingesetzt. Die Ausweise für Arbeit und Sozialversicherung beinhalten für die Zeit ab 15. August 1960 bis 31. Dezember 1962 die Eintragung Ingenieur, für die Zeit ab 01. Januar 1963 die Eintragung Ingenieur für Dokumentation und ab 01. Januar 1985 die Eintragung Gruppenleiter Information und Dokumentation bis zum 30. Juni 1990.

Eine Versorgungszusage zu dem Zusatzversorgungssystem ist dem Kläger nicht erteilt worden.

Am 15. April 1999 bat der Kläger um Überprüfung der Zeit, in der eine Mitgliedschaft in einem Zusatzversorgungssystem möglich gewesen wäre. Mit Bescheid vom 14. Juni 1999 lehnte die beklagte BfA als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme die Feststellung der Zeit als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 AAÜG ab: Die Qualifikation als Ingenieurökonom entspreche nicht dem Titel eines Ingenieurs oder Technikers im Sinne der Versorgungsordnung. Der Studiengang “Ingenieurökonom” sei keine technische, sondern eine betriebswirtschaftliche Ausbildung.

Hiergegen erhob der Kläger am 20. Juli 1999 mit der Begründung Widerspruch, dass die Behauptung, dass der Studiengang als Ingenieurökonom keine technische, sondern eine betriebswirtschaftliche Ausbildung gewesen sei, falsch sei. Fakt sei, dass zur Ausbildung als Ingenieurökonom neben der fachlichen Ausbildung auch ökonomische Fächer gelehrt worden seien.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 1999 zurück: Der damalige Arbeitgeber des Klägers habe zwar die tarifliche Entscheidung getroffen, diesen als Ingenieur zu vergüten, er habe aber hinsichtlich der Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz keine Ermessensentscheidung ausgeübt.

Der Kläger hat am 11. Oktober 1999 bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) Klage erhoben. In der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2000 hat der Kläger erklärt: “Meine Tätigkeit bestand darin, Patente auszuwerten, Fachzeitschriften auszuwerten und Mitarbeiter mit wissenschaftlich-technischen Informationen zu versorgen.”

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. Januar 2000 abgewiesen. Das diesbezügliche Übergabe-Einschreiben ist am 11. März 2000 abgeholt worden.

Der Kläger hat am 10. April 2000 Berufung bei dem Landessozialgericht für das Land Brandenburg eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 14. Januar 2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 1999 zu verpflichten, die Zeit vom 15. August 1960 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem nach der Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) und die für diese Zeit nachgewiesenen Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat den Beteiligten Auszüge aus dem Werk “Berufe der ehemaligen DDR”, herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeit, zur Tätigkeit eines Elektroingenieurs, Fachrichtung Elektroenergieanlagen, eines Ingenieurökonoms, Fachrichtung sozialistische Betriebswirtschaft/Ingenieurökonomie der Energiewirtschaft sowie Ingenieurökonomie des Bergbaus übersandt und zu den Akten genommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (…), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben gemäß der Verordnung vom 17. August 1950 (GBl. I Nr. 93 Seite 844) – Versorgungsordnung – in der Zeit vom 15. August 1960 bis 30. Juni 1990 (§ 8 Abs. 1 bis 3 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AAÜG). Prüfungsmaßstab für die Frage, ob der Kläger im streitigen Zeitraum “Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist”, zurückgelegt hat, ist § 5 Abs. 1 AAÜG. Liegt für den streitigen Zeitraum – wie hier – keine Versorgungszusage vor, die nach Art. 19 des Einigungsvertrages auch nach dem Beitritt der ehemaligen DDR nach Maßgabe des Einigungsvertrages wirksam geblieben ist (vgl. hierzu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 1), kann die Frage, ob eine Beschäftigung oder Tätigkeit in einem Versorgungssystem zurückgelegt worden ist (oder – gemäß § 5 Abs. 2 AAÜG – bei Bestehen eines Versorgungssystems zurückgelegt worden wäre), nur anhand derjenigen Gegebenheiten in der ehemaligen DDR beantwortet werden, an die AAÜG maßgeblich anknüpft. Das sind bei § 5 Abs. 1 AAÜG die Texte der in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgelisteten und damit als für die Anwendung des § 5 AAÜG als insoweit bundesrechtlich relevante Fakten anerkannten Versorgungsordnungen. Deren Bedeutung ist nach Maßgabe des Bundesrechts insbesondere nach Sinn und Zweck des § 5 AAÜG, zu bestimmen. Auf die praktische Durchführung und auf die Auslegung der Versorgungsordnung seitens der ehemaligen DDR kommt es nicht an. Anderenfalls bestünde wie z. B. bei einer ohne sachlichen Grund versagten und aus politischen Gründen erst verspätet erteilten Versorgungszusage die Gefahr, dass eine in der ehemaligen DDR im Wege einer Instrumentalisierung von Versorgungszusagen zu politischen Zwecken praktizierten Willkür über die Wiedervereinigung hinaus Bestand hätte und so (nachträglich) in den Rang eines bundesrechtlich beachtlichen normativen Maßstabs erhoben würde (BSG, Urteil vom 24. März 1998 – B 4 RA 27/97 R -, SozR 3-8570 § 5 Nr. 3).

Dies gilt entsprechend hinsichtlich der zu den Versorgungsordnungen erlassenen Durchführungsbestimmungen, hier der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (- Zweite Durchführungsbestimmung – GBl. DDR, Seite 487). Als “geronnene” Verwaltungspraxis der DDR sind derartige Bestimmungen allerdings von vornherein keine vom Bundesrecht in Bezug genommenen tatsächlichen Gegebenheiten und demgemäß im Zusammenhang damit nicht von entscheidender Bedeutung (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 2000, Az. B 4 RA 63/99 R).

Von daher ist es unschädlich, dass eine Versorgungszusage dem Kläger nicht erteilt worden ist. Der Vorschrift des § 5 Abs. 1 AAÜG lässt sich das Erfordernis einer Versorgungszusage als Tatbestandsmerkmal für eine “Zeit der Zugehörigkeit” zum Versorgungssystem nicht entnehmen (BSG, Urteil vom 24. März 1998, a. a. O.). Unter Berücksichtigung der danach allein relevanten Versorgungsordnung ist festzustellen, dass der Kläger eine Beschäftigung oder Tätigkeit als “Zeit der Zugehörigkeit” zu einem Versorgungssystern zurückgelegt hat.

Die Versorgungsordnung vom 17. August 1950 über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (GBl. DDR, Seite 844) trifft selbst keine konkreten Regelungen zum Kreis der Versorgungsberechtigten. Dort heißt es in § 1 lediglich, dass für die Angehörigen der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben über den Rahmen der Sozialpflichtversicherung hinaus eine Versorgungsversicherung eingeführt wird.

Der Kläger erfüllte aufgrund seiner Berufstätigkeit als Ingenieur für Dokumentation und später als Gruppenleiter Information und Dokumentation bei dem VEB Energieversorgung Frankfurt (Oder) die genannten Voraussetzungen nach § 1 der Versorgungsordnung. Der Senat ist nach den vorliegenden Unterlagen sowie den ergänzenden Erläuterungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass der Kläger als Angehöriger der Intelligenz im technischen Bereich tätig war und dementsprechend in den sachlichen Anwendungsbereich der Versorgungsordnung fällt. Deren Bedeutung nach Maßgabe des Bundesrechts, insbesondere nach Sinn und Zweck des § 5 AAÜG als Ergänzung zu § 248 Abs. 3 SGB VI ist, dass Zeiten der Zugehörigkeit zu diesem Versorgungssystem als Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung gelten und damit – ohne eigene Beitragsleistung – nach dem Recht der DDR zustehende Ansprüche oder Anwartschaften fortführen. Insoweit ist (nach der Rechtsprechung des BSG) nur die Erfüllung der rechtlichen Voraussetzungen erforderlich, ohne das im Einzelfall tatsächlich eine Einbeziehung durch Handlungen der in der DDR maßgeblichen Stellen erfolgt sein muss.

§ 1 der Versorgungsordnung nennt als erforderlich für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung nur die Zugehörigkeit zur technischen Intelligenz und die Tätigkeit in einem volkseigenen oder einem solchen gleichgestellten Betrieb. Aus der Präambel der Verordnung ist noch zu entnehmen, dass die Versorgungsverhältnisse derjenigen geregelt werden sollten, die die “großen wissenschaftlichen und technischen Aufgaben” für die “allseitige Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und der Technik” durchzuführen hatten. Unter “technische Intelligenz” sind insoweit diejenigen zu verstehen, die – im technischen Bereich – “hochqualifizierte, vorrangig komplizierte, geistig-schöpferische Arbeit” ausgeübt haben (hierzu: Kleines Politisches Wörterbuch, Neuausgabe 1988, Dietz Verlag Berlin – DDR; Seite 417, Stichwort: Intelligenz). Erfasst wurden von dem Begriff “technische Intelligenz” jedenfalls diejenigen, die ein Studium an einer technisch orientierten Ausbildungseinrichtung absolviert hatten, welches sie für entsprechende Aufgaben qualifizierte. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Mit dem an der Ingenieurschule für Elektroenergie in Zittau erworbenen Titel eines Ingenieurökonoms (Elektroenergie) ist er im Hinblick auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als Angehöriger der technischen Intelligenz anzusehen. Die Regelung des § 1 der Verordnung ist insoweit weitergehend zu verstehen, als die Begriffsbestimmung in § 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung.

Als Angehörige der technischen Intelligenz galten ohne weiteres nach § 1 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 hinsichtlich der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben:

Ingenieure, Konstrukteure, Architekten und Techniker aller Spezialgebiete, wie Ingenieure und Techniker des Bergbaus, der Metallurgie, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik, der Feinmechanik und Optik, der Chemie, des Bauwesens und Statiker. Zu diesem Kreis gehören ferner Werkdirektoren und Lehrer technischer Fächer an den Fach- und Hochschulen.

Nach diesem Wortlaut wäre der Kläger nicht als versorgungsberechtigter Angehöriger der technischen Intelligenz anzusehen, denn er hat nicht den Titel eines Ingenieurs der genannten Fachgebiete, er ist vielmehr Ingenieurökonom (Elektroenergie). Der Ingenieurökonom – obwohl Studium mit technischem Einschlag – ist in § 1 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung nicht ausdrücklich genannt. Dass insoweit auf den Titel und nicht die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abzustellen ist, ergibt sich ebenfalls aus der Vorschrift des § 1 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung, nach der auf Antrag des Werkdirektors andere Personen, “die nicht den Titel eines Ingenieurs oder Technikers haben” einbezogen werden konnten. Hierfür bedurfte es aber eines speziellen Verfahrens.

Es ist auch nicht möglich, den Titel eines Ingenieurökonoms unter den Begriff eines Ingenieurs im Sinne der Vorschrift der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Versorgungsordnung zu subsumieren. Die Ausbildungsordnungen der DDR unterschieden sehr wohl zwischen diesen beiden Abschlüssen. So setzte die Ausbildung zum Elektroingenieur, Fachrichtung Elektroenergieanlagen, den erfolgreichen Abschluss der 10. Klasse der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule oder eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem Beruf der Elektrotechnik voraus und dauerte drei Jahre einschließlich eines Praktikums. Die Ausbildung zum Ingenieurökonom, Fachrichtung sozialistische Betriebswirtschaft/Ingenieurökonomie der Energiewirtschaft konnte demgegenüber neben dem erfolgreichen Abschluss der 10. Klasse auch mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung als Wirtschaftskaufmann/frau oder einem Beruf der Energiewirtschaft durchgeführt werden. Während die Ausbildung als Elektroingenieur Kenntnisse über den Aufbau und die Berechnung elektrischer Leitungen und Netze sowie weitere technische Ausbildungsziele und Inhalte in den Vordergrund stellte, war vorrangiges Ziel der Ausbildung zum Ingenieurökonom die Kenntnisse der ökonomischen Grundlagen über den betrieblichen Reproduktionsprozess in seiner volkswirtschaftlichen Verflechtung und daneben naturwissenschaftlich-technische und wirtschafts- bzw. industriezweigtypisch technologische Grundkenntnisse (Berufe der ehemaligen DDR, Herausgeber Bundesanstalt für Arbeit, Band 7, Seite 114 f. sowie Band 8, Seite 7 f.). Wenn der Verordnungsgeber der ehemaligen DDR insoweit den Begriff des Ingenieurs verwendet, so ist es deshalb nicht möglich, einen Ingenieurökonom zu diesem Personenkreis zu zählen. Dass im Falle des Klägers die Ausbildung möglicherweise technischer ausgerichtet gewesen ist, ändert daran nichts, da auf die abstrakte Möglichkeit der Subsumtion des Ingenieurökonoms unter den Begriff des Ingenieurs abzustellen ist.

Damit ist die Einbeziehung des Kläger in die Verordnung allerdings nicht ausgeschlossen, zumal in erster Linie die Bestimmungen der Versorgungsordnung und nicht die dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen maßgeblich sind (BSG B 4 RA 63/99). Der Begriff des “Angehörigen der technischen Intelligenz” in § 1 der Versorgungsordnung ist – wie erwähnt – umfassender. Dies wird bestätigt durch die weitere Einbeziehungsmöglichkeit nach der Zweiten Durchführungsbestimmung in deren § 1 Abs. 1 Satz 2. Auf Antrag des Werkdirektors konnten durch das zuständige Fachministerium bzw. die zuständige Hauptverwaltung auch andere Personen, die verwaltungstechnische Funktionen bekleiden, wie stellvertretende Direktoren, Produktionsleiter, Abteilungsleiter, Meister, Steiger, Poliere im Bauwesen, Laboratoriumsleiter, Bauleiter, Leiter von produktionstechnischen Abteilungen und andere Spezialisten, die nicht den Titel eines Ingenieurs oder Technikers haben, aber durch ihre Arbeit bedeutenden Einfluss auf den Produktionsprozess ausüben, eingereiht werden.

Der Kläger hätte auch nach diesen – hier nicht verbindlichen – Vorschriften der Zweiten Durchführungsbestimmung einbezogen werden können und war damit grundsätzlich von § 1 der Versorgungsordnung erfasst.

Für die Einbeziehung auf Antrag war erforderlich, dass es sich bei den ausgeübten Tätigkeiten um verwaltungstechnische Funktionen handelte, die von der Zweiten Durchführungsbestimmung mit “stellvertretenden Direktoren, Produktionsleitern, Abteilungsleitern, Meistern, Steigern, Polieren im Bauwesen, Laboratoriumsleitern, Bauleitern, Leitern von produktionstechnischen Abteilungen und anderen Spezialisten” umschrieben werden. Eine Einbeziehung auf dieser Grundlage liegt hier jedoch schon deshalb nahe, als der Kläger durch seine Tätigkeit den erforderlichen “bedeutenden Einfluss auf den Produktionsprozess” gehabt hat. Der Kläger hat nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Patente ausgewertet, Fachzeitschriften ausgewertet und Mitarbeiter mit wissenschaftlich-technischen Informationen versorgt. Dies entspricht einer Einsatzmöglichkeit wie sie in der DDR für Ingenieurökonomen ausdrücklich beschrieben waren: “Mitarbeit auf dem Gebiet der Betriebsorganisation, Informatik und Dokumentation” (Berufe der ehemaligen DDR, Herausgeber Bundesanstalt für Arbeit, Band 8, Seite 7 f.). In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger überzeugend dargestellt, dass er auf Produktionsentscheidungen des volkseigenen Betriebes erheblichen Einfluss hatte, insbesondere dass seine Zustimmung zu Projekten mitentscheidend war. Er hatte also nicht nur Informationen zu sammeln und weiterzugeben. Dies wird bestätigt durch die beigezogenen berufskundlichen Informationen, nach denen es unter den Ingenieurökonomen der ehemaligen DDR Einsatzmöglichkeiten gab, die einen erheblich höheren Einfluss auf den Produktionsprozess hatten, so die Mitarbeit bei der Organisation, Kontrolle und Rationalisierung der Produktionsprozesse, die Mitarbeit bei der Entwicklung neuer und Durchsetzung vorhandener Technologien, die Mitarbeit bei der Leitung und Planung, Finanzierung und Abrechnung, Kontrolle und Analyse der betrieblichen Reproduktionsprozesse (Berufe der ehemaligen DDR, a. a. O., Bd. 8, Seite 7 f.). Insgesamt ist es kaum vorstellbar, dass der Kläger – wie ausgeführt jedenfalls Angehöriger der Intelligenz – mit dem von ihm glaubhaft dargestellten Aufgabengebiet keinen bedeutenden Einfluss auf den Produktionsprozess gehabt hat. Die Auswertung von Patenten und wissenschaftlicher Literatur dürfte in einem Produktionsbetrieb jedenfalls dann der Verbesserung der Produktivität dienen, wenn anschließend auch – wie hier – eine Einbindung in die entsprechenden Entscheidungsprozesse erfolgt ist, wobei bereits die Tatsache des Einsatzes eines Hochschulabsolventen mit auch technisch orientierter Ausbildung die Bedeutung der Tätigkeit indiziert.

Dem Vorgesagten ist jedenfalls zu entnehmen, dass nach der allgemeinen Regelung in § 1 der Versorgungsordnung der Kreis der Einzubeziehenden weiter gefasst war, als dies im ersten Teil der Regelung des § 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung geschehen ist. War es möglich, den Kläger nach den als “geronnene” Verwaltungspraxis der DDR zu verstehenden Bestimmungen der Zweiten Durchführungsbestimmung in die Verordnung einzubeziehen, so ist dies erst recht nach dem weiteren Wortlaut des § 1 der Verordnung erforderlich.

Der Kläger hat danach im streitigen Zeitraum eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt, für die die Versorgungsordnung in § 1 die Einführung einer Versorgungsversicherung vorsah. Die Beklagte wird die Zeiten sowie die darin nachgewiesenen Arbeitsentgelte festzustellen haben.

Die Einbeziehung des Klägers in die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates, eingeführt mit Wirkung vom 01. März 1971 (AAÜG-Anlage 1 Nr. 19), kommt demgegenüber nicht in Betracht, da diese lediglich für Leiter und Mitarbeiter des Staatsapparates vorgesehen war (§ 1 Abs. 1 der Ordnung über freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates, Beschluss des Ministerrates vom 29. Januar 1971, abgedruckt bei Aichberger II Nr. 208).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Vorinstanzen

SG Frankfurt (Oder), 14.1.2000

Rechtsgebiete

Sozialrecht