LSG Hamburg, Beschluss über Beschwerde vom 11. April 2005, L 5 B 58/05

LSG Hamburg, Beschluss über Beschwerde vom 11. April 2005, L 5 B 58/05

Einkommensanrechnung nach SGB II bei eheähnlicher Gemeinschaft

Gericht

LSG Hamburg


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

11. 04. 2005


Aktenzeichen

L 5 B 58/05


Leitsatz des Gerichts

Die Regelung, dass die Person, die mit dem Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, zur Bedarfsgemeinschaft gehört, ist nicht verfassungswidrig (gegen SG Düsseldorf, NJW 2005, 845).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Das SG hat es abgelehnt, die Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Ast. Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II zu gewähren.

Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Ast. ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Ast. hat jedenfalls nicht, was Voraussetzung wäre, glaubhaft machen können, einen Anspruch auf die begehrten Leistungen zu besitzen (§ 86b II 2 SGG i.V. mit §§ 920 II, 294 ZPO). Dem Antrag kann unter Beachtung des Gebots eines effektiven Rechtsschutzes und der erforderlichen Berücksichtigung der Interessen des Ast. und ihrer Abwägung mit dem öffentlichen Interesse nicht stattgegeben werden. Für diese Abwägung ist – insbesondere wenn wie hier durch die einstweilige Anordnung faktisch die Hauptsacheentscheidung vorweggenommen wird – in erster Linie entscheidend, ob der Ast. mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit mit einem Erfolg im Hauptsacheverfahren rechnen kann. Dieses ist nicht der Fall, denn der Ast. ist unter Berücksichtigung des Einkommens seiner Partnerin Frau A, mit der und deren Tochter er eine Bedarfsgemeinschaft bildet (§§ 7 III Nr. 3 lit. b, Nr. 4 SGB II), nicht hilfebedürftig i.S. von § 9 II 1 SGB II, wie das SG im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat. Auf die diesbezüglichen Ausführungen kann verwiesen werden (§ 153 II SGG analog), zumal der Ast. seine Behauptung, es bestehe keine eheähnliche Gemeinschaft zwischen ihm und Frau A offensichtlich nicht mehr aufrechterhalten will. Denn er führt in der Beschwerdeschrift nur noch aus, dass er die Leistungen der Ag. benötige, weil „…wir mit Frau A´s Gehalt nicht meine Krankenversicherung bezahlen können…“.

Der Ast. trägt zur Begründung seiner Beschwerde zum einen vor, dass das Einkommen seiner Partnerin zur Deckung seines Unterhalts nicht ausreiche, insbesondere könnten daraus die Beiträge für seine freiwillige Krankenversicherung nicht beglichen werden. Das Einkommen von Frau A decke gerade deren eigenen sowie den Bedarf ihrer minderjährigen Tochter, da sie noch einen Kredit für den von ihr beruflich benötigten PKW abzuzahlen habe. Zum anderen ist der Ast. unter Bezugnahme auf die Ausführungen des SG Düsseldorf im Beschluss vom 16. 2. 2005 (NJW 2005, 845) der Auffassung, dass § 9 II 1 SGB II wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG verfassungswidrig sei. Beide Einwendungen verhelfen seiner Beschwerde nicht zum Erfolg.

Zwar hat der Ast. die vorgetragene Kredittilgung glaubhaft gemacht (vgl. die in der Sachakte befindlichen Unterlagen), jedoch handelt es sich dabei nicht um vom Einkommen seiner Partnerin abzusetzende Beträge gem. § 11 II SGB II. Diese Norm ist auf Grund ihres abschließenden Charakters einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Ergänzend ist allein anzumerken, dass die vom Ast. vorgelegte Berechnung nicht vollständig ist. Denn die Unterkunftskosten sind nicht in voller Höhe von der Bedarfsgemeinschaft zu tragen. An diesen hat sich auch der zwar nicht zur Bedarfsgemeinschaft, aber zur Haushaltsgemeinschaft zählende volljährige Sohn seiner Partnerin mit einem Viertel zu beteiligen.

Vorliegend stellt sich auch nicht die Frage, ob die Tragung von Beiträgen zur freiwilligen gesetzlichen oder privaten Kranken- und/oder Pflegeversicherung zu einer Hilfebedürftigkeit des Ast. führt, denn dieser hat auf Nachfrage des Senats erklärt, sich nicht versichert zu haben.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 7 III lit. b SGB II bestehen nach summarischer Prüfung nicht. Ein Verstoß gegen Art. 3 I GG liegt entgegen der vom SG Düsseldorf vertretenen Auffassung, auf die sich der Ast. bezieht, nicht darin, dass durch §§ 7 III lit. b, 9 II 1 SGB II eine Einkommens- und Vermögensberücksichtigung des Partners nur bei eheähnlichen Gemeinschaften ebenso wie bei nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten und Lebenspartnern, nicht aber auch bei anderen Lebens-, Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaften – wie etwa Gemeinschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern, die nicht Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz sind, oder Verwandten – vorgeschrieben ist. Die eheähnliche Gemeinschaft ist auch heute noch eine typische, häufiger anzutreffende Erscheinung des sozialen Lebens als eine homosexuelle Gemeinschaft. Der Gesetzgeber durfte daher nach wie vor davon ausgehen, dass die eheähnliche Gemeinschaft in weitaus größerer Zahl vorkommt und sich als sozialer Typus deutlicher herausgebildet hat als die genannten anderen Gemeinschaften. Er ist bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht verpflichtet, alle denkbaren Fallgestaltungen differenzierend zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 87, 234 = NJW 1993, 643 = SozR 3-4100 § 137 Nr. 3). Zudem berücksichtigt das SG Düsseldorf im genannten Beschluss nicht, dass es bei der Anrechnung der Mittel nichtehelicher (heterosexueller) Partner und Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz darum geht, eine Benachteiligung von Ehegatten zu verhindern. Würden allein die Mittel eines Ehepartners, nicht aber die Mittel eines Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft oder von Partnern nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (vgl. dazu BVerfG, NJW 2002, 2543 [2548]) bedürfnismindernd angerechnet, wäre Art. 3 I GG i.V. mit Art. 6 GG verletzt. Selbst wenn man von einer grundrechtswidrigen Benachteiligung eheähnlicher Gemeinschaften im Verhältnis zu entsprechenden homosexuellen Gemeinschaften ausginge, könnte der Ast. entgegen der vom SG Düsseldorf vertretenen Auffassung im Wege der einstweiligen Anordnung keine Leistungen nach dem SGB II begehren. Ausgehend vom Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 7 III lit. b, 9 II 1 SGB II, Leistungen nur bei Hilfebedürftigkeit eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft zu gewähren, könnte eine das verfassungsrechtliche Benachteiligungsgebot verletzende Ungleichbehandlung zwischen Partnern eheähnlicher Lebensgemeinschaften und homosexueller Gemeinschaften konsequent nur dadurch beseitigt werden, dass auch das Einkommen des Partners einer homosexuellen Gemeinschaft zu berücksichtigen ist, nicht jedoch durch Nichtanrechnung des Partnereinkommens bei eheähnlichen Gemeinschaften (vgl. dazu auch Wank/Maties, Anm. zu SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, DB 2005, 619).

Soweit eine Ungleichbehandlung mit Hausgemeinschaften zwischen Verwandten und Verschwägerten gerügt wird, ist darauf zu verweisen, dass in diesen Fällen gem. § 9 V SGB II vermutet wird, dass der Hilfsbedürftige von den Mitgliedern der Hausgemeinschaft Leistungen erhält, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

Rechtsgebiete

Sozialrecht; Nichteheliche Lebensgemeinschaft

Normen

SGB II §§ 7 III Nr. 3 lit. b, 9 II 1