OLG Celle, Beschluss über weitere Beschwerde vom 14. Januar 2004, 4 W 221/03
Zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung durch Aufstellen eines Holzgartenhauses auf zum Sondereigentum gehörender Dachterrasse
Gericht
OLG Celle
Art der Entscheidung
Beschluss über weitere Beschwerde
Datum
14. 01. 2004
Aktenzeichen
4 W 221/03
Leitsatz des Gerichts
Ein Holzgartenhauses auf der zum Sondereigentum gehörenden Dachterrasse ist regelmäßig als bauliche Veränderung anzusehen, weshalb die Zustimmung aller Wohnungseigentümer notwendig ist.
Tatbestand
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Bet. sind die Eigentümer und die Verwalterin einer Wohnungseigentumsanlage in W. Den Ast. gehört die im Dachgeschoss (2. OG) des Gebäudes gelegene Wohnung Nr. 13. Die Dachterrasse vor dieser Wohnung ist in der Teilungserklärung anders als hinsichtlich der Terrassen der ebenerdig gelegenen Wohnungen nicht ausdrücklich als Bestandteil des Sondereigentums der Ast. bezeichnet. Im Aufteilungsplan ist die Dachterrasse wie sämtliche zum Sondereigentum gehörenden Wohnräume mit der Nummer 13 markiert. Die Ast. stellten auf der Dachterrasse einen Holzschuppen zur Unterbringung von Gartengeräten und Terrassenmöbeln auf. Nachdem sie die ursprünglich auf der Terrasse verlegten Bodenplatten entfernt und Hydrokulturen gepflanzt hatten, verlegten sie die Bodenplatten auf Wunsch der Ag. wieder zurück. Die Ag. sehen durch das Holzgartenhaus auf der Terrasse das äußere Erscheinungsbild der Anlage beeinträchtigt und befürchten, dass durch die vorübergehende andere Nutzung der Terrasse und den nicht durch eine Fachfirma durchgeführten Rückbau die Unterkonstruktion der Terrasse beschädigt worden sein könnte. Mit dem Beschluss der Eigentümerversammlung vom 19. 9. 2002 wurde zu TOP 2 die Verwaltung ermächtigt, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme eines Rechtsanwalts die Ast. auf Wegnahme des Gartenhauses zu verklagen. Zu TOP 3 soll eine Fachfirma eine Überprüfung der Dachhaut der Terrasse auf Kosten der Ast. übernehmen, die eventuelle Schäden durch einen Fachbetrieb beseitigen lassen sollen.
Das AG hat mit Beschluss vom 28. 3. 2003 den Antrag der Ast. vom 17. 10. 2002 zurückgewiesen, diese Beschlüsse für ungültig zu erklären. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde vom 6. 5. 2003 hat das LG mit seinem Beschluss vom 29. 11./1. 12. 2003 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtete sich die weitere sofortige Beschwerde der Ast. ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Auszüge aus den Gründen:
II. Die sofortige weitere Beschwerde der Ast. ist nicht begründet.
Rechtsfehlerfrei haben die Vorinstanzen angenommen, dass die Mehrheitsbeschlüsse zu TOP 2 und 3 der Eigentümerversammlung vom 19. 9. 2002 als gültig anzusehen sind. Zwar beziehen sich die mit dem Antrag der Ast. gem. § 43 I Nr. 4 WEG angefochtenen Beschlüsse auf Veränderungen im Bereich der Dachterrasse, die nach der nicht zu beanstandenden Auslegung der auf die Begründung des Wohnungseigentums gerichteten Vereinbarungen durch das LG zu dem Sondereigentum der Ast. gehört. Diese Auslegung berücksichtigt die in Betracht kommenden Gesichtspunkte und ist mit den gesetzlichen Auslegungsregeln, den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen vereinbar. Trotz der fehlenden Erwähnung der Zugehörigkeit der Dachterrasse zu dem Sondereigentum der Ast. an der Wohnungseigentumseinheit Nr. 13 in der Teilungserklärung ist die Dachterrasse nämlich in dem in der Teilungserklärung in Bezug genommenen Aufteilungsplan entsprechend den gesetzlichen Anforderungen gem. § 7 IV Nr. 1 WEG ebenso wie die Wohnräume mit der Nummer 13 gekennzeichnet. Die Ast. unterliegen jedoch auch im Gebrauch der in ihrem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile den sich aus §§ 14 Nrn. 1, 3 und 5, 15 III WEG resultierenden Beschränkungen.
1. Vor diesem Hintergrund haben die Vorinstanzen zu Recht angenommen, dass die Ast. nach § 1004 I 1 BGB, § 15 III WEG verpflichtet sind, das hölzerne Gartenhaus von der Dachterrasse der Wohnung Nr. 13 zu entfernen, weil es sich um eine bauliche Veränderung i.S. von § 22 I WEG handele, die nicht ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer hingenommen werden müsse. Die durch die Aufstellung des Gartenhauses bewirkte bauliche Veränderung hat nämlich zu einem über das zulässige Maß nach §§ 14 Nr. 1, 22 I WEG bzw. § 5 Nr. 3 Teilungserklärung hinausgehenden Nachteil für die übrigen Wohnungseigentümer geführt. Eine derartige Beeinträchtigung kann auch in einer nachteiligen Veränderung des architektonischen Gesamteindrucks der Wohnanlage bestehen (vgl. BayObLGZ 1995, 118 = WuM 1995, 504; OLG Zweibrücken, NJOZ 2003, 227 = FGPrax 2003, 60 = ZMR 2004, 60). Im vorliegenden Fall verlangt § 7 Nr. 5 der Teilungserklärung zudem die Zustimmung des Verwalters für Maßnahmen im Bereich des Sondereigentums, die wie das Aufstellen einer Außenantenne, das Erscheinungsbild des Gebäudes verändern. Ausweislich des von den Vorinstanzen in Bezug genommenen Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 19. 9. 2002 zu TOP 2 sind die Ast. anlässlich der Information der Verwaltung über die beabsichtigte Aufstellung des Gartenhauses darauf hingewiesen worden, dass diese Maßnahme eine bauliche Veränderung darstelle, die ausschließlich von der Gesamtheit der Eigentümergemeinschaft genehmigt werden könne. Ob in dem jeweiligen Einzelfall eine nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks vorliegt, hat grundsätzlich der Tatrichter festzustellen und zu entscheiden (vgl. BayObLGZ 1995, 118 = WuM 1995, 504 [505]). Dabei ist es im Grundsatz nicht zu beanstanden, wenn an Stelle eines Ortstermins für die Beurteilung des Objekts auf ein zu den Akten gereichtes Lichtbild abgestellt wird (vgl. OLG Zweibrücken, NJOZ 2003, 227 = FGPrax 2003, 60 = ZMR 2004, 60 [62] m.w. Nachw.). Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen ihre tatsächlichen Feststellungen auf das zu den Akten gereichte Lichtbild gestützt, auf dem die Rückseite des Gebäudes mit einem Teil des Gartens abgebildet und das streitbefangene Gartenhaus auf der Dachterrasse deutlich zu erkennen ist. Das LG ist ohne Verfahrensfehler und für den Senat als RBeschwGer. bindend zu dem Ergebnis gekommen, dass das auf dem Lichtbild abgebildete Gartenhäuschen in nicht hinzunehmender Weise den optischen Gesamteindruck der Wohnungseigentumsanlage beeinträchtigt. Dabei hat das LG zutreffend erkannt, dass nicht entscheidend ist, ob die Veränderung aus bestimmten Positionen, etwa aus den zu dem Sondereigentum eines einzelnen sich gestört fühlenden Wohnungseigentümers gehörenden Räumen, sichtbar ist (vgl. OLG Zweibrücken, NJOZ 2003, 227 = FGPrax 2003, 60 = ZMR 2004, 60). Aus diesem Grunde kommt es entgegen der Auffassung der Ast. nicht darauf an, dass eine Beeinträchtigung von den nicht mit den Ag. identischen anderen Bewohnern der Wohnanlage nicht gerügt worden sein soll. Für die Beurteilung ist vielmehr allein maßgeblich, ob die Veränderung generell von außen her, also z.B. von der Straße oder vom Garten aus wahrnehmbar ist (vgl. OLG Zweibrücken, NJOZ 2003, 227 = FGPrax 2003, 60 = ZMR 2004, 60). Das Lichtbild vermittelt aus der Sicht vom Garten der Wohnanlage aus entgegen der Ansicht der Ast. einen Gesamteindruck, weil es einen Großteil den rückwärtigen Gebäudeseite über die gesamte Höhe des Gebäudes einschließlich des anschließenden Gartenbereichs abbildet. Dabei ist das hellbraune Gartenhaus der Ast. zwar nicht vollständig zu sehen, weil es die Terrassenbrüstung nur mit seinem oberen Teil überragt. Indessen steht diese Einschränkung nicht der in der angefochtenen Entscheidung enthaltenden Bestätigung der Feststellung des AG entgegen, dass sich das Gartenhaus wegen seiner markanten Gestaltung und deutlichen Sichtbarkeit nachteilig auf das Gemeinschaftseigentum auswirke. Die Art der Nutzung der an den Garten der Wohnanlage angrenzenden Flächen und die fehlende feste Verbindung des zur Unterbringung von Gartengeräten und Terrassenmöbeln genutzten Holzhauses mit dem Gebäude steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Es genügt, dass die Holzblockhütte sich auf das Gesamtbild der rückwärtigen Fassade wie ein Fremdkörper auswirkt. Deshalb ist die Aufstellung eines Gartenhäuschens auf einer Dachterrasse regelmäßig als bauliche Veränderung anzusehen, die der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf (vgl. BayObLGZ 1995, 118 = WuM 1995, 504; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 14 Rdnr. 36).
2. Mit Recht haben die Vorinstanzen auch den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 19. 9. 2002 zu TOP 3 als wirksam angesehen, dass von einer durch die Verwalterin auszuwählende Fachfirma kurzfristig bestätigt werden soll, dass die Dachhaut von dem rückgebauten Teil der Terrasse der Wohnung 13 unbeschädigt ist und dass gegebenenfalls eventuelle Beschädigungen aufgegeben werden, die dann von den Ast. als Eigentümer der Wohnung Nr. 13 durch einen Fachbetrieb zu beseitigen sind.
Entgegen der Ansicht der Ast. fehlt es nicht an einer Rechtsgrundlage für diesen mehrheitlich gefassten Beschluss. Vielmehr war die Eigentümerversammlung gem. §§ 15 II , 21 II und V Nr. 2 WEG zur Beschlussfassung über Instandhaltungsmaßnahmen an dem gemeinschaftlichen Eigentum im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung befugt. Damit korrespondiert die Verpflichtung der Ast. als einzelne Wohnungseigentümer gem. § 14 Nr. 4 WEG, das Betreten und die Benutzung der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zu gestatten, soweit dies zur Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist, wobei hierdurch entstandene Schäden am Sondereigentum dem Wohnungseigentümer unabhängig vom Verschulden zu ersetzen sind. In der Teilungserklärung ist ebenfalls vorgesehen, dass die Instandhaltung der zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Teile der Gemeinschaft obliegt und von dem jeweiligen Verwalter durchzusetzen ist (§ 7 Nr. 1), so dass auch gegen die beschlossene Auswahl des Fachbetriebes durch den Verwalter keine Bedenken bestehen. Im vorliegenden Fall ist die mögliche Instandsetzung der Dachhaut unterhalb des zum Sondereigentum der Ast. gehörenden Dachterrasse und damit gem. § 5 II WEG gemeinschaftliches Eigentum betroffen.
Die Wahrnehmung der Verpflichtung zur Instandsetzung möglicher Schäden erfasst grundsätzlich als notwendige Vorstufe auch die hier in Rede stehende Feststellung, ob Maßnahmen der Instandsetzung in Betracht kommen (vgl. Bärmann/Pick/Merle, § 14 Rdnr. 59). Der Senat verkennt nicht, dass an die Erforderlichkeit der Durchführung entsprechender Feststellungen, die das Betreten der zum Sondereigentum gehörenden Räume erforderlich machen, schon wegen des grundgesetzlich verankerten Schutzes der Wohnung gem. Art. 13 GG strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. BayObLGZ 1996, 146 [148] = NJWE-MietR 1996, 229; Bärmann/Pick/Merle, § 14 Rdnr. 59). Danach ist das Betreten einer Eigentumswohnung i.S. von § 14 Nr. 4 WEG grundsätzlich nur erforderlich, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen. Indessen müssen sich die Ast. im vorliegenden Fall entgegen halten lassen, dass sie in der Vergangenheit ohne die notwendige Zustimmung der Ag. nachteilige Veränderungen an der zu ihrem Sondereigentum gehörenden Terrasse vorgenommen haben, welche die latente Gefahr von Schäden an der darunter befindlichen Dachhaut begründet haben. Die Ast. hatten nämlich die Bodenplatten entfernt und dort statt dessen Hydrokulturen angesiedelt. Eine derartige Begrünung der Dachterrasse stellt selbst dann eine nach §§ 13 I , 14 Nr. 1, 22 I 1 WEG nachteilige, das gemeinschaftliche Eigentum beeinträchtigende, bauliche Veränderung dar, wenn sie in statischer Hinsicht und vom optischen Eindruck her als unbedenklich anzusehen ist, weil mögliche Schäden am Dach nur unter Erschwerungen festgestellt und behoben werden können (vgl. OLG Hamm, OLG-Report 1997, 161).
Die Vorinstanzen haben rechtsfehlerfrei angenommen, dass dieser Verstoß der Ast. gegen die ihnen obliegende Verpflichtung aus § 14 Nr. 1 WEG die Besorgnis einer möglichen Beschädigung der Dachhaut unterhalb der Terrasse begründete. Der von den Ast. vorgenommene Rückbau hat diese Besorgnis nicht beseitigt. Die Wiederherstellung des ursprünglichen Bodenbelags durch die Ast. gewährleistet nämlich nicht, dass die darunter liegende Dachhaut frei von Schäden durch die vorher vorgenommenen baulichen Veränderungen oder durch den Rückbau selbst ist. Die Ast. haben nicht geltend gemacht, dass sie oder die bei der Ortsbesichtigung seitens der Ag. und der Verwalterin anwesenden Personen die erforderliche Fachkunde zur Untersuchung des Zustands des Terrassenaufbaus unterhalb des Bodenbelags besitzen. Das Argument der Ast., dass auch Fachbetriebe im Baugewerbe mangelhafte Leistungen erbrächten, ändert nichts daran, dass bei einer Wiederherstellung des Bodenbelags durch einen Fachbetrieb mit einiger Wahrscheinlichkeit die Wiederherstellung ordnungsgemäß erfolgt und etwaige, damals bereits vorhandene Mängel des Untergrundes entdeckt und behoben worden wären oder anderenfalls die fehlende Notwendigkeit der Instandsetzung der Dachhaut verlässlich festgestellt worden wäre. Zumindest würde es in diesem Fall an ausreichenden Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der von der Eigentümerversammlung beschlossenen nachträglichen Untersuchung durch eine Fachfirma fehlen. Der bloße Ablauf von mehr als 1½ Jahren seit der in Rede stehenden Baumaßnahme steht der Besorgnis von Schäden an der Dachhaut deshalb nicht entgegen, weil derartige, durch die Wiedereinbringung der Bodenplatten zunächst nicht mehr sichtbare Schäden sich als verborgene Mängel auch erst nach Ablauf längerer Zeit in deutlich wahrnehmbaren Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums oder des Sondereigentums anderer Wohnungseigentümer, insbesondere in den darunter liegenden Geschossen, bemerkbar machen können. Diese allgemeinkundige Erfahrung hat sich gerade in der Festlegung der Gewährleistungsfrist für Baumängel im Werkvertragsrecht auf 5 Jahre niedergeschlagen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 634a Rdnr. 10). Die Feststellung des LG auf Grund der Erörterung in der mündlichen Verhandlung, es bestehe kein Grund zu der Annahme, dass die Ag. auf Kosten der Ast. einen unangemessen hohen Untersuchungsaufwand betreiben wollten und dass auf die Möglichkeit stichprobenartiger Untersuchungen hingewiesen worden sei, ist mit der weiteren sofortigen Beschwerde nicht (als verfahrensfehlerhaft) angegriffen worden und bindet den Senat. Die in dem angefochtenen Beschluss vorgesehene Überbürdung der Kosten der zu beauftragenden Fachfirma auf die Ast. ist mit Rücksicht auf die von ihnen bei der Entfernung des Bodenbelags und der Einbringung von Hydrokulturen ohne die erforderliche Zustimmung der Ag. begangene Pflichtverletzung gem. § 280 I BGB, § 14 Nr. 1 WEG gerechtfertigt. Dies gilt auch für die ebenfalls beschlossene Pflicht zur Kostentragung für die Beseitigung etwaiger Schäden, die in Folge der o.a. baulichen Veränderung an der Dachhaut entstanden sind.