OLG Düsseldorf, Beschluss über Beschwerde vom 15. Januar 1990, 5 Ss (OWi) 475/89
Störung der Nachtruhe der Nachbarn durch Lärm
Gericht
OLG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
15. 01. 1990
Aktenzeichen
5 Ss (OWi) 475/89
Leitsatz des Gerichts
Der Inhaber der Wohnung ist dafür verantwortlich, daß von einer von ihm darin veranstalteten Geburtstagsfeier kein Lärm ausgeht, der die Nachtruhe zu stören geeignet ist.
Das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 I GG) gibt dem Wohnungsinhaber nicht das Recht, „einmal im Monat durch lautstarkes Feiern die Nachtruhe zu stören“.
Tatbestand
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Das AG hatte den Betr. wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen § 9 I NRWImschG gem. § 17 I NRWImschG zu einer Geldbuße von 200 DM verurteilt. Hiergegen wandte sich der Betr. Er rügte die Verletzung materiellen Rechts. Sein Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Auszüge aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 80 I OWiG – soweit sie durch Abs. 2 dieser Vorschrift nicht weitgehender eingeschränkt wird – nur zuzulassen, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Das AG hat festgestellt:
Der Betr. ist Eigentümer eines Vier-Familienhauses. In diesem Haus bewohnt er eine im ersten Stock gelegene Wohnung. Hier feierte die Ehefrau des Betr. am 27. 8. 1988 ihren Geburtstag. Zu der bereits am Nachmittag begonnenen Feier erschienen sechzehn Gäste. Diese hielten sich überwiegend im Wohn/Eßzimmer auf, das nach hinten zur Gartenseite gelegen ist. Von diesem Zimmer aus kann der zur Wohnung gehörende Balkon betreten werden. Sowohl die Balkontür als auch die Fenster waren während der Feier geöffnet. Zur Unterhaltung der Gäste spielte der Betr. Musik von einem Kassettenrekorder. Es wurde getanzt und auch gesungen. Der infolge dieser Geräuschentwicklung auftretende Lärm war deutlich wahrzunehmen. Bewohner der angebauten Nachbarhäuser „A 5“ und „6“ konnten trotz geschlossener Fenster nicht einschlafen oder wurden aus dem Schlaf geweckt. Aufgrund von Anwohnerbeschwerden schritten die Polizeibeamten S und D deutlich nach 22 Uhr ein und forderten den Betr. zur Einhaltung der Nachtruhe auf. Nachdem kurzzeitig der Kassettenrekorder leiser gestellt wurde, erschienen die beiden Polizeibeamten aufgrund erneuter Beschwerden von Nachbarn über Lärmstörungen ein zweites Mal gegen 1.30 Uhr am 28. 8. 1988. Sie forderten den Betr. nochmals zur Einhaltung der Nachtruhe auf. Dieser zeigte sich uneinsichtig unter Hinweis darauf, daß es ihm zustehe, einmal im Monat auch nach 22 Uhr lautstark feiern zu dürfen.
Die allein erhobene Sachrüge führt nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde.
I. Die Beweiswürdigung des AG läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Sie ist nachvollziehbar, frei von Denkfehlern und Widersprüchen und verstößt nicht gegen Erfahrungssätze.
II. Der festgestellte Sachverhalt trägt die Verurteilung wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen § 9 I NRWImschG zur äußeren und inneren Tatseite rechtsbedenkenfrei.
1. a) Nach § 9 I NRWImschG sind von 22 Uhr bis 6 Uhr Betätigungen verboten, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind.
Zu „Betätigungen“ im Sinne dieser Vorschrift zählt als „aktives Tun“ das „ruhestörende Betreiben von Anlagen“ und „das hiervon unabhängige ruhestörende Verhalten von Personen“ (Boisseree-Oels-Hansmann-Schmitt, ImmissionsschutzR, Stand: Februar 1983, NRWImschG § 9 Erl. 1.1; Wiethaup, Lärmbekämpfung in der BRep. Dtschld., 2. Aufl., S. 158).
Wann eine Störung der Nachtruhe vorliegt, richtet sich nach der Intensität des Lärms und nach dem Gebietscharakter (Industriegebiet, Gewerbegebiet, gemischte Nutzung, reines Wohngebiet), in dem sich der Lärm auswirkt (Senat, Beschl. v. 17. 3. 1981 – 5 Ss (OWi) 77/81 und NVwZ 1984, 197 = NRWIMBl 1983, 186).
b) Die Feststellungen tragen in ausreichendem Maß die Annahme von Lärm, der die Nachtruhe zwischen 22 Uhr und 6 Uhr zu stören geeignet war.
aa) Belegt wird dies durch die rechtsfehlerfrei festgestellten Lärmbelästigungen, die von den an der Geburtstagsfeier teilnehmenden Personen und dem von dem Betr. abgespielten Kassettenrekorder ausgingen.
Zwar hat das AG nicht ausdrücklich festgestellt, in welchem Gebiet sich das Haus des Betr. befindet. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist jedoch zu entnehmen, daß sich das Geschehen in einem Bereich abgespielt hat, in dem, wenn er nicht reines Wohngebiet ist, doch überwiegend Wohnungen untergebracht sind.
bb) Soweit der Betr. die Auffassung vertritt, er dürfe einmal im Monat auch nach 22 Uhr lautstark feiern und damit die Nachtruhe stören, ist diese Meinung rechtsirrig. Eine entsprechende „Erlaubnis“ ergibt sich weder aus den Vorschriften des Landesimmissionsschutzgesetzes, noch kann sich der Betr. in diesem Zusammenhang mit Erfolg auf Art. 2 I GG berufen und die Verfassungsmäßigkeit von § 9 NRWImschG in Frage stellen.
Zwar gewährleistet nach den in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten Grundsätzen Art. 2 I GG die allgemeine Handlungsfreiheit in einem umfassenden Sinn (zuletzt BVerfG, NJW 1989, 2525). Jedoch steht diese allgemeine Pesönlichkeitsentfaltung – abgesehen von einem absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung – unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Rechtsordnung (BVerfG, NJW 1989, 2525).
Dies bedeutet für den Betr., daß er sein Verhalten nach den bestehenden Gesetzen auszurichten und auch Vorschriften des Landesimmissionsschutzgesetzes zu beachten hat. Es ist offenkundig, daß § 9 NRWImschG einer verfassungsmäßigen Überprüfung standhält, so daß sich ein weiteres Eingehen auf diese Frage erübrigt.
c) Der Betr. war als Eigentümer der Wohnung bzw. des Hauses auch gehalten, wegen der vorrangigen schutzwürdigen Belange seiner Nachbarschaft den von den feiernden Gästen und von dem von ihm selbst abgespielten Kassettenrekorder ausgehenden Lärm durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden. Dies wäre ihm, wie das AG festgestellt hat, auch ohne weiteres möglich gewesen.
2. Nicht zu beanstanden ist, daß das AG den Betr. wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 9 NRWImschG verurteilt hat. Spätestens seit dem ersten Einschreiten der Polizei wußte er um die Lärmbelästigung. Hierbei kann dahinstehen, ob das AG bereits ein vorsätzlich begangenes Verhalten vor dem ersten Einschreiten der Polizei hätte prüfen müssen. Dies würde die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht rechtfertigen.
III. Ebenso kann dahinstehen, ob das AG die Voraussetzungen des § 10 I NRWImschG hätte prüfen müssen, da der Betr. Musik von einem Kassettenrekorder abgespielt hat. Das angefochtene Urteil mag insoweit rechtsfehlerhaft sein. Dies rechtfertigt indes nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Der Rechtsfehler ist nicht auf Wiederholung angelegt.