OLG Frankfurt a.M., Beschluss über sofortige Beschwerde vom 5. November 2013, 16 W 60/13
Gegendarstellung bei mehreren Betroffenen
Gericht
OLG Frankfurt a.M.
Art der Entscheidung
Beschluss über sofortige Beschwerde
Datum
05. 11. 2013
Aktenzeichen
16 W 60/13
Leitsatz des Gerichts
Zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Veröffentlichung von Gegendarstellungen nach § 9 Hessisches Pressegesetz
Tenor
AnmerkungDie Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 02.10.2013 (Az.: 2-03 O 366/13) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beschwerdeführerinnen je zur Hälfte zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 60.000,– € festgesetzt.
Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss findet nicht statt.
Entscheidungsgründe
Gründe
Die Antragstellerinnen begehren von der Antragsgegnerin die Veröffentlichung von Gegendarstellungen in der nächsten zum Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der Zeitung X. Dabei haben die Antragstellerinnen zu 1) und 2) jeweils gesonderte Gegendarstellungsverlangen geltend gemacht jeweils verbunden mit entsprechenden Hilfsanträgen. Darüber hinaus wurde mit weiterem Hilfsantrag eine gemeinschaftliche Gegendarstellung zu X vom … in folgender Form verlangt:
Sie schreiben: „Täterpartei“. So lautet … der Vorwurf, den A den E wegen ihrer pädophilen Vergangenheit macht. Die „B“-Chefin wollte den Text nicht drucken. … steht sein Aufsatz heute in der X – Author’s Cut.“
Dazu stellen wir fest: Den Aufsatz hätten wir in der Fassung, in der Sie ihn veröffentlicht haben, auch veröffentlicht. So hat ihn uns Herr A nicht angeboten. (Unterschriften)
Im Einzelnen streiten die Parteien um die Veröffentlichung eines Artikels den der Redakteur A geschrieben hat. Herr A hat bereits häufiger Beiträge zum Thema Päderastie geschrieben und auch über den …Skandal ein Buch veröffentlicht. Er war am … von der Redakteurin der „B“ C mit einem Beitrag zum Thema „Pädophilie und …“ unter dem Arbeitstitel „…“ für die Ausgabe von …/… beauftragt worden. Auftragsgemäß erstellte Herr A einen entsprechenden Beitrag, der von dem zuständigen Ressortleiter der Antragstellerinnen und dem Justiziar am … geprüft wurde und in das Redaktionssystem eingestellt wurde.
Nachdem die Antragstellerin zu 2) den Beitrag gelesen hatte, teilte sie dem Autor mit, dass sie den zuständigen Redakteur angewiesen habe, den Text in der Wochenendausgabe nicht zu drucken, da er voller falscher Tatsachenbehauptungen und ohne aktuellen Kontext sei. Man könne sich am Montag im Detail darüber unterhalten.
Am … wurde der Vorgang auf der Redaktionskonferenz der Antragstellerinnen besprochen. Als Ergebnis dieser Besprechung teilte der Autor dann der Antragstellerin zu 1) mit:
„Ist hiermit nicht mehr bei euch. Ihr habt den Text abgelehnt. Ich untersage Euch also, meinen Text zu drucken auch nur als Faksimile. Ich bitte um Bestätigung.“
In der Folgezeit wurde der von Herrn A erstellte Beitrag von der Antragsgegnerin geprüft und redigiert. In der Y-Zeitung vom … der Antragsgegnerin wurde dann auf der Titelseite auf diesen Artikel hingewiesen und dabei auch ausgeführt, dass die „B“ Chefin den Text nicht drucken wollte. Dafür seien alle möglichen Gründe genannt worden, auch in der Redaktionskonferenz.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es an einem Verfügungsanspruch fehle. Dabei wurden in dem Beschluss des Landgerichts bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Zuleitung mehrerer Gegendarstellungen geäußert, aber ein Verfügungsanspruch deshalb letztlich verneint, weil der Darstellung der Antragsgegnerin in der Y-Zeitung in dem Gegendarstellungsverlangen keine Tatsachen gegenüber gestellt worden seien. Die verlangte Gegendarstellung, dass die Textfassung, wäre sie denn angeboten worden, veröffentlicht worden wäre, beziehe sich nicht auf etwas Geschehenes oder Bestehendes sondern lediglich auf einen theoretisch denkbaren Vorgang. Das Gegendarstellungsverlangen sei deshalb durch eine Wertung geprägt, der eine prognostische Einschätzung zugrunde liege für eine im Raum stehende hypothetische Entscheidung. Das Gegendarstellungsverlangen baue deshalb nicht auf tatsächlichen Grundlagen auf, sondern stelle selbst einen Abwägungsprozess dar, der einen zumindest überwiegend subjektiven Gehalt habe.
Gegen diesen ihnen am 07. Oktober 2013 zugestellten Beschluss wenden sich die Antragstellerinnen mit ihrer bei Gericht am 14. Oktober 2013 eingegangenen sofortigen Beschwerde. Nach Kenntniserlangung des Beschlusses der Kammer des Landgerichts Frankfurt am Main haben die Antragstellerinnen der Antragsgegnerin 6 weitere Fassungen der Gegendarstellung zugeleitet, auch insoweit hat die Antragsgegnerin mitteilen lassen, dass auch diese Gegendarstellungsfassungen von ihr nicht verbreitet würden. Wegen des Inhalts der in der Beschwerde zusätzlich geltend gemachten Hilfsanträge wird auf die Auflistung (Bl. 56 – 58 d. A.) verwiesen.
Die Antragstellerinnen sind der Auffassung, die von dem Landgericht vorgenommene Wertung sei nicht zutreffend, da es sich bei der verlangten Gegendarstellung um eine sogenannte „innere Tatsache“ handele und nicht um eine Meinungsäußerung. Zudem berücksichtige das Landgericht nicht, dass die Aussage in dem veröffentlichten Text falsch sei. Die Antragstellerinnen hätten nämlich den Text nur deshalb nicht veröffentlicht, weil vermeidbare Risiken presserechtlicher Art bestanden hätten, wenn der Text nicht umgeschrieben würde. Genau diese Umschreibung sei aber von der Antragsgegnerin veranlasst worden, ohne dies dem Leser zur Kenntnis zu bringen. Bei der Auslegung des Ausgangstextes und der Feststellung des berechtigten Interesses der Antragstellerin sei zu berücksichtigen, dass die Gegendarstellung gerade der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung diene, indem sie gerade auch den Betroffenen zu Wort kommen lasse. Ein Gegendarstellungsanspruch sei deshalb bereits dann zu gewähren, wenn die beanstandete Äußerung mindestens ebenso gut als Tatsachenbehauptung wie als Meinungsäußerung zu verstehen sei.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Entscheidung vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§§ 569 Abs. 1, 568 ZPO). Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht und aus zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
So können die Antragstellerinnen bereits nicht jeweils isoliert Gegendarstellungsverlangen geltend machen, da für ein jeweiliges isoliertes Gegendarstellungsverlangen ein berechtigtes Interesse fehlt. Zwar ist grundsätzlich bei einer Mehrzahl von Betroffenen jeder berechtigt, mit einer eigenen Darstellung zu Wort zu kommen, jedoch gilt dies dann nicht, wenn bei gleicher Interessenwahrung inhaltsgleich weitere Gegendarstellungen verlangt werden, ohne dass ein persönlich individuelles Interesse erkennbar ist. Ein solches Vorgehen würde nämlich zu einer unbilligen Belastung der Presse führen, ohne dass dies einen sinnvollen zusätzlichen Rechtsschutz für den Betroffenen bedeuten würde. Sinn des Gegendarstellungsrechtes ist es aber nicht, die Presse zum Abdruck inhaltsgleicher Darstellungen zu zwingen, vielmehr können sich die Betroffenen zu einer gemeinsamen Gegendarstellung zusammenschließen, sofern die gegen sie gerichteten Angriffe in einem unmittelbaren sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. So liegt es aber hier, da nur auf einen von der Antragsgegnerin veröffentlichten Artikel abgestellt wird, der sich mit den Antragstellerinnen befasst. Dass hier eine gleiche Interessenlage gegeben ist, wird von den Antragstellerinnen selbst so gesehen, denn in ihrem Gegendarstellungsverlangen führen sie jeweils wörtlich aus:
„Dazu stellen wir fest.“
Durch diese gemeinsame Formulierung bringen die Antragstellerinnen aber gerade zum Ausdruck, dass hier ein einheitliches Begehren vorliegt, das demzufolge auch in einem einheitlichen Gegendarstellungsverlangen geltend zu machen wäre. Darauf hat das Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss ausdrücklich und mit zutreffenden Erwägungen abgestellt.
Auch der gemeinsam äußerst hilfsweise gestellte Antrag auf Bl. 4 der Antragsschrift vermag einen Anspruch auf Gegendarstellung nicht zu begründen, da die Voraussetzungen des § 9 Hessisches Pressegesetz nicht vorliegen. Das Gegendarstellungsrecht dient nämlich einem Betroffenen nur dazu, Sachverhaltsangaben im Wege der Selbstverteidigung an gleicher Stelle mit gleicher Publizität durch eine abweichende Sachverhaltsdarstellung zu vervollständigen. Deshalb ist eine Gegendarstellung nur gegenüber Tatsachenbehauptungen zulässig und hat sich ihrerseits auch auf Tatsachen zu beschränken und zwar neben der Anknüpfung an die Erstmitteilung auf solche, die eine Entgegnung oder notwendige Ergänzung enthalten. Maßgeblich ist aber, dass im Rahmen eines Gegendarstellungsverlangens nur Tatsachen dargestellt werden können, woran es aber vorliegend aus den von dem Landgericht dargelegten Gründen fehlt.
Eine Tatsachenbehauptung im Rechtssinne liegt nach der Rechtsprechung nämlich nur dann vor, wenn der Gehalt der Äußerung als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offen steht. Dabei ist der Prägungsaspekt der Äußerung in den Vordergrund zu stellen, d.h. es ist zu werten, ob aus Sicht des Lesers die subjektive Beurteilung im Vordergrund steht oder die weniger wertende Mitteilung von Geschehen. Hier hat das Landgericht aber zu Recht angenommen, dass der tatsächliche Charakter der Äußerung nicht überwiegt, sondern der wertende Charakter der Gegendarstellung. Die Antragstellerinnen verlangen nämlich die Darstellung, dass tatsächlich der Aufsatz, so wie er bei der Antragsgegnerin veröffentlicht wurde, auch bei ihnen veröffentlicht worden wäre. Dies ist aber eine eigene Wertungsentscheidung der Antragstellerinnen, da die Entscheidung über eine Veröffentlichung im Rahmen der Gremien der Antragstellerinnen hätte getroffen werden müssen und insoweit sich nach den Sachverhaltsvorgaben bereits erhebliche Unstimmigkeiten gezeigt hatten. Es war daher keinesfalls sicher, ob tatsächlich eine Veröffentlichung in der Form, wie sie die Antragsgegnerin vorgenommen hat, tatsächlich in der Zeitung der Antragstellerin vorgenommen worden wäre. Die Veröffentlichung hing vielmehr von vielen zufälligen und künftigen Ereignissen ab, so dass mit der Gegendarstellung eine Hypothese geäußert wird, die aber nicht als Tatsachenbehauptung gewertet werden kann. Vielmehr wird eine These aufgestellt, die die Äußerung einer erkennbar subjektiv beeinflussten Auffassung ist, die richtig oder falsch, nicht aber wahr oder unwahr sein kann. Die gesamte Gegendarstellung ist deshalb nicht als Tatsachenbehauptung zu bewerten, da das prägende Element maßgeblich im Vordergrund steht, worauf das Landgericht völlig zu Recht abstellt.
Soweit nunmehr im Rahmen des Beschwerdeverfahrens weitere Gegendarstellungsverlangen gestellt werden, ist dies zwar im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens nicht unzulässig, weil die Beschwerde auch auf neue Tatsachen gestützt werden kann (§ 571 Abs. 2 ZPO). Aber auch die neuen Gegendarstellungsverlangen rechtfertigen den Antrag des Erlasses einer einstweiligen Verfügung nicht. Hinsichtlich der jeweils selbständig geltend gemachten Gegendarstellungsansprüche gilt das bereits zuvor Gesagte, so dass allenfalls die gemeinsamen Gegendarstellungsbegehren einen Anspruch begründen könnten. Insoweit fehlt es aber an den Voraussetzungen des § 9 Hessisches Pressegesetz, worauf das Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss zutreffend abgestellt hat. Der Umfang der begehrten Gegendarstellung ist nämlich als nicht mehr angemessen im Sinne von § 9 Abs. 2 Hessisches Pressegesetz anzusehen, da sich inhaltlich mit dem Artikel auf der beanstandeten Veröffentlichung nicht auseinandergesetzt wird, sondern der Artikel erst später auf einer anderen Seite abgedruckt wurde. Zudem ist auch die Darstellung der Erstmitteilung von den Antragstellerinnen unvollständig, da nicht angegeben wird, dass in der Erstmitteilung auch aufgeführt wurde, dass für den Nichtabdruck alle möglichen Gründe genannt worden seien auch in der Redaktionskonferenz. Bereits diese Aussage in der Erstmitteilung weist eindeutig darauf hin, dass es für die Antragstellerinnen Gründe gegeben hat, den Beitrag nicht zu veröffentlichen. Da also von der Antragsgegnerin nicht suggeriert wurde, dass grundlos die Veröffentlichung des Artikels verweigert wurde, kann die begehrte Gegendarstellung in dem Umfang nicht dargestellt werden, da § 9 Abs. 2 Hessisches Pressegesetz keinen Anspruch auf eine detaillierte Schilderung von Gründen gibt. Ein solcher Anspruch ist allenfalls dann gegeben, wenn sie für das Verständnis des Lesers und zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlich sind. Daran fehlt es aber, da in der Erstmitteilung gerade dargestellt wurde, dass aus verschiedenen Gründen ein Abdruck des Artikels nicht vorgenommen wurde. Der Leser kann daher auf Grund der Erstmitteilung davon ausgehen, dass hier eine Prüfung stattgefunden hat, nicht aber ist es im Rahmen eines Gegendarstellungsverlangens möglich, die Gründe nunmehr im Einzelnen detailliert darzulegen. Die Anführung ergänzender Fakten ist nur dann zulässig, wenn durch Unvollständigkeit ein falscher Anschein entsteht. Hier ist auch nicht eine Unvollständigkeit von der Antragsgegnerin aufgezeigt worden, vielmehr hat sie dargestellt, dass verschiedene Gründe gegen eine Darstellung genannt worden seien. Zudem wurde auch auf die Redaktionskonferenz verwiesen. Dies impliziert die Darstellung einer entsprechenden Prüfung, so dass für Erläuterungen kein Raum mehr eröffnet ist, da sie zur Klarstellung des Sachverhalts nicht notwendig sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, da das Rechtsmittel der Antragstellerinnen erfolglos geblieben ist.
Der Beschwerdewert war gemäß § 3 ZPO entsprechend dem Interesse der Antragstellerinnen an der begehrten Gegendarstellung anzusetzen, welches der Senat mit 60.000,– € bewertet hat, da es sich um eine Gegendarstellung auf der Titelseite gehandelt hat.
Auf Grund der Wertungsentscheidung des § 542 Abs. 2 ZPO ist ein Rechtsmittel gegen diesen in einem einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Beschluss des Beschwerdegerichts nicht gegeben.