OLG Hamm, Berufungsurteil vom 12. Juli 1991, 20 U 109/91
Parkhausdiebstahl in der Hausratversicherung
Gericht
OLG Hamm
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
12. 07. 1991
Aktenzeichen
20 U 109/91
Leitsatz des Gerichts
Ein Parkhaus ist ein Gebäude i. S. von § 5 I VHB 84. Es besteht deshalb im Rahmen der Außenversicherung Versicherungsschutz, wenn ein in einem Parkhaus abgestellter Pkw erbrochen und daraus Hausrat entwendet wird.
Tatbestand
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kl. hat bei der Bekl. eine Hausratversicherung abgeschlossen, der die VHB 84 zugrundeliegen. Der Lebensgefährte, der Zeuge W, besitzt einen VW Passat Kombi, dessen hinter dem Fahrersitz liegende Fenster weitestgehend mit Reklame abgeklebt sind. Am 27. 2. 1990 wurden ihm, so behauptet die Kl., aus seinem Pkw ein Lederkostüm, ein Pelzmantel und vier kleinere Orientbrücken, die er auf Wunsch der Kl. zur Reinigung bringen wollte, entwendet. Der Zeuge hatte den Pkw im Parkhaus der Firma K in G. abgestellt und, er mußte zuvor für die Dauer von etwa 1/2 Stunde zur Sparkasse und zum Finanzamt, mit einer Decke zusätzlich abgedeckt. Der oder die Täter haben den Pkw nach den Feststellungen der Polizei durch Aufhebeln des Schlosses der Hecktür des Fahrzeugs geöffnet. Mit der Klage verlangt die Kl. den behaupteten Wert der entwendeten Gegenstände in Höhe von 9998 DM.
Das LG hat der Klage entsprochen. Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Auszüge aus den Gründen:
1. Der von der Bekl. auch in dieser Instanz noch bestrittene Diebstahl ist bereits durch die Vernehmung des Zeugen W vor dem LG erwiesen, wie dieses zutreffend ausgeführt hat, der Senat nimmt hierauf Bezug. Die Meinung der Berufung, es sei nicht recht verständlich, daß die entwendeten Gegenstände über die Karnevalstage beschmutzt worden sein könnten, vermag eine andere Entscheidung ersichtlich nicht zu rechtfertigen.
2. Unerheblich ist, daß die Bekl. in der Berufungsinstanz, wie sie in Verkennung ihres eigenen Sachvortrags meint, „weiterhin“ den Wert der Gegenstände bestreitet. Sie hat diesen Wert in der mündlichen Verhandlung vor dem LG ausdrücklich unstreitig gestellt und damit – im Anschluß an ein Gutachten ihres eigenen Sachverständigen – zugestanden.
Unverständlich ist der Hinweis der Bekl. auf die Entschädigungsgrenze des § 19 VHB 84. Abgesehen davon, daß von Bedeutung allenfalls die niedrigere Entschädigungsgrenze des § 12 V VHB 84 sein könnte, wird auch diese Entschädigungsgrenze bei einer Versicherungssumme von 150000 DM auch nicht entfernt tangiert.
3. Soweit die Parteien auch in dieser Instanz darüber streiten, ob das Abstellen des Fahrzeugs durch den Zeugen W in einem Parkhaus als grob fahrlässig einzustufen ist, was das LG verneint hat, bedarf es einer Stellungnahme des Senats hierzu nicht. Denn der Zeuge W ist mangels weitergehenden Sachvortrags auch als Lebensgefährte der Kl. nicht ihr Repräsentant (BGH, NJW 1989, 2474 = VersR 1989, 909). Soweit in der Klausel die in häuslicher Gemeinschaft lebenden volljährigen Personen dem Repräsentanten gleichgestellt werden, ist die Klausel wegen Verstoßes gegen § 9 AGB-Gesetz, wie der Senat bereits entschieden hat, nichtig (OLG Hamm, NJW-RR 1990, 165 = VersR 1990, 420 = R + S 1990, 133).
4. Entscheidungserheblich ist danach die Frage, ob die Voraussetzungen des versicherten Risikos „Erbrechen von Behältnissen“, § 5 Ib VHB 84, vorliegen. Unproblematisch und zwischen den Parteien auch nicht umstritten ist, daß ein Pkw ein Behältnis i. S. des § 5 Ib VHB 84 ist (vgl. Martin, SachversicherungsR, D III 7 f.). Nach den Feststellungen der Polizei, die mit den Angaben des Zeugen W übereinstimmen, ist der Pkw auch erbrochen worden. Daß dies nicht innerhalb des regelmäßigen Versicherungsorts, nämlich der Wohnung der Kl. (§ 10 VHB 84) erfolgte, ist mit Rücksicht auf die vereinbarte Außenversicherung unerheblich (§ 12 VHB 84).
Problematisch kann danach allein sein, ob das Parkhaus als Gebäude bzw. Raum eines Gebäudes angesehen werden kann. Das LG hat das bejaht. Der Senat tritt dieser Rechtsauffassung bei.
Martin (D III Rdnr. 3) bezeichnet als Gebäude ein unbewegliches, allseitig umschlossenes, auf oder unter der Erdoberfläche errichtetes Bauwerk, das den Eintritt von Menschen gestattet und Unbefugte abhalten kann (ebenso: Dietz, Hausratversicherung 84, 2. Aufl., § 5 Anm. 2.1). Speziell zu Parkhäusern führt Martin (D III Rdnr. 4) aus, daß diese schon dann als Gebäude anzusehen sind, wenn mit Hilfe technischer Einrichtungen die Zufahrt oder die Ausfahrt (nicht notwendig auch: der Zugang oder der Ausgang für Fußgänger) von Kraftfahrzeugen verhindert werden kann, mögen diese Einrichtungen auch zeitweilig außer Funktion gesetzt oder defekt sein. Danach ist auch das in Rede stehende Parkhaus als Gebäude anzusehen. An Ein- und Ausfahrt befinden sich Schranken, wie die Bekl. zwar bestreitet, wie aber für gebührenpflichtige Parkhäuser offensichtlich und durch die von der Kl. vorgelegten Lichtbilder auch belegt ist. Die Zugänge und Zufahrten zum Parkhaus können durch Tore und Türen ferner verschlossen werden. Daß diese Sicherungseinrichtungen zum Zeitpunkt des Diebstahls außer Funktion waren, ist ohne Belang.
Bei einer derartigen Sachlage braucht der Senat die Frage nicht abschließend zu entscheiden, ob die Gebäudeeigenschaft eines Parkhauses überhaupt davon abhängen kann, ob man die Ein- oder Ausfahrt von Fahrzeugen oder die Zutrittsmöglichkeit von Fußgängern verhindern kann. Nach allgemeinem Sprachverständnis kann jedenfalls kein Zweifel daran bestehen, daß etwa ein gebührenfreies Parkhaus, das nicht mit Schranken versehen ist, gleichwohl als Gebäude zu bezeichnen ist. Nach dem insoweit maßgeblichen Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne fachliche Spezialkenntnisse (BGH, VersR 1989, 73 = R + S 1989, 166; Senat, VersR 1990, 775) verhält es sich nicht anders. Was sonst, wenn nicht ein Gebäude, ein Parkhaus sein soll, hat auch die Bekl. im Senatstermin nicht aufzeigen können. Aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung, wie es sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erschließt, ergibt sich nichts anderes. Die Qualifikation des § 5 Ib VHB 84 beruht erkennbar nicht darauf, daß das Gebäude verschließbar oder gar verschlossen ist, sondern darauf, daß ein verschlossenes Behältnis in einem Gebäude erbrochen wird. Andernfalls läge nämlich in der Regel schon die Qualifikation des § 5 Ia VHB 84 vor. Neben der Voraussetzung des Erbrechens eines Behältnisses begründet der Umstand, daß dies in einem Gebäude erfolgen muß, keine weitere Schutzfunktion zur Erschwerung von Diebstählen. Auch im Normalfall des § 5 Ib VHB 84 liegt ein versicherter Diebstahl nämlich vor, wenn eine befugte Person oder gar ein Mitbenutzer der Wohnung dort ein Behältnis erbricht. Das Gebäude hat deshalb weniger eine Abwehrfunktion. Jedenfalls in der Außenversicherung dient es eher der Begrenzung und Bestimmung des Versicherungsorts. Daß Parkhäuser ein – gegenüber Parkplätzen – gesteigertes Risiko darstellen, wie die Bekl. aufzuzeigen sucht, ist danach ohne Belang.
Soweit nach § 5 Ib VHB 84 Versicherungsschutz nur besteht, wenn die Tat in einem Raum eines Gebäudes erfolgt ist, ergibt sich eine weitere Einschränkung daraus nicht. Das gesamte Innere des Parkhauses ist als Raum des Gebäudes anzusehen. Durch diese Formulierung des Bedingungsgebers werden nur Diebstähle aus Außennischen, Balkonen oder ähnlichem vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, nicht aber Diebstähle aus dem Inneren eines Gebäudes (Martin, D III Rdnr. 5; Dietz, § 5 Anm. 2.1).
Nach allem ist der Diebstahl von Hausrat aus Kraftwagen, die in Parkhäusern abgestellt sind, versichert, sofern dazu der Pkw aufgebrochen werden mußte. Dem steht nicht entgegen, daß der Bedingungsgeber der VHB 84, § 3 B V VHB 74 ist ersatzlos gestrichen worden, keine Entschädigung für Sachen leisten will, die durch Aufbrechen von Kraftfahrzeugen entwendet werden (so Dietz, § 5 S. 12). Dies umzusetzen ist dem Bedingungsgeber nur gelungen, soweit das Kraftfahrzeug außerhalb eines Gebäudes erbrochen wird, sonst besteht Versicherungsschutz nach § 5 Id VHB 84.