OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juni 1996, 15 W 15/96
Gäste als stille Zuhörer der Wohnungseigentümerversammlung
Gericht
OLG Hamm
Art der Entscheidung
Beschluss
Datum
14. 06. 1996
Aktenzeichen
15 W 15/96
Leitsatz des Gerichts
Lassen die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluß die Teilnahme von Gästen an der Eigentümerversammlung zu, so sind die gefaßten Beschlüsse jedenfalls nur dann anfechtbar, wenn durch ihre Anwesenheit deren Inhalt beeinflußt worden ist.
Zur Frage, ob die Eigentümerversammlung berechtigt ist, bei fehlender Regelung in der Gemeinschaftsordnung mehrheitlich die Zulassung von Gästen als stille Zuhörer zu beschließen.
Tatbestand
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Bet. zu 1 bis 5 sind Miteigentümer der Wohnungseigentumsanlage H-Weg; die Bet. zu 6 ist Verwalterin. In § 13 Nr. 4 der zum Grundbuchinhalt gewordenen Teilungserklärung ist bestimmt: Die Wohnungseigentümerversammlung ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten ist. Ein Wohnungseigentümer kann sich nur durch den Verwalter, seinen Ehegatten oder einen anderen Wohnungseigentümer der Gemeinschaft aufgrund schriftlicher Vollmacht vertreten lassen. In der Eigentümerversammlung vom 3. 11. 1994 beschloß die Eigentümerversammlung vor Eintritt in die Erörterung der Tagesordnung, die im wesentlichen die Beschlußfassung über den Wirtschaftsplan 1995 und “Verschiedenes” zum Gegenstand hatte, nach dem rechtlichen Hinweis der Verwalterin, daß § 13 Nr. 4 der Teilungserklärung nicht entgegenstehe, mehrheitlich gegen den Antrag des Bet. zu 1, daß die Ehefrau des Bet. zu 2 und die Lebensgefährtin des Bet. zu 4 an der Versammlung teilnehmen dürften. Der Bet. zu 1 wendet sich gegen die Teilnahme der Ehefrau des Bet. zu 2 und der Lebensgefährtin des Bet. zu 4 an der Eigentümerversammlung.
Das AG hat die Anträge zurückgewiesen. Die Rechtsmittel hatten keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Auszüge aus den Gründen:
In der Sache hält die Entscheidung des LGmit der vom Senat vorgenommenen Korrektur im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Das LG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß die in der Eigentümerversammlung vom 3. 11. 1994 gefaßten Sachbeschlüsse, die allein Gegenstand des Erstbeschwerdeverfahrens waren, nicht deshalb gem. § 23 IV WEG für ungültig zu erklären sind, weil der Bet. zu 1 eine rechtsbeeinträchtigende Geschäftsordnungsentscheidung betreffend die Zulassung der Ehefrau des Bet. zu 2 und der Lebensgefährtin des Bet. zu 4 zur Teilnahme an der Eigentümerversammlung vom 3. 11. 1994 geltend macht. Formelle Anträge und Beschlüsse zu reinen organisatorischen Geschäftsordnungsfragen und zum Ablauf der Versammlung, wozu insbesondere auch Beschlüsse über Teilnahmeberechtigung außenstehender Dritter gehören (vgl. Deckert, Eigentumswohnung, Gruppe 4, S. 40f.), sind als spontane Organisationsentscheidungen zwar nicht isoliert anfechtbar, da sie sich in der Sache sofort erledigen und auch im Falle etwaiger gerichtlicher Ungültigkeitsentscheidung nicht “rückabgewickelt” werden können. Ein nach einem solchen rechtsbeeinträchtigenden Geschäftsordnungsbeschluß ergangener Sachbeschluß kann aber jedoch auch nur dann mit Erfolg angefochten werden, wenn die fehlerhafte Geschäftsordnungsentscheidung kausal für den Fehler eines Sachbeschlusses geworden ist (vgl. Deckert, Gruppe 4, S. 41; Palandt/Bassenge,BGB, 55. Aufl., § 23 WEG Rdnr. 9 m.w.Nachw.). Es entspricht allgemeiner Meinung, daß ein in der Beschneidung von Mitwirkungsrechten liegender Formmangel bei der Durchführung der Versammlung, wozu auch ein Verstoß gegen die grundsätzliche Nichtöffentlichkeit der Wohnungseigentümerversammlung gehört, die Anfechtbarkeit der gefaßten Sachbeschlüsse gem. § 23 III 1 WEG nur dann begründet, wenn er für die Beschlußfassung im Ergebnis ursächlich geworden ist (vgl. Senat, Beschl. v. 1. 3. 1985 – 15 W 110/84; Palandt/Bassenge, § 24 WEG Rdnr. 8), hier also, wenn die Öffentlichkeit gestört hat. Nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen und dem Akteninhalt entsprechenden Tatsachenfeststellungen des LG hat der Bet. zu 1 nicht dargetan und kann auch sonst nicht festgestellt werden, daß er infolge der Zulassung der Ehefrau des Bet. zu 2 und der Lebensgefährtin des Bet. zu 4 zu der Versammlung in irgendeiner Weise in seiner Unbefangenheit als Versammlungsteilnehmer gestört oder die Abhaltung der Versammlung in irgendeiner Weise beeinträchtigt worden ist.
Das LG hat hierzu ausgeführt: Die zur Versammlung zugelassenen zwei Personen hätten sich, wie es sich aus der Anhörung vor der Kammer ergäbe, weder zu Wort gemeldet, noch gar an der Abstimmung teilgenommen. Anläßlich ihrer Anhörung vor der Kammer habe auch keiner der Bet. zu erkennen gegeben, daß er durch die Gegenwart der beiden Personen in irgendeiner Weise befangen gewesen sei. Auch gäben die mitgeteilten Tagesordnungspunkte für eine derartige Befürchtung nichts her.
Diese Feststellungen sind hinreichend, um die Kausalität der Zulassung der beiden Personen zur Eigentümerversammlung auf den Inhalt der in ihr gefaßten Sachbeschlüsse zu verneinen. Die nie völlig auszuschließende theoretische Möglichkeit einer negativen Beeinflussung der Beschlußfassung durch Anwesenheit bestimmter Personen in der Eigentümerversammlung genügt nicht; vielmehr hat der Anfechtende darzulegen, welche Einwände in der Sache er erhoben hätte, wenn die betreffenden Personen nicht anwesend gewesen wären und womit er die übrigen Abstimmungsberechtigten zu beeinflussen versucht hätte. Der Bet. zu 1 hat aber nichts dazu vorgetragen, welche Argumente er bei Abwesenheit der Ehefrau des Bet. zu 2 und der Lebensgefährtin des Bet. zu 4 zur Diskussion gestellt hätte, die für die Meinungsbildung der übrigen Versammlungsteilnehmer auch nur von Bedeutung hätten sein können. Soweit der Bet. zu 1 in der Rechtsbeschwerde erstmals auf seine durch die Zulassung der genannten Personen eingetretene Verstimmung hinweist, ist dies – unbeschadet der Erheblichkeit seines Vortrages – neues Vorbringen, mit dem er im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden kann.
Da die Beschlußanfechtungsanträge des Bet. zu 1 schon aus diesem Grunde keinen Erfolg haben können, braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden, ob dem LG darin gefolgt werden kann, bei der Eigentümerversammlung vom 3. 11. 1994 sei dadurch gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit solcher Versammlungen verstoßen worden, daß mehrheitlich die Zulassung der Ehefrau des Bet. zu 2 und der Lebensgefährtin des Bet. zu 4 beschlossen worden sei. Ob das im WEG nicht einmal gesetzlich verankerte Postulat der Nichtöffentlichkeit einer Eigentümerversammlung so weit geht, ihr zu versagen, Dritte, wie zum Beispiel Mieter, den Hausmeister, Handwerker oder Buchprüfer, ggf. sogar die Presse als stille Zuhörer zuzulassen und mehrheitlich ein Anwesenheitsrecht dieser Personen zu beschließen, sofern nicht im Einzelfall Rechtsmißbrauch vorliegt (für die Möglichkeit einer solchen Regelung vgl. Deckert, Gruppe 5, S. 26; Weitnauer/Hauger, WEG, 8. Aufl., § 23 Rdnr. 5), kann dahinstehen. Die Entscheidung des BGH vom 29. 1. 1993 (NJW 1993, 1329 = WE 1993, 165) betrifft diese Frage jedenfalls nicht unmittelbar, sondern nur den Fall, daß die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt, den Beistand eines Wohnungseigentümers von einer Versammlung auszuschließen. Auch die vom LG zitierte Entscheidung des KG (OLGZ 1986, 51 (55)) ist nicht einschlägig. Auch dort ging es ausschließlich um die Frage, ob bei durch die Gemeinschaftsordnung angeordneter Versagung des Zutritts von Besuchern der einzelne Wohnungseigentümer einen Begleiter oder Berater mitbringen kann, wenn auch nur einer der übrigen Wohnungseigentümer widerspricht. Die hier anstehende Rechtsfrage, ob die Wohnungseigentümer bei durch die Gemeinschaftsordnung nicht geregeltem Ausschluß von “stillen Teilnehmern”, kraft ihrer Befugnis zur Einberufung und Organisation der Wohnungseigentümerversammlung gem. §§ 23 II , 24 , 25 WEG berechtigt sind, einen die Zulassung solcher Personen aussprechenden Mehrheitsbeschluß zu fassen, wird durch die vorgenannte Rechtsprechung nicht unmittelbar entschieden und bedarf vorliegend aus den oben dargelegten Gründen keiner abschließenden Beantwortung durch den Senat.
Das LG hat zu Recht erkannt, daß dem Bet. zu 1 für den vor dem AG gestellten und im Erstbeschwerdeverfahren wiederholten Feststellungsantrag das in Wohnungseigentumssachen entsprechend § 256 ZPO zu beurteilende Feststellungsinteresse fehlt. Der Bet. zu 1 hat trotz entsprechenden Hinweises der Kammer in der Sitzung vom 27. 10. 1995 der Möglichkeit, den Antrag zu ändern, daran festgehalten, er wolle festgestellt wissen, daß auch bei zukünftigen Eigentümerversammlungen nur die in § 13 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Personen teilnehmen dürften, jedoch mit Zulassung von Ausnahmen entsprechend der vorgenannten Rechtsprechung des BGH. Dieser Antrag bezieht sich, wie das LG zutreffend angenommen hat, auf die abstrakte Auslegung des § 13 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung und die Anwendung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit der Wohnungseigentümerversammlung, ohne auf eine aus einem greifbaren Sachverhalt entstandene konkrete Rechtsbeziehung Bezug zu nehmen. Der Antrag des Bet. zu 1 zielt somit nicht auf eine Verpflichtung der Eigentümerversammlung, des Verwalters oder auf Feststellung der Nichtigkeit eines konkreten Beschlusses, sondern nur daraufhin, daß in zukünftigen Versammlungen das Gesetz im Sinne einer bestimmten Auslegung beachtet wird. Das aber betrifft lediglich eine abstrakte Rechtsfrage.
Entgegen der im Rechtsbeschwerdeverfahren vertretenen Ansicht des Bet. zu 1 konnte der ausdrücklich vom LG beanstandete, vom anwaltlich vertretenen Bet. zu 1 gleichwohl aufrechterhaltene Antrag auch nicht als auf Feststellung der Pflichten des Verwalters gerichtet verstanden werden. Das AG hätte daher den Feststellungsantrag als unzulässig verwerfen müssen. Diese von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens und in jedem Rechtszug von Amts wegen zu treffende Entscheidung hat der Senat nachgeholt. …