OLG München, Urteil über Anschlussberufung vom 25. Januar 2013, 10 U 2974/12
Treppensturz – Keine Haftung trotz fehlendem Warnschild
Gericht
OLG München
Art der Entscheidung
Urteil über Anschlussberufung
Datum
25. 01. 2013
Aktenzeichen
10 U 2974/12
Tenor
Die Anschlussberufung des Klägers vom 31.10.2012 gegen das Endurteil des LG München II vom 30.05.2012 (Az. 13 O 6393/10) wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Beklagten vom 19.07.2012 wird das Endurteil des LG München II vom 30.05.2012 (Az. 13 O 6393/10) in Nr. I bis III abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
Gründe:
A.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
B.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg, die zulässige Anschlussberufung ist unbegründet.
I.
Das Landgericht hat zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz aus eigenem und abgetretenem Recht bejaht. Wegen des Eigenverschuldens des Verletzten Peter T., des ehemaligen Arbeitnehmers der Klägerin, tritt eine etwaige Haftung des Beklagten zurück (§§ 823 Abs.1, 254 Abs. 2 BGB), weswegen die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen ist.
1. Die Frage, in welchem Umfang den Beklagten bezüglich der Reinigung des Treppenhauses Verkehrssicherungspflichten treffen, ist eine Frage des Einzelfalls. Ob der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, in jedem Stockwerk jedenfalls in der Zeit, in der nach dem Wischen eine erhöhte Glättegefahr vorliegt, ein Warnschild aufzustellen, wird von der Rechtsprechung uneinheitlich gesehen. Da jedenfalls nach dem Tatbestand des angegriffenen Ersturteils nicht sicher feststeht, wie die Treppenreinigung genau durchgeführt wurde (vgl. hierzu auch LG Regensburg, DWW 1988, 320), ist die Frage, ob ein Warnschild auch in jedem Stockwerk aufzustellen ist, danach zu beantworten, welche Selbstverantwortlichkeit und Lebenstüchtigkeit hinsichtlich der Benutzer des Treppenhauses unterstellt wird oder nicht (begründet an der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der Gefahrenabwehr anhand der konkreten Umstände). Während das OLG Frankfurt (OLGR Frankfurt 2001, 141) pauschal das Aufstellen von Warnschilder nicht für erforderlich hält (im dortigen Fall kein Organisationsverschulden), meint das OLG Koblenz (MDR 2010, 630) ohne weitere Begründung, dass dann, wenn eine Marmortreppe nach den Putzarbeiten nässebedingt glatt werde, Hinweis- und Warnschilder wegen einer bestehenden Rutschgefahr notwendig seien. Letzterer Auffassung folgt auch das LG Düsseldorf (Urteil vom 11.06.2010, Az. 2b O 159/07) jedenfalls für den Fall, dass die Feuchtigkeit des Fußbodens nicht ohne weiteres erkennbar war. Dagegen hält es das LG Gießen (NJW-RR 2002, 1388) für eine Überspannung an die Anforderung der Verkehrssicherungspflicht, wenn verlangt würde, Treppen unmittelbar nach dem Wischvorgang zu trocknen oder andernfalls als nass zu kennzeichnen.
2. Die Rechtsfrage braucht im vorliegenden Verfahren jedoch nicht abschließend entschieden werden, da das Landgericht zu der in erster Instanz unwidersprochenen Auffassung gelangt ist, dass der Verunfallte während der Wartezeit vor dem Lift die Möglichkeit gehabt hätte, die Reinigungsarbeiten im Treppenhaus durch Geräusche, Gerüche etc. zu bemerken und insoweit aufmerksam hätte sein müssen (vgl. S. 7 des Ersturteils). Der dementsprechende Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 14.03.2012 wurde von der Klägerin nicht bestritten (vgl. Schriftsatz vom 23.03.2012, Bl. 70/71 d. A.). Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz nunmehr die Tatsachenbehauptung des Beklagten, die Reinigungsarbeiten hätten vom später Verletzten noch vor dem Sturz wahrgenommen werden können (visuell, akustisch und oder olfaktorisch), bestreitet, ist dieses Bestreiten nicht zuzulassen (§§ 529, 531 ZPO), da die Klägerin nicht darlegt, weshalb sie die Tatsache ohne Nachlässigkeit nicht bereits in erster Instanz bestreiten hätte können. Ganz im Gegenteil ist darauf hinzuweisen, dass der Geschäftsführer der Klägerin in seiner Zeugenaussage im Vorprozess vor der 14. Zivilkammer des LG München II vom 17.02.2011 (in dieses Verfahren eingeführt in der mündlichen Verhandlung vom 29.02.2012, Bl. 54 d. A.) ausgeführt hat, dass der Boden “deutlich nass” gewesen sei und er meine, dass “reichlich Putzmittel genommen” worden seien (vgl. S. 3 dieses Protokolls). Wenn also selbst der Geschäftsführer der Klägerin nach dem Unfall offensichtlich problemlos feststellen konnte, dass gerade geputzt wurde und der Boden “deutlich nass”, also sichtbar nass gewesen ist, hätte die Klägerin darlegen müssen, weshalb dies dem später Verletzten, der immerhin noch länger vor dem Lift wartete, nicht möglich gewesen sein soll. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Zeuge M. in der Verhandlung vom 17.02.2011 (s.o., die Klägerin beruft sich in der Berufungsbegründung ausdrücklich selbst auf diese Aussage) auch angegeben hat, dass der Boden “auf der Etage und der abwärts führenden Treppe” zu diesem Zeitpunkt “frisch gewischt”, noch “feucht und rutschig” war.
Aufgrund dieser Feststellungen geht schon das Landgericht zu Recht davon aus, dass den Verletzten ein Mitverschulden treffe. Der Ansatz von lediglich einem Drittel ist nach Auffassung des Senats jedoch rechtsfehlerhaft. Grundsätzlich ist der oben zitierten Rechtsprechung zu entnehmen, dass jedenfalls dann, wenn etwa wegen des Bodenbelags die vorherige Reinigung mit einer damit verbundenen Rutschgefahr schwer ersichtlich ist, ein Warnschild aufgestellt werden müsste. Ein derartiger Verstoß muss bei der Frage der Abwägung des Mitverschuldens (§ 254 BGB) dann aber in seiner Bedeutung zurücktreten, wenn zur Überzeugung des Tatrichters der später Verunfallte wie hier wegen seiner Wahrnehmungen und seiner Fachkompetenz die Gefahr erkennen konnte und musste. Denn der Verunfallte konnte als Bauleiter die Rutschgefahr auch dann erkennen, wenn er nur die Reinigung des Treppenhauses wahrnimmt, weil er bei dem ihm bekannten Boden ableiten konnte, dass dieser nach der Nassreinigung eine Rutschgefahr aufweist. In einem derartigen Fall wirkt sich das Versäumnis des Beklagten (nicht aufgestelltes Warnschild im Obergeschoss) bezüglich des Unfallgeschehens nicht mehr aus. Der Verunfallte weiß dann durch das Warnschild nicht mehr, als das, was er durch seine Wahrnehmungen während des Wartens auf den Aufzug sowieso schon in Erfahrung bringen konnte. An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts, wovon letztlich zutreffend auch das Landgericht ausgegangen ist, wenn der Verunfallte diese Hinweise missachtet hätte. Denn gleiches gilt für das Warnschild, auch das hätte er nicht beachten können. Bei Beachtung dieser Ausgangslage tritt selbst dann, wenn man eine Verpflichtung des Beklagten auf Aufstellung eines Warnschilds grundsätzlich annehmen würde, ein dementsprechendes Versäumnis des Beklagten zurück und überwiegt das eigene Verschulden des Verletzten so weitgehend, dass dadurch eine Haftung des Beklagten ausscheidet. Da die Klägerin ihre Ansprüche vom Verletzten ableitet, kann auch sie keine begründeten Ansprüche geltend machen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr.8 EGZPO.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.