Stromkunden: Auch bei Preiserhöhungen durch Abgaben und Steuern besteht ein Sonderkündigungsrecht
Wenn Stromlieferanten ihre Preise aufgrund gestiegener oder neu eingeführter Steuern, Abgaben oder Umlagen erhöhen, muss dem Kunden ein Kündigungsrecht eingeräumt werden.
Das hat das Landgericht Düsseldorf aufgrund einer Klage der Verbraucherzentrale NRW entschieden.
Das gesetzliche Sonderkündigungsrecht darf in diesem Fall nicht ausgeschlossen sein. Eine gegenteilige Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Stromio GmbH haben die Richter für unwirksam erklärt. Wird das Urteil rechtskräftig, können Kunden Geld aus Preiserhöhungen, die sich auf diese unzulässige Klausel stützten, zurückverlangen. Ferner entschied die Kammer, dass die zwingende Erteilung einer Einzugsermächtigung beim Bestellvorgang unzulässig ist.
„Hoheitliche Belastungen“ wie Steuern, Abgaben und Umlagen machen inzwischen mehr als 50 Prozent des Strompreises aus. In der Energiebranche finden sich derzeit vermehrt Vertragsklauseln, die das gesetzliche Sonderkündigungsrecht des Kunden bei Preisänderungen aufgrund dieser Faktoren ausschließen. Damit können Anbieter dann ihre Preise erhöhen, ohne dass Kunden kündigen und den Energieversorger wechseln können.
Eine solche Klausel hat das Landgericht Düsseldorf der Stromio GmbH nun untersagt.
Die Vorschrift des Paragrafen 41, Absatz 3, Satz 2, Energiewirtschaftsgesetz, die den Kunden nach ihrem Wortlaut bei einer Änderung der „Vertragsbedingungen“ ein fristloses Kündigungsrecht einräumt, gelte auch für Preisänderungen. Durch die Möglichkeit zur Kündigung werde das wirtschaftliche Gleichgewicht zwischen den Vertragsparteien nicht gestört. Dieses „Äquivalenzverhältnis“ sei bereits durch die Möglichkeit gewahrt, dass der Stromanbieter seine Preise überhaupt anpassen dürfe. „Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung“, erklärt Jürgen Schröder, Energierechtsjurist der Verbraucherzentrale NRW, „denn es ist nach unserer Kenntnis die erste umfassend begründete Entscheidung zu solchen Preisanpassungsklauseln.“
Um ihre Rechte für den Fall zu wahren, dass der Richterspruch rechtskräftig wird, müssen Kunden rechtzeitig Widerspruch gegen eine Jahresrechnung einlegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können sie einer Rechnung binnen drei Jahren rückwirkend taggenau widersprechen. Gegen eine Jahresrechnung vom 30. November 2012 könnte daher noch bis zum 30. November 2015 widersprochen werden. Auch gegen alle Jahresrechnungen von 2013 ist noch Widerspruch möglich.
Daneben ist die Verjährungsfrist zu beachten. „Zwar verjähren Ende 2015 die Ansprüche aus Rechnungen von 2012. Interessant sind aber vor allem Rechnungen von 2013 und 2014. Allein die EEG-Umlage stieg in diesem Zeitraum von 3,59 ct/kWh in 2012 auf 5,28 ct/kWh in 2013 und weiter auf 6,24 ct/kWh im Jahr 2014“, rechnet der Experte mögliche Rückforderungsmargen vor. Daher bleibt Kunden, die Geld aus Rechnungen von 2013 zurückhaben möchten, noch bis Ende 2016 Zeit, die Verjährung zum Beispiel durch eine Klage zu verhindern.
Mit einem Musterbrief hilft die Verbraucherzentrale NRW bei der Formulierung des Widerspruchs.
Die rote Karte zeigten die Richter der Stromio GmbH außerdem, weil sie ihren Kunden beim Bestellvorgang im Internet nicht – wie gesetzlich vorgeschrieben – die Wahl zwischen verschiedenen Zahlungsmöglichkeiten einräumte. Zwingend mussten Kunden hier ihre Bankdaten angeben und eine Einzugsermächtigung erteilen. Das Landgericht Düsseldorf sah hierin einen Verstoß gegen die gesetzliche Pflicht des Anbieters, stets verschiedene Zahlungsweisen anzubieten. Gleichwohl eine Einzugsermächtigung beziehungsweise SEPA-Lastschrift eine sichere und bequeme Zahlungsart ist, muss der Stromversorger auch zum Beispiel die Zahlung per Überweisung ermöglichen.
LG Düsseldorf, Urteil vom 22.10.2015, Aktenzeichen 14d O 4/15
QUELLE: Verbraucherzentrale NRW