Typisches Tierverhalten: Herrchen haftet immer
Der Halter eines Tieres haftet für Schäden, die durch typisches Tierverhalten wie etwa das Beißen eines Hundes oder Austreten eines Pferdes verursacht werden. Dies gilt nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Celle selbst dann, wenn das Tier die Schäden verursacht, während es sich in der Obhut einer anderen Person – etwa eines Tierarztes – befindet und der Halter damit keinerlei Möglichkeit hat, steuernd auf sein Tier einzuwirken.
Das Urteil vom 11. Juni 2012 (20 U 38/11) zeigt einmal mehr, wie wichtig für Tierhalter der Abschluss einer Tierhalterhaftpflichtversicherung ist.
Der 20. Zivilsenat hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem die Halterin eines Schäferhundes diesen in die Kleintierklinik des Klägers gebracht hatte. Dort wurde der Hund für die Behandlung narkotisiert. Beim Erwachen aus der Narkose biss das Tier den Tierarzt in die rechte Hand und verursachte schwere Verletzungen. Für diese Verletzungen verlangte der Tierarzt Schadensersatz und Schmerzensgeld im sechsstelligen Bereich, weil er durch die Handverletzungen seine tierchirurgische Tätigkeit nicht mehr ausüben könne.
Die beklagte Hundehalterin meinte, für die Schäden nicht einstehen zu müssen, weil sie keine Möglichkeit gehabt hätte, auf ihren Hund Einfluss zu nehmen. Diese Möglichkeit hätte allein der Kläger gehabt, der als Tierarzt über eine besondere Sachkunde verfügt und sich dem Risiko, von dem Hund angegriffen zu werden, bewusst ausgesetzt habe.
Dieser Argumentation folgte der 20. Zivilsenat jedoch nicht sondern entschied, dass allein der Umstand, dass man sein Tier zum Zweck der Behandlung o.ä. in die Obhut einer anderen Person gebe, nicht dazu führen könne, dass die Haftung des Halters ausgeschlossen sei. Denn die Haftung des Tierhalters bestehe unabhängig von der Möglichkeit seiner Einflussnahme. Allerdings könne die Haftung beschränkt werden, wenn der Geschädigte durch inadäquates Verhalten zu der Verletzung selbst beigetragen habe. Da Hunde während des Erwachens aus der Narkose mitunter außergewöhnlich und aggressiv reagieren würden, hätte der Tierarzt im zu entscheidenden Fall besondere Vorsicht beim Herangehen an den Hund walten lassen müssen, was er jedoch nicht getan hatte. Dementsprechend konnte er nur einen Teil der geltend gemachten Schäden ersetzt verlangen.
Der Pressesprecher und Richter am Oberlandesgericht Dr. Götz Wettich betont: „Angesichts der Schäden, die durch Bissverletzungen entstehen können, hat das Land Niedersachsen gut daran getan, im Gesetz über das Halten von Hunden den Abschluss einer Haftpflichtversicherung vorzuschreiben. Wer gegen dieses Gebot verstößt, riskiert nicht nur, bei Unfällen horrende Schadensersatzforderungen aus eigener Tasche zahlen zu müssen, sondern auch die Verhängung einer empfindlichen Geldbuße bis zu 10.000 Euro.”
QUELLE: Oberlandesgericht Celle