Unfall bei Mithilfe unter Freunden: Meistens nicht durch gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt
Geschieht bei Gefälligkeitsleistungen unter Verwandten und Freunden ein Unfall kommt es darauf an, ob es sich um eine Tätigkeit handelt, die mehr fordert, als in Verwandtschafts- bzw. Freundschaftsbeziehungen üblich. Nur dann steht die Beschäftigung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Das hat das Sozialgericht Karlsruhe geurteilt.
Der Fall: Der zum Unfallzeitpunkt arbeitslose Kläger ist gelernter Zimmermann und mit dem Bauherrn, einem Lehrer befreundet. Er half ab Mitte August 2010 dem Bauherrn unentgeltlich bei der Errichtung eines Carports auf dessen Grundstück. Am vierten Tag seiner Hilfeleistung verletzte sich der Kläger bei Dachstuhlarbeiten mit einer Kreissäge am rechten Oberschenkel. Der Kläger hatte seine Mithilfe von sich aus wegen seiner Sachkenntnis und aus Gründen der Freundschaft zu dem Bauherrn angeboten, weil dieser ihm geholfen hatte, die Folgen seiner Lese- und Schreibschwäche im Alltag zu bewältigen. Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Er sei insbesondere nicht „wie ein Arbeitnehmer“ für den Bauherrn tätig geworden.
Die deswegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Karlsruhe nach schriftlicher Anhörung des Bauherrn als Zeugen abgewiesen: der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt weder „als“ noch „wie“ ein Beschäftigter tätig gewesen. Zwar sei der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht von vornherein deshalb ausgeschlossen, weil der Verunfallte einem Verwandten oder Freund geholfen habe. Deshalb scheide auch eine Tätigkeit wie ein Beschäftigter im Sinne des Gesetzes nicht allein deshalb aus, weil die Tätigkeit für einen Verwandten oder Freund verrichtet werde. (Urteil vom 30.01.2012; S 1 U 2650/11)
Bei Gefälligkeitsleistungen unter Verwandten und Freunden sei darauf abzustellen, ob das Familienmitglied/der Freund eine Gefälligkeit erweise, die durch die Stärke des Verwandtschafts- bzw. Freundschaftsverhältnisses ihr Gepräge erhalte, oder ob es sich um eine ernstliche Tätigkeit handele, die über das hinausgehe, was allgemein in Verwandtschafts- bzw. Freundschaftsbeziehungen gefordert und normalerweise von abhängig Beschäftigten erbracht werde. Je enger eine Gemeinschaft sei, umso größer sei der Rahmen, in dem bestimmte Verrichtungen hierdurch ihr Gepräge erhielten.
Im Fall des Klägers habe nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens der Kläger dem Bauherrn am Unfalltag eine Gefälligkeit erwiesen, die durch die Stärke der zwischen ihnen bestehenden langjährigen Freundschaft ihr Gepräge erhalten habe. Denn er habe dem Bauherrn seine Hilfe bei der Errichtung des Carports von sich aus, freiwillig und unentgeltlich angeboten, was allein schon gegen eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit spreche. Denn Arbeitnehmer handelten im Allgemeinen nur nach Aufforderung und nur gegen Entgelt oder sonstige materielle Vorteile. Auch habe zwischen dem Kläger und dem Bauherrn kein arbeitnehmerähnliches Über-/Unterordnungsverhältnis bestanden.
Der Kläger selbst habe wiederholt das Anerbieten seiner Hilfeleistungen gegenüber dem Bauherrn als „Freundschaftsdienst“ und „Gefälligkeit“ bezeichnet und diese als Gegenleistung dafür angesehen, dass der Bauherr seinerseits aufgrund seiner Ausbildung und Tätigkeit als Lehrer ihm umgekehrt geholfen habe, die Folgen seiner Lese- und Rechtschreibschwäche im Alltag zu bewältigen; insbesondere habe der Bauherr ihm in der Vergangenheit wiederholt beim Schriftverkehr und bei Behördengängen geholfen. Durch diese Freundschaft habe die Tätigkeit des Klägers am Unfalltag mithin ihr Gepräge erhalten. Überdies sei die Mithilfe des Klägers an seinem Bauvorhaben auch nach den Angaben des Bauherrn keine Ausnahme gewesen, d.h. die Freundschaft sei offenbar von wechselseitigen Hilfeleistungen geprägt gewesen.
Der zeitliche Umfang der vom Kläger bis zum Unfallereignis bereits erbrachten Hilfeleistungen am Bauvorhaben von rund 22 Stunden und die darüber hinaus – ohne das Unfallereignis – geplanten weiteren Hilfeleistungen von etwa 35 Zeitstunden führten zu keinem anderen Ergebnis. Denn es verstehe sich unter guten Freunden von selbst, dass man selbst helfe, wenn man schon einmal – oder wie hier: wiederholt – Hilfe bekommen habe oder in Zukunft erwarte. Dabei seien auch langandauernde Hilfeleistungen nicht ungewöhnlich.
QUELLE: Sozialgericht Karlsruhe